Tod eines Milliardärs. Nick Stein

Tod eines Milliardärs - Nick Stein


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nur in ihr rummachen, hätte sie sich beklagt, ohne sie als die romantische Frau wahrzunehmen, die sie war.

      An einer Stelle des Gespräches hatte die Kommissarin ihren Kollegen weggeschickt. Er sollte sich um den Laptop kümmern und schon mal vorfahren.

      Dann hatten sie von Frau zu Frau über Intimes geredet.

      Sex hatte Marietta nie Spaß gemacht, also vaginaler Sex, hatte die Freundin erzählt. Sie empfand dabei gar nichts. Oral wäre okay für sie gewesen; sie hatte alle Literatur dazu verschlungen und alle möglichen Webseiten durchforstet, wie sie auch das andere lernen konnte. Wie sie ihren G-Punkt finden sollte, wie sie normal mit Männern Spaß haben konnte, ohne sich zu ekeln.

      Zärtlichkeit wäre ihr viel wichtiger gewesen, aber die gab es mit den meisten Männern nicht ohne Sex. Marietta hätte mal einen Softie gehabt, der war dann nach zwei Wochen mit ihren Ersparnissen abgehauen.

      Auf der Suche nach Lösungen hatte Marietta nach Medikamenten gefahndet, die ihr vielleicht helfen konnten, Viagra für Frauen und Ähnliches. Sie war auch damit jedes Mal enttäuschter von einem Date zurückgekommen als vorher.

      Trotzdem hätte sie immer weiter nach Freundschaft und Liebe gesucht, aber ewig nur das Gleiche wie vorher angetroffen.

      Vor einem Jahr hatte sie angefangen zu trinken, es aber wieder aufgeben können.

      Ihre Freundin konnte sich vorstellen, dass Marietta alles probieren würde, um es endlich zu schaffen, normalen Sex zu haben und einen Mann zu halten, ohne sich ekeln zu müssen.

      Das alles hatte die Theorie der Kommissarin bestätigt. Nur war sie mit der Suche nach dem Täter dabei keinen Schritt weitergekommen.

      Mimi Wolter kannte die Profile ihrer Freundin auf den einschlägigen Datingportalen und anderen Netzwerken und gab sie der Kommissarin. Über Namen hatten die beiden in der letzten Zeit kaum gesprochen; Marietta hatte einen Daniel erwähnt, vor drei Wochen, wo es vielleicht Hoffnung gäbe, mehr wusste die Freundin darüber nicht.

      Daniel. Eine Zeile mehr im Suchraster.

      Die Kommissarin hatte sich bedankt und war zurück aufs Revier gefahren, um sich inkognito bei Tinder & Co. anzumelden und dort nach Spuren von Marietta Wesemann zu fahnden.

      Johanna überschlug ein paar Seiten. Das Wochenende war im Krimi vorbei, die IT-Abteilung hatte den Laptop inzwischen öffnen können.

      Johanna legte das Buch beiseite und trank ihren Tee aus. Na ja. Sie konnte das natürlich ins Amerikanische übersetzen. In Deutschland wurde so etwas anscheinend gelesen, vielleicht lief das hier auch. Das war ihr einigermaßen egal. Lange wollte sie das hier nicht machen, es war langweilig. Leidende Frauen waren einfach nicht ihr Ding.

      Sie beschloss, den späten Nachmittag im Met zu verbringen, dem Metropolitan Museum of Art, an dem sie morgens vorbeigejoggt war.

      Abends konnte sie immer noch ein paar Seiten lesen. Die einzige Frage, die sie sich stellte, würde wohl erst später im Buch beantwortet werden. Würde die Kommissarin, wenn andere Wege nicht mehr weiterführten, sich hinreißen und selbst zum Opfer machen lassen? Und würde sie den Täter damit finden?

      Der Regen hatte wieder aufgehört. Johanna zog sich ein graues Kostüm an, elegant und unscheinbar zugleich, schlüpfte in grau-rote Sneakers und machte sich auf den Weg zur Met.

      Sie ging am Zoo vorbei durch den Park und stand in einer guten halben Stunde vor dem imposanten Museum. Dort alles zu sehen war unmöglich; Johanna war neugierig und ein wenig erregt.

      Sie wollte sich eins der Werke von Viola Kroll ansehen, das Viola von zwei Jahren im Ausstellungsraum Nr. 908 präsentiert hatte.

      Statt der selbstbewussten langhaarigen Rotblonden betrat nun eine zugeknöpfte große Frau mit kurzen, schwarzen Haaren das Museum. Vermutlich hätte auch niemand Viola wiedererkannt, so lange hielt der Ruhm hier nicht.

