Tod eines Milliardärs. Nick Stein

Tod eines Milliardärs - Nick Stein


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du recht. Wir müssen auf Ergebnisse warten. Wir fahren zurück und fangen mit der Liste von allen Bekannten von Marietta Wesemann an. Und dann sehen wir uns die Liste ihrer Kontakte und ihre Youtube-Kanäle an. Und welche davon VR-enabled waren.«

      Ilka verließ den Raum und warf noch einen Blick durch die ganze Wohnung. Das Bett im Schlafzimmer war ordentlich gemacht, ein paar Wäschestücke lagen in einem geflochtenen Korb mit Deckel, im Schrank war alles säuberlich gestapelt oder aufgehängt.

      In der Küche war es ebenfalls sauber und aufgeräumt.

      Marietta Wesemann hatte noch ein kleines Arbeitszimmer, in dem der Laptop sonst gestanden hatte, die Tischplatte war an der Stelle ausgebleicht. Auch hier war alles ordentlich. In einem Regal standen unter zwei Reihen mit Büchern einige Ordner. Steuer, Rechnungen, Auto, Arbeit, Sonstiges, Privat.

      Ilka nahm sich den letzten Ordner heraus.

      Sie fand Fotos aus der Schulzeit, von Familienfeiern, eine Liste mit Geburtstagen und Buchungen für Reisen. Die Frau war bis auf eine Ausnahme allein verreist, Mallorca, Ibiza, Fuerteventura. Immer für zwei Wochen. Übernachtet hatte sie in preiswerten Hotels in Strandnähe.

      Einmal war sie mit einer Freundin nach Griechenland geflogen, nach Korfu. Marietta hatte gebucht und alle Daten ihrer Freundin mit angegeben.

      Die Freundin war vierzig Jahre alt und lebte ebenfalls in Hannover, in der Nähe des Reviers. Mimi Wolter. Ilka machte ein Foto von der Seite und rief gleich an.

      »Wolter?«

      »Ilka Eichner, Kriminalpolizei. Frau Wolter, entschuldigen Sie die Störung. Kann ich Sie kurz sprechen?«

      »Ich bin gerade von der Arbeit zurück. Geht schon. Worum geht es denn?«, fragte die Frau zurück. Arglos, wie Ilka fand.

      »Kennen Sie eine Marietta Wesemann, Frau Wolter?«

      »Metta? Klar, wir sind befreundet. Ist was mit ihr?«

      »Wann haben Sie denn das letzte Mal etwas von ihr gehört, Frau Wolter? Wissen Sie das noch?«

      »Wieso? Ist sie verschwunden, oder hat sie was angestellt?« Sie dachte nach. »Hm. Das ist so knapp drei Wochen her, nee, genau drei Wochen, auch an einem Freitag. Wir waren im Kino, dann beim Italiener was essen und dann noch in einer Bar. So bis halb zwölf. Sie ist dann mit der Straßenbahn nach Haus.«

      »Wir befürchten, dass Frau Wesemann Opfer einer Straftat geworden ist, Frau Wolter«, rückte die Hauptkommissarin mit der Sprache heraus.

      »Ich bin gerade in ihrer Wohnung. Sie hat hier etwa drei Tage tot gelegen, bis die Nachbarn uns alarmiert haben. Mehr kann ich Ihnen dazu leider nicht sagen. Wir würden gern mehr über Marietta Wesemann wissen, Frau Wolter. Können wir bei Ihnen vorbeikommen?«

      Die Frau am anderen Ende der Leitung machte einen Laut, als ob sie sich gerade erschreckt die Hand vor den Mund geschlagen hätte, ein kehliges Einsaugen der Luft.

      »Nein! Das ist nicht wahr, oder? Marietta? Tot? Um Gottes willen! Wie ist das denn passiert?«

      »Wir ermitteln dazu«, sagte Ilka matt. Sie kannte diese Reaktion gut.

      »Wir können uns auch bei uns auf der Wache treffen, wenn Ihnen das lieber ist. Wir rufen Sie an, weil Sie eine der wenigen Bekannten von Frau Wesemann zu sein scheinen, Sie waren mit ihr im Urlaub. Wir müssen mehr über Frau Wesemann wissen, damit wir in dem Fall weiterkommen.«

      »Wie ist sie denn gestorben?«, wollte die Freundin wissen.

      »Auch das würden wir gern bei einem persönlichen Treffen mit Ihnen besprechen«, antwortete Ilka.

      »Na gut. Kommen Sie bei mir vorbei, ich mache einen Kaffee und räume auf. Wenn Sie bei Marietta sind, könnten Sie in einer Viertelstunde hier sein. Haben Sie meine Adresse?«

      Ilka bestätigte ihr das, bedankte sich und legte auf.

