Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

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und man hat sie nicht bergen können, Ihr versteht?“

      „Oh, ich verstehe.“ Renter seufzte. „Es riecht ein wenig … unangenehm?“

      „Der Wind steht in unserem Rücken und treibt auf die Stadt zu. Wir sollten hier lagern und die Stadt morgen passieren. In einer oder zwei Tageswenden sind wir dann in Nerianet.“

      Der Ritter nickte. „Gut, schlagen wir hier unser Nachtlager auf.“

      Die Männer saßen am Waldrand ab, versorgten die Pferde und trugen Holz zusammen. Wenig später brannten die kleinen Kochfeuer und die Gardisten bereiteten sich die einzige warme Mahlzeit des Tages. Ta Marek stellte die üblichen Wachen auf, dann begab er sich zur Ruhe.

      Er erwachte mitten in der Nacht durch ein sanftes Streicheln an seinem Hals.

      Renter ta Marek schlug die Augen auf und sah im Sternenlicht ein fremdes Gesicht über sich. Er wollte etwas sagen, doch nur ein nasses Gurgeln drang aus seiner durchschnittenen Kehle.

      Ringsum waren leise Seufzer oder entsetzte Schreie zu hören, die rasch verstummten.

      Kapitel 9

      Nedeam hatte gegenüber Llaranya einmal behauptet, ihr Hang zu Musik und Dichtung stehe in Zusammenhang mit der Langeweile ihres unsterblichen Lebens. Es mochte ein Körnchen Wahrheit in dieser Aussage liegen, obwohl der Herr der Hochmark dabei vollkommen außer Acht ließ, dass diese Künste, wenn auch in wesentlich bescheidenerem Maße, im Pferdevolk ebenfalls Beachtung fanden.

      Llaranya war knapp über fünfhundert Jahre alt und nach den Maßstäben des elfischen Volkes kaum den Kindesbeinen entwachsen. Zudem hatte sie die meiste Zeit im verborgenen Haus Deshay inmitten der versteinerten Wälder verbracht, bedroht von den Orks und den grauen Magiern. Sie war nicht in der Lage gewesen, die schützende Luftblase in der Tiefe des Sees zu verlassen und Erfahrungen jenseits der Grenzen des Hauses zu sammeln. Dies hatte sich geändert, als der junge Pferdelord Nedeam und seine Gefährten das Haus aus seinem verhängnisvollen Bann befreiten.

      Seitdem waren keine dreißig Jahre vergangen und in dieser Zeit hatte Llaranya alles begierig in sich aufgenommen, was ihr das Leben in der Hochmark und die Abenteuer mit Nedeam boten. Zudem hatte sie während der langen Isolation im Haus des Urbaums alle verfügbaren Schriften ihres Volkes studiert und den Erzählungen der anderen Elfen gelauscht. Das elfische Volk verfügte über ein ungeheueres Wissen, welches dank der Schröpfungen in seinen Büchern erhalten blieb. Llaranya konnte jedoch nicht auf alle Schriften zurückgreifen. Als die elfischen Häuser in ihre neue Heimat aufgebrochen waren, hatten sie die wertvollen Schriftstücke mit sich genommen. Llaranya und die elfischen Geschwister Lotaras und Leoryn waren als einzige Elfen zurückgeblieben, und dies bezeichnete Llaranyas derzeitiges Dilemma.

      „Auf seltsame Weise sind wir drei nun ein eigenes elfisches Haus.“ Die junge Elfin seufzte nachdenklich und betrachtete das Regal mit den Büchern und Schriftrollen.

      Die meisten davon waren Werke der Menschen und es lag an Llaranya und den Geschwistern, ihnen über die Jahre elfisches Wissen hinzuzufügen. Zumindest jenes Wissen, welches die drei im Verlauf ihres Lebens ansammeln konnten. Die geheimen Kenntnisse ihres Volkes, gesammelt in den alten Schriften, würden auch ihnen verborgen bleiben.

      „Das elfische Haus des Waldes der Hochmark“, sagte Leoryn mit sanftem Lächeln. Ihr Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. „Es ist ein seltsames Gefühl und eine schwere Last, nun dafür verantwortlich zu sein, unser Wissen zu sammeln und Zeugnis vom elfischen Volk abzulegen.“

      „Es fällt mir schwer, das Richtige zu tun“, gestand Llaranya. „Was ist von Belang und muss erhalten bleiben, was darf bei der Schröpfung verloren gehen?“

      Leoryn trat an eines der Regale und strich über die darin liegenden Rollen. „Es sind die ersten Schriften unserer ersten Schröpfung und so ist alles von Belang, meine Schwester. Jede Kleinigkeit, denn die ersten Schriften sind die Grundlage von allen weiteren. Alles ist wichtig. Alle deine Kenntnisse und Erfahrungen, denn zu einer fernen Tageswende werden wir nur auf das zurückgreifen können, was hier in diesem Regal seinen Anfang genommen hat. Wie man Holz bearbeitet und Zierereien schnitzt, Leder gerbt und Stoffe reinigt, welche Dinge den Menschen heilen und …“

      „… und welche Dinge ihn töten“, ergänzte Llaranya leise.

      Die weißblonde Heilerin nickte. „Ja, auch wie man ein Lebewesen tötet. Du verfügst über die Fertigkeiten eines elfischen Kriegers, und ich glaube, du bist darin auch weit besser als mein Bruder Lotaras.“

      „Es betrübt dich?“

      „Ein Leben zu nehmen, ist der falsche Weg, auch wenn ich manchmal keinen anderen zu nennen weiß. Ich heile lieber, als zu töten.“

      „Aber du akzeptierst, dass man auch Leben nehmen muss, nicht wahr?“

      „Zur Verteidigung des eigenen Lebens oder des Volkes? Selbstverständlich. Den Orks gegenüber kann es keine Gnade geben.“

      Llaranya lächelte nun ihrerseits. „Fangschlag ist ebenso ein Ork.“

      Leoryn nickte und ihr Gesicht war ernst. „Das ist er, Schwester, und eines Tages wird sich erweisen, ob ich seinen Tod betrauere oder begrüße.“

      Llaranya sah die Freundin forschend an. „Du traust ihm nicht?“

      „Er ist ein Ork und kann sein Wesen nicht ändern, Llaranya. Er ist nicht aus Liebe bei uns in der Hochmark, sondern weil der Hass gegen einen anderen Ork ihn zu diesem Bündnis treibt. Ein Bündnis auf Zeit, und zu einer anderen Tageswende, so sage ich dir, wird die alte Feindschaft wieder aufbrechen.“

      „Sollte dieser Zeitpunkt kommen, so werde ich vorbereitