Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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Heilerin. „Ich denke, du solltest das, was du vom alten Wissen erlangt hast, unter keinen Umständen aufschreiben. Es ist besser, wenn es in Vergessenheit gerät.“

      „Ja, ich glaube, du hast recht, geliebte Schwester.“ Llaranya leckte sich über die vollen Lippen. „Dann … ist es jetzt so weit?“

      „Alles ist vorbereitet.“ Leoryn wies auf die bequeme Liege, die Schalen mit duftenden Blüten und Ölen und die sanft scheinenden Kerzen. „Du brauchst dich nicht zu sorgen. Du wirst dich entspannen und einschlafen, und wenn du erwachst, ist dein Geist frei für neue Dinge. Du wirst nichts von Bedeutung vergessen. Nichts, was deine Persönlichkeit und deine Liebe betrifft. Du wirst über alle deine Fertigkeiten verfügen und auch …“ Leoryn lächelte verschmitzt. „... auch über das neue Leben unter deinem Herzen.“

      Llaranya blinzelte. „Du … weißt es?“

      „Ich wäre eine verdammt schlechte Heilerin, wenn ich es nicht erkennen könnte, und zudem bin ich eine elfische Heilerin.“ Leoryn trat zu ihrer Freundin und nahm sie zärtlich in den Arm. „Für unser Volk ist eine Geburt selten und ein ganz besonderer Grund zur Freude. Seit wann weißt du es? Sei ehrlich, ich spüre, dass du die Reifung zurückhältst.“

      „Seit vier Monden“, gestand Llaranya und lachte befreit. „Kurz bevor ich erfuhr, dass Nedeam nach Alnoa reiten muss.“

      „Weiß er es?“

      „Natürlich nicht“, erwiderte Llaranya und lachte erneut auf. „Du kennst doch meinen tapferen Krieger. Er wäre in wahnsinniger Sorge um mich und unser Kind. Doch wenn er in einem fremden Land ist, so muss sein Geist frei und wach sein.“

      „Alnoa ist ein befreundetes Land.“

      „Die Hochmark ist das Land des Pferdevolkes, und doch gebar sie Garwin, den mörderischen Verräter.“

      „Ich verstehe, was du meinst.“

      Llaranya sah auf die wartende Liege. „Ich zögere die Reifung hinaus, bis Nedeam in meine Arme zurückkehrt. So werden wir doppeltes Glück erfahren. Das unserer Liebe und das unserer Tochter.“

      „Was ist das für ein Gefühl, wenn ein neues Leben heranwächst?“

      Die schwarzhaarige Elfin zögerte mit der Antwort.

      Im elfischen Volk waren Geburten sehr selten, und das galt erst recht für Geschwistergeburten wie bei Lotaras und Leoryn. Wahrscheinlich war es der Ausgleich der Natur für ein nahezu unendliches Leben. Als Llaranya nun die Freundin ansah, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass Lotaras und Leoryn auf sehr viel persönliches Glück verzichtet hatten, als sie sich dazu entschlossen, aus Freundschaft zu Llaranya in der Hochmark zu bleiben. Hier gab es keine anderen Elfen, denen sich ihre Herzen in Liebe zuneigen konnten. So sehr Leoryn die Menschen auch schätzte, so vermittelte sie doch nicht den Eindruck, als könnte sie sich der Liebe zu einem Mann des Pferdevolkes hingeben. Die Liebe zu einem Normalsterblichen war für einen Elf auch stets eine Frage der Leidensfähigkeit, denn er musste hilflos miterleben, wie der geliebte Mensch nach seiner Blüte verwelkte und verging. Llaranya und ihr Nedeam hatten das unermessliche Glück, dass er die Langlebigkeit eines Grauen Wesens erworben hatte. Eine Fügung des Schicksals, die Leoryn und Lotaras jedoch verwehrt blieb. Wie konnte Llaranya ihre Freundin an einem Glück teilhaben lassen, das diese selbst nie erfahren würde? Und doch … Bedingte wahre Freundschaft nicht, auch solche Gefühle miteinander zu teilen?

      „Es ist unvergleichlich, liebste Leoryn, und doch ist mein Herz schwer.“

      Die Heilerin nickte. Sie ahnte, was die Freundin bewegte.

      „Sei unbesorgt, Llaranya. Wenn die Zeit gekommen ist, da meine Sehnsucht stark ist, wird mein Herz mir den richtigen Weg zeigen. Zum Herzen eines Menschenmannes oder zu den neuen Ufern unseres Volkes.“ Leoryn lächelte sanft und deutete auf die dick gepolsterte Liege. „Und nun, wenn du des Schreibens überdrüssig bist, ist es an der Zeit. Du bist in guten Händen, Llaranya-olud-Deshay.“

      Die Erwähnung des alten Stammnamens aus dem Haus des Urbaums ließ die Elfin leise seufzen. Zögernd begab sie sich zur Liege hinüber und sank in das Polster. Draußen ging die Sonne unter. Der warme rötliche Schein mischte sich mit dem sanften Gelb der Kerzen. Llaranya hörte die leise Stimme der Freundin und spürte die zarte Berührung ihrer Hände.