      Aber sie hätte zumindest die Chance gehabt, angesprochen zu werden. »Aren’t you Viola Kroll, M’am? I admire your work.«

      Nichts von alledem.

      Johanna kaufte sich ein Ticket und betrat die Abteilung für Modern and Contemporary Art. Der Spannung wegen ging sie entgegen des Uhrzeigersinns durch die Räume; 908 würde der letzte Ausstellungsraum sein.

      Sie hatte Violas Plastik, den Meister der Schrift, länger nicht mehr gesehen. Es war das Abbild eines Mannes, der sich über ein Buch beugte und las. Ging man näher heran, löste sich die Skulptur in feine Buchstabenketten auf, wie ein DNA-Strang.

      Die Buchstaben ergaben sogar Sinn. Sie hatte den größten Teil des Textes des Buches, das der Mann las, Unter Unreifen, als Wörterkette zu dieser lebensgroßen Skulptur zusammengefügt und ein beinahe perfektes Abbild des Autors erzeugt.

      Der Name des Autors auf dem Buch lautete Georgiu Ionescu. Den hatte Viola sich ausgedacht, den Mann gab es nicht. Der echte Autor, den sie mit seiner Einwilligung getötet hatte, war ein Henning Rosinski gewesen.

      Rosinski hatte die Schnauze vom Leben voll gehabt. Nach der Einnahme von Sterbehilfe-Medikamenten war er sanft entschlafen. Viola hatte ihn eingeäschert und seine Asche dem Rohmaterial der Keramik beigefügt; er war nun Teil seines Werkes geworden, für immer als Autor präsent.

      Nach der Herausgabe des Buches unter dem Namen Ionescu hatte er eine gewisse Berühmtheit erlangt. Viola hatte die Plastik, die ihn darstellte, für vierzehn Millionen Dollar an die Met verkaufen können. Dass der Künstler selbst darin steckte, wusste das Museum natürlich nicht.

      Sie betrat den Raum und sah in die Ecke, wo der Meister der Schrift stand.

      Gestanden hatte.

      In der Ecke stand eine Video-Installation eines Italieners. Der Meister der Schrift war nicht mehr da, die Plakette mit dem Namen Viola Kroll darauf war mit ihm verschwunden.

      Er stand jetzt irgendwo in den verstaubten Kellern des Museums oder in einer Lagerhalle in Brooklyn.

      Violas Spuren waren nicht mehr vorhanden. Als ob es sie niemals gegeben hätte.

      Johanna schwankte, als sie weiterging und dem Ausgang zustrebte. Klar, das war zu erwarten gewesen, dass andere Werke ausgestellt werden würden; aber so schnell? Das Museum musste wirklich viel Geld haben, wenn es sich das so leisten konnte, dachte Johanna.

      Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Ihr erster voller Tag in New York. Sie hatte hier noch keinen Nagel einschlagen können, noch nicht Fuß gefasst, sie trieb ankerlos durch die Stadt.

      Sie ging an der 5th Avenue entlang zurück zum Hotel, an ein paar Bars und einem Nachtklub entlang. Darauf hatte sie gegenwärtig keine Lust.

      Sie erspähte das Albertine, einen Buchladen, in dem sie Unter Unreifen vorgestellt hatte. Ein Schauspieler hatte das Werk anstelle des nicht existierenden Ionescu dort gelesen.

      Es war ein fantastischer Abend gewesen. Der Buchladen war zwar auf französische Literatur spezialisiert und führte erlesene Werke, doch nach der gelungenen Ausstellung im Met war man nur zu bereit gewesen, eine Lesung zu veranstalten, auf Deutsch.

      Johanna trat ein. Auch hier würde sie niemand erkennen.

      Sie liebte dieses Geschäft. Die Decke war dem Sternenhimmel nachgebildet, es roch nach Büchern und Frische, der Ort hatte Charakter, Fengshui, Charme.

      Ihre Werke würde sie hier nicht finden, wohl aber Ruhe und Besinnung. Sie schlenderte langsam an Tischen und Regalen entlang, sah ab und an zur besternten Decke und seufzte.

      »Kann ich Ihnen helfen, Ma’m?«, sprach sie eine jüngere Verkäuferin an, eins von diesen Wesen, das dem Herrn der Ringe entsprungen sein mochte. Sie sah aus wie Rosie, die Frau von Sam dem Hobbit, rosig, sommersprossig, bezopft, von innen leuchtend, mit properen Gliedmaßen und einer Apfelfrische, die aus ihr herausströmte wie Dampf aus einem Teekessel.

      Ihr Namensschild wies sie als Marie aus. Französin aus der Bretagne, dachte Johanna.

      »Ich möchte mich


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