Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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Ruf zu bewahren und fairen Handel zu treiben. Ein entsprechender Teil seines Gewinns wanderte in Form von begehrten Waren zu den fleißigen Zwergen, die unermüdlich Kristallplättchen und Vergrößerungssteine schliffen.

      Im Augenblick war Helderim jedoch kein besonders glücklicher Mann.

      „Ein Elend ist es, Hoher Lord Nedeam, ein wahrhaftiges Elend“, jammerte er und wies anklagend über die Straße. „Oh, wahrhaftig, Hoher Lord, ich weiß um die Risiken des Weges, denn das furchtbare Erdwackeln hat damals viele der Steinplatten verschoben oder sogar bersten lassen. Deshalb lasse ich immer einen Kundschafter vorausgehen, der auf die Straße achtet und vor jedem Schaden warnt. Ah, der verdammte Nichtsnutz! Seht es Euch an, Hoher Lord, seht es Euch an!“

      Nedeam konnte den kleinen Händler durchaus verstehen. Auf der Straße hatte sich eine der Platten so angehoben, dass ihre Kante zwei Fingerbreit emporragte. Das erste Fuhrwerk war daran vorbeigerollt, doch der zweite Wagen hatte dies nicht geschafft. Das Speichenrad musste mit voller Wucht gegen das Hindernis geprallt sein. Der Metallreifen war aufgerissen, Speichen geborsten und der Kastenwagen war prompt umgestürzt.

      „Seht es Euch an“, klagte Helderim erneut. „Ich lasse meine Wagen sogar auf besondere Weise polstern, damit die empfindliche Ware geschont wird, doch was soll das nützen, wenn der verdammte Kundschafter mit offenen Augen schläft? Ein Nichtsnutz, sage ich Euch, ein elender Nichtsnutz!“

      Der Gescholtene stand ein Stück abseits und die Röte seines Gesichts vertiefte sich, als er bemerkte, das Nedeam ihn ansah. „Es war nicht meine Schuld, Hoher Lord“, sagte er störrisch. „Die Tiere des vorausfahrenden Gespanns ließen Dung fallen und der bedeckte die Platte. Wie soll man denn da etwas sehen?“

      Nedeam hatte Verständnis für die Not des Mannes, nicht jedoch für die dreiste Art, mit der er sich herausreden wollte. „Nun, guter Herr, Ihr seid dem ersten Fuhrwerk vorausgegangen, nicht wahr? Bevor es den Dung fallen ließ. Ihr wart unaufmerksam, und es wird am guten Herrn Helderim liegen, das richtige Strafmaß für Euch zu finden.“ Er sah in das verstockte Gesicht des Mannes. Die Kleidung verriet, dass er aus einer Mark des Pferdevolkes stammte. „Ein Mann des Pferdevolkes muss zu seinen Taten stehen und ebenso zu seinen Fehlern.“ Er blickte Helderim und die Umstehenden an. „Und ebenso dazu, dass ein Fehler geschehen kann. Ein Pferdelord, der auf der Wache einschläft, gefährdet seine Kameraden. Doch wenn es ihm einmal geschehen ist, wird es nie wieder passieren, das lässt sein Stolz nicht zu. Ihr mögt den Mann bestrafen, guter Herr Helderim, aber seid Euch gewiss, er wird diese Unachtsamkeit nie wieder zulassen. Ihr werdet künftig keinen aufmerksameren Kundschafter finden als diesen Mann. Bedenkt das, wenn Ihr das Strafmaß wählt.“

      Der unglückliche Kundschafter blinzelte überrascht und nickte dann eifrig, während Helderims Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck annahm. Nedeam zog Duramont mit leichtem Schenkeldruck herum und ritt an den umgestürzten Wagen heran.

      „Ist es eine kostbare Ladung, guter Herr Helderim?“

      „Fürwahr, kostbar und außerordentlich empfindlich.“

      „Klarstein?“, vermutete Nedeam.

      Die durchsichtigen Klarsteinscheiben ersetzten längst die Darmhäute, mit denen man einst die Fensteröffnungen bespannt hatte. Der Klarstein war vollkommen durchsichtig, allerdings auch sehr stoßempfindlich.

      Helderim schüttelte den Kopf. „Unsinn. Oh, verzeiht, Hoher Lord“, entschuldigte sich der Händler rasch, als ihm bewusst wurde, dass er den Herrn seiner Mark indirekt gerügt hatte. Nedeam grinste nur und der kleine Mann fuhr hastig fort. „Der beste Klarstein wird im Reich Alnoa hergestellt und daher von Süden nach Norden transportiert. Wir sind jedoch nach Süden unterwegs. Nein, nein, Hoher Lord, die Fracht ist sehr viel kostbarer. Sie besteht aus allerbesten Langaugen.“

      „Langaugen?“

      „Zwei Röhren aus reinem Gold, die man ineinanderschieben kann. An den Enden sitzt jeweils einer meiner Vergrößerungssteine. Helderims Vergrößerungssteine, Ihr versteht, Hoher Lord? Mit meinen Langaugen kann man ferne Dinge ganz nah heranholen.“

      „Ich kenne die Langaugen, guter Herr. Eines davon steht bei der Signalanlage von Eternas“, sagte Nedeam freundlich.