      »Lass uns los, Jonas. Wir fahren zu ihrer Freundin. Vielleicht weiß die etwas über ihre Kontakte.«

      Sie sah auf ihre Uhr. »Für heute ist es zu spät, um die Arbeitskollegen zu befragen. Das machen wir Montag früh. Nimm den Laptop mit, wir gehen anschließend damit sofort zur IT-Abteilung.«

      Altmann verzog die Miene. Das klang nach Überstunden. Es war Freitagnachmittag, er hatte Pläne für den Abend.

      »Na schön«, sagte er. »Aber sobald wir das Ding abgegeben haben, muss ich los. Ich werde auf der Szene Erkundigungen einziehen. Vielleicht stoße ich auf ein paar Spuren. Ich werde im Treibhaus anfangen; vielleicht kannst du ja später dazu stoßen.«

      5

      JOHANNA

       Echt und wirklich

      Es klingelte, ein Bellhop war an der Tür und brachte ihre Sachen. Was nicht im Koffer gelegen hatte, ihre Sachen auf dem Bett und aus dem Bad, lag nun in Seidenpapier verpackt auf einem Tablett, das der Junge auf einer Anrichte abstellte. Sie gab ihm einen Zehner und schickte ihn mit einem Klaps auf den unteren Rücken wieder auf den Gang.

      Auspacken konnte sie auch später noch. Draußen hatte es angefangen zu regnen; sie machte sich einen Tee, stellte ihn auf den Nachttisch und legte sich wieder mit ihrem Buch aufs Bett.

      Auf der Fahrt zu der Freundin der Getöteten machte sich die Kommissarin Gedanken, wie ihr das selbst gefallen hätte, sich Säure auf ihre empfindlichste Stelle zu kippen. Sie hatte sich bei dem Gedanken geschüttelt und Ekel empfunden, dabei aber dennoch einen merkwürdigen Sog verspürt, den Reiz des Verbotenen. Ein kleiner, ekliger Abgrund mit Tiefenwirkung.

      Allein sich das vorzustellen hatte bei ihr eine neugierige Abscheu geweckt, bevor sie den Gedanken energisch beiseitegeschoben hatte.

      Johanna selbst verspürte keinen Reiz bei dem Gedanken. Viola hatte so etwas weder gebraucht noch interessant gefunden. War ihr neues Ich anders? Nein.

      Das hatte sie von Viola mitgenommen; sie war immer der aktive, gestalterische Teil, ob es um Kunst, Sex oder Gewalt ging. Und sie war niemals grausam gewesen, selbst bei den zehn oder zwölf Morden nicht. Sie hatte niemals jemanden gequält, sie hatte ihren Opfern nur mehr oder weniger sanft über die Schwelle geholfen.

      Johanna konnte noch nicht einschätzen, ob sie sich in ihrer neuen Rolle nicht doch verändert hatte. Ob sich diese merkwürdige Übersetzer-Existenz nicht doch auf ihr Selbstbewusstsein auswirken würde.

      Worum ging es den Leuten im Krimi? Sie las weiter.

      Mimi Wolter, die Freundin, hatte nicht viel zur Aufklärung des Falles beitragen können. Sie war eine vollschlanke, sommersprossige Rothaarige von durchschnittlichem Aussehen, Bankangestellte wie die Tote selbst, aber bei einer anderen Sparkasse. Die beiden hatten während des gesamten Griechenland-Urlaubs versucht, interessante Männer kennenzulernen; am letzten Abend hatten sie es in ziemlich betrunkenen Zustand dann endlich geschafft, sich abschleppen zu lassen.

      Die Freundin hatte während des Gespräches gekichert und Jonas Altmann die ganze Zeit schöne Augen gemacht. Er hatte sie gar nicht wahrgenommen und das Gespräch der Kommissarin überlassen.

      Bei ihr wäre es ganz schön gewesen, sagte Mimi aus. Marietta wäre schon länger zurück im Hotel gewesen, als sie zurückkam, sie hätte geweint. Ihr wäre schlecht gewesen, ihr Abschlepper, ein Grieche, hätte sich genommen, was er wollte, und fertig. Marietta habe nichts Schönes empfunden, nur Druck und Schmerz, der Typ wäre sehr rücksichtslos gewesen und hätte ihr den Beckenknochen wundgestoßen.

      »Der hat mich einfach nur gefickt und ist dann sofort sang- und klanglos abgehauen, das Arschloch«, hätte sie geweint.

      Metta hätte da einen blauen Fleck gehabt, konnte sie sich noch erinnern.

      Von anderen Freunden wusste sie nichts. Marietta wäre so gut wie nie mit Leuten mitgegangen. Sie wäre auf der Suche nach ihrem Märchenprinzen gewesen, einem, der sie verstand und sie verwöhnen wollte. Einem sanften Traummann mit weichem


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