Tod eines Milliardärs. Nick Stein

Tod eines Milliardärs - Nick Stein


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winkte dem Kellner. So schnell ließ sich der Typ wohl nicht abschütteln.

      »Okay, Brandon. Vielleicht komme ich ja darauf zurück.«

      Sie gab dem Kellner Bargeld. Lieber hätte sie den Cocktail auf ihr Zimmer buchen lassen, aber dann hätte der Glatzkopf ihre Zimmernummer gesehen.

      »Und du bist?«, fragte der Muskelmann zurück.

      »Ann. Ich heiße Ann.«

      Im Lift fragte sie sich, wer sie denn nun in Wirklichkeit war.

      *

      Zurück im Zimmer stellte sie fest, dass sie nicht im Mindesten müde war. Sie hätte gern weiter an der Bar gesessen, in den Spiegel zwischen die Flaschen gesehen und in ihrem Spiegelbild gelesen, was ihr die Zukunft wohl brachte. Aber allein an einer Bar in New York, das ging scheinbar nicht.

      Sie war zum ersten Mal allein in der Stadt. Bei früheren Besuchen war sie immer in männlicher Begleitung gewesen.

      In Italien, wo sie vor gefühlten sechs Monaten ihren Flieger nach London bestiegen hatte, war es jetzt drei Uhr nachts. Müde war Johanna trotzdem nicht; sie war in einem neuen Leben angekommen, das sich anfühlte wie ein zu großer und zu schwerer kratziger Mantel.

      Sie ging ins kleine Bad, putzte sich die Zähne, schminkte sich ab und nahm noch eine warme Dusche, um müde zu werden.

      Es half nichts.

      Was soll’s, dachte sie. Mache ich mich eben fertig für die Nacht und lese noch ein wenig. Dann habe ich bei Arbeitsbeginn weniger zu tun.

      Sie begann zu lesen.

      2

      DER SÄUREMÖRDER

      »Ilka?«, fragte der Telefonhörer. Als ob der Anrufer nicht glauben mochte, dass sie tatsächlich abgehoben hatte. Was die Kommissarin ernsthaft abgewogen hatte, als sie die Nummer des Anrufers erkannt hatte.

      Ilka Eichner stieß genervt die Luft aus der Lunge.

      »Ja-ha«, antwortete sie genervt. »Was ist denn, Jonas? Kannst du nicht gleich sagen, was du willst? Du weißt doch, dass das meine Nummer ist und da niemand sonst rangeht.«

      Oberkommissar Jonas Altmann machte den Status als ihr Untergebener immer wieder durch Versuche wett, ihr als cooler, starker Typ gegenüberzutreten. Er benahm sich so, als ob sie Geheimnisse teilten.

      Vielleicht brauchte sein Ego das, dachte sie. Ihr ging diese Methode, sich anzuschleimen, gewaltig auf den Keks.

      »Ich dachte nur, wir könnten da zusammen hinfahren, Ilka. Liegt in der Nähe vom Treibhaus. Wir könnten dort anschließend was zusammen essen oder einen Drink zischen.«

      »Wie bitte? Hast du getrunken, Jonas? Wohin? Und anschließend an was? Was willst du eigentlich? Ich dachte, du wärst im Dienst.«

      Sie schnaufte. Ausgerechnet ins Treibhaus. Und vermutlich sollte sie dort mit ihm in seinem Triebwagen hinfahren, wie sie ihn kannte. Seinem fetten Siebener, bei dem sich der Beifahrersitz nicht mehr richtig nach vorn klappen ließ.

      »Äh – wegen diesem Fall in der Baumbachstraße? Das ist da gleich um die Ecke, in List. Diese verschrumpelte Frau.«

      »Welche verschmorte Frau? Wovon redest du?«

      Altmann stutzte am Telefon. »Sag bloß, du hast davon noch nicht gehört? Sonst bist du doch immer die Erste, die alles weiß.«

      »Kannst du mal zum Thema kommen, Jonas? Was ist da passiert? Um was handelt es sich? Wer hat das gemeldet? Wer ist da verschrumpelt? Fakten, bitte. Also?«

      Sie hörte, wie ihr Gegenüber am Telefon schluckte.

      »Warte, ich komme rüber und erstatte Bericht«, brummte er.

      Die Kriminalhauptkommissarin legte auf.

      »Na also. Warum nicht gleich so.«

      Eine Minute später kam Altmann zur Tür herein, leicht gebückt, damit er mit seinem schwarzen Cowboyhut nicht gegen den Türrahmen stieß. Mit Hut war er locker zwei Meter und zehn hoch.