      Wärme und sanfte Klänge begannen, sie einzuhüllen, und langsam, ganz sanft, verschwammen Wirklichkeit und Traum zu einem konturlosen Nebel.

      Kapitel 10

      Jedener hatte die Jahre seiner Jugend auf den Feldern verbracht. Sein Vater war ein guter Bauer gewesen, einer der Besten, und er hatte seinem Sohn das Wissen vermittelt, wie man selbst auf einem kargen Feld noch einen guten Ertrag erzielte. Ein Landmann hatte ein anstrengendes Leben und das stete Bücken zehrte an den Knochen. So war Jedener sehr froh gewesen, als man ihn in späteren Jahren zum Ältesten wählte. Für seine müden Glieder eine Erleichterung und für das Dorf Denderon ein Gewinn, denn Jedener war nicht nur ein guter Bauer, sondern auch ein guter Händler.

      Denderon war eines der ältesten Dörfer im Königreich von Alnoa und hatte einst den sicheren Schutz des Gebirges von Uma´Roll genossen, weitab von den gefährlichen Pässen zum Reich der Orks und weitab von den Flüssen, auf denen damals immer wieder Korsaren erschienen, um die kleinen Dörfer zu plündern. Noch vor Jahren war es ein sehr abgeschiedener Ort gewesen, dessen Bevölkerungszahl sich stabil hielt. Seit dem großen Beben waren ein paar Menschen aus den Städten hinzugekommen, aber nicht viele, denn in Denderon achtete man darauf, wer in die Gemeinschaft passte. Zwar ließ sich bislang kein Raubgesindel in der Gegend blicken, dennoch war man vorsichtig. Denderon hatte reiche Ernten und in diesen Zeiten konnte das zu einer Verlockung werden.

      So war man in doppeltem Maße über den Bau der Festung von Nerianet erfreut. Die Feste schützte den neuen Spaltpass und somit auch das Dorf, und die Soldaten erwarben einen guten Teil der Ernte, wobei Jedener darauf achtete, die rechte Zahl an goldenen Schüsselchen auszuhandeln.

      Der Wald, der sich einst in der Nähe erhoben hatte, war inzwischen weit zurückgewichen. Viele seiner Bäume hatte man als Baumaterial verwendet und ein Teil fiel der Rodung zum Opfer, um neues Ackerland zu gewinnen. So lag das Dorf nun inmitten einer weiten Ebene mit sanften Hügeln und ausgedehnten Feldern. Nur an wenigen Stellen standen noch kleine Wälder. Jedener hatte das Fällen der Bäume streng reglementiert, damit sich das wichtige Brennholz selbst erneuern konnte. In der Nähe des Dorfes gab es einen kleinen Quellteich, der einen Bachlauf speiste und zur Bewässerung genutzt wurde.

      Denderon war ursprünglich in perfekter Kreisform angelegt worden. Man konnte dies noch gut an den Gebäuden erkennen. Das Holz der Häuser im Zentrum des Dorfes war dunkel vom Alter und rissig geworden. Die Fugen mussten immer wieder mit Moos und Lehm ausgebessert werden. Einige der Bauten verfügten inzwischen über ein zweites Stockwerk, da die Familien gewachsen waren. Andere Bewohner hatten sich dazu entschlossen, eigene Häuser zu errichten, und so war Denderon gewachsen und das einstige Kreisrund sah nun, aus dem Blickwinkel einer Schwinge betrachtet, wie ein zu Boden gefallenes und zerlaufenes Ei aus.

      Im Zentrum erhob sich der Geschichtspfahl. Ein dicker und hoher Holzpfahl, den man, von unten beginnend, mit Schnitzereien versah, welche die Geschichte des Dorfes erzählten. Zumindest jene Ereignisse, die von besonderer Bedeutung waren. Jedener war stolz darauf, dass man seine Wahl zum Ältesten darin verewigt hatte, denn er war, wie er zugeben musste, ein klein wenig eitel. Am Geschichtspfahl wurden auch die wichtigen Zeremonien vollzogen und Feste gefeiert. Trauungen und Schlichtungen von Streitigkeiten fanden hier ebenso statt wie die Erntefeste.

      Die Fassaden der Häuser wurden traditionell mit bunten Farben bemalt und zeigten viel Schnitzwerk. Der relative Wohlstand Denderons zeigte sich auch darin, dass alle Fenster mit Klarstein versehen waren und hinter mancher Scheibe die bunten Tücher hingen, die man in den großen Städten so sehr schätzte. Im Dorf nutzte man diese Fenstertücher nicht allein, weil sie hübsch anzusehen waren, sondern weil sie auch vor der sommerlichen Hitze schützten.

      Es war heiß,


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