      „Gewiss, Hoher Lord, gewiss.“ Helderim leckte sich über die Lippen. „Erwähnte ich schon, Hoher Lord, dass ich derzeit an der Entwicklung tragbarer Langaugen arbeite?“

      „Tragbare Langaugen?“

      „Sehr viel kleiner, und man muss sie nicht auf ein Stativ stellen, sondern kann sie bequem in der Hand halten. Dennoch vergrößern sie auf unvergleichliche Weise. Ah, Helderims Vergrößerungssteine und Helderims Langaugen haben einen wahrhaftig guten Ruf bis in das Königreich von Alnoa hinein.“

      „Und nun sind sie zerbrochen?“

      Der Händler seufzte schwer. „Vielleicht lassen sich einige noch retten. Daher stehen wir hier auch herum und bewegen den Wagen nicht. Einer meiner Gehilfen, ein sehr vorsichtiger Mann, ist im Fahrzeug und untersucht die Ladung. Ach, Herr, eine ganze Lieferung bester Langaugen für die alnoische Garde.“ Helderim lächelte unvermittelt. „Wie ich bereits erwähnte, meine Langaugen werden gerühmt, und ich habe die Ehre, die königliche Garde Alnoas zu beliefern. Sie sollen auf jeder Festung eingesetzt werden und von der Qualität bester Handwerkskunst zeugen.“

      „Fraglos werden sie das“, stimmte der junge Pferdefürst zu. „Ihr habt einen großen Wagenzug, guter Herr, und viele Rinder dabei. Alles für das Königreich?“

      „Aber ja, Hoher Lord. Die hinteren Wagen sind voller Brennstein. Allerbeste Qualität, wie ich anmerken möchte, und das Hornvieh wird bis hinunter nach Eolaneris getrieben.“

      „Bis zur Pforte von Alnoa?“ Nedeam lächelte. „Dann werdet Ihr dort sicherlich Streifen der siebenten Gardekavallerie begegnen. Sie wird von der Hochgeborenen Livianya befehligt. Grüßt herzlich in meinem Namen.“

      „Ah, Euer Abenteuer in Jalanne, nicht wahr?“ Helderim war wieder sichtlich guter Stimmung. „In der Hochmark gibt es einen Schreiberling, der Eure Abenteuer niederschreibt.“

      „So? Warum?“

      „Das fragt Ihr? Damit sie der Nachwelt erhalten bleiben.“ Der Händler breitete theatralisch die Arme aus. „Ihr seid ein Mann von Bedeutung, Hoher Lord, und die späteren Generationen müssen davon erfahren.“

      „Ich bin nichts als ein gewöhnlicher Pferdelord, guter Herr“, erwiderte Nedeam verlegen. Er sah sich um. „Nun, Ihr habt genug Hände, um zurechtzukommen. So werden wir denn unseren Weg fortsetzen. Ich wünsche Euch eine glückliche Reise und gute Gewinne.“

      „Dafür seid bedankt, Hoher Lord.“

      Nedeam gab das Zeichen und der Beritt trabte an, ritt endgültig an der Wagenkolonne vorbei und verschwand bald jenseits des nächsten Hügels.

      Helderim strich sich nachdenklich über das Gesicht. „Nur ein gewöhnlicher Pferdelord? Wohl weit mehr als das. Weit mehr als das.“

      Kapitel 8

      Renter ta Marek kam frisch von der königlichen Akademie in Alneris und war von dort nach Lheonaris befohlen worden. Die Stadt lag an der alten Handelsstraße, die ins Land des Pferdevolkes hinaufführte. Dort gab es keine bedeutende Garnison und erst recht keine Gelegenheit für einen tatendurstigen und sehr jungen Ritter wie ta Marek, sich zu bewähren und ein wenig Ruhm zu ernten. Der Hochgeborene befürchtete, einen langweiligen Dienst versehen zu müssen und die Jahre mit der Jagd auf Raubgesindel zu verbringen, welches die Straße immer wieder unsicher machte. Eine notwendige Aufgabe, doch keine Gelegenheit, mit außergewöhnlichen Verdiensten in den Schriften der Hauptstadt erwähnt zu werden.

      Lheonaris verfügte über eine große Garnison der Stadtgarde, aber es gab nur eine kleine Abteilung der königlichen Gardekavallerie, die als berittene Einheit die Handelswege überwachte. Zwischen beiden Truppen bestand eine traditionelle Rivalität und es war für Renter sehr unangenehm, sich bei


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