      »Sorry, Ilka, ich dachte, du wärst informiert. Tut mir leid.«

      Er setzte sich auf einen der beiden Stühle vor ihrem Schreibtisch und legte eine Mappe vor sich auf die Tischkante.

      »Also. Eine Nachbarin hatte angerufen, weil es in einer Wohnung im dritten Stock in der Baumbachstraße so merkwürdig roch, und zwar seit Tagen. Als ob da permanent was am Gammeln wäre. Sie hatte geklingelt, es war niemand da. Sie kannte die Frau, die dort wohnte. Es handelt sich um eine Luisa Heinrich, neunundzwanzig, geschieden, allein lebend, keine Kinder. In der Wohnung brannte Licht.«

      Altmann schluckte.

      »Sie hat dann die Kollegen gerufen. Der Hausmeister hatte einen Generalschlüssel und hat sie reingelassen. Gefahr im Verzug, ohne Bescheid.«

      »Und?« Ilka Eichner sah Altmann ins Gesicht und zwinkerte nicht. Er senkte den Blick auf die Tischplatte und fuhr fort.

      »Da lag eine Frau im Wohnzimmer, beziehungsweise die Reste von ihr. Vor ihr standen zwei Kanister mit Chemikalien, ein kleinerer klemmte zwischen ihren Beinen. Ein Chemieunfall. «

      Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und schnäuzte sich.

      »Die Frau war halb zersetzt, sie roch nach Müllhalde. Sie hatte da schon ein paar Tage gelegen und es sah entsprechend aus.«

      Er sah auf und bemerkte ihren kritischen Blick.

      »Sorry, aber war wohl so. Die Chemikalien stammen wohl aus dem Großhandel. Oder von jemand anderem, wir wissen nicht, ob dabei womöglich Fremdverschulden vorliegt.«

      Er massierte sich mit dem langen Nagel des kleinen Fingers die tiefe Spalte in seinem Kinn, aus der er die Stoppeln nie richtig herausbekam.

      »Sie hatte da verschiedene Mischbehälter, einen Trichter, Schläuche und ähnlichen Kram.«

      Er sah wieder auf, konnte dem Blick aus ihren grauen Augen aber nicht lange standhalten.

      »Ach ja, noch was. Die Frau hatte eine VR-Brille vor den Augen, die aber aus war. Vermutlich hat sie sich wegen Inaktivität abgeschaltet. Die Spurensicherung hat sie mitgenommen. Der Computer, der auf dem Schreibtisch stand, hatte sich ebenfalls abgeschaltet.«

      Er schob ihr den Bericht rüber, stand auf und sah ihr in die Augen.

      »Die Leiche ist jetzt freigegeben. Sollte unser Fall sein. Ich dachte, wir sollten uns das ansehen.«

      Er stand auf, nahm den Cowboyhut, den er auf dem Rand des Schreibtisches abgelegt hatte, in seine Hände und hielt ihn vor seinen Schoß.

      »Anschließend werden wir einen Drink gebrauchen können, dachte ich. Soll da nicht gut aussehen. Drinks gehen auf mich.«

      Er sah sie wieder direkt an und hielt ihrem Blick diesmal stand.

      »Also?«

      Ilka Eichner stand auf und schnaubte durch die Nase. Es war Freitagnachmittag, sie hatte Dienst im Dezernat elf und war somit verantwortlich. Lust auf eine gammelige Tote hatte sie nicht. Sie seufzte.

      »Na gut, Jonas. Wir sehen uns das mal an. Wir nehmen meinen Wagen, ich setze dich dann an deiner Kneipe ab. Ich treffe nachher noch jemanden.«

      Dass sie ein Date mit ihrer Schwester hatte, musste sie ihm nicht auf die Nase binden.

      Sie schnappte sich den Ordner und gab ihn zurück. »Du kannst mir das unterwegs im Auto vorlesen. Ist die Spusi noch vor Ort? Wer von denen war dort? Ich will das alles wissen, wenn wir da sind.«

      Auf dem Weg zum Auto lag ihr etwas auf der Zunge. Da war etwas gewesen. Richtig, sie hatte es.

      In Salzburg hatte vor Kurzem ein Mann vor Gericht gestanden. Er hatte ein Preisausschreiben gestartet. Eine der zu lösenden Aufgaben war es gewesen, herauszufinden,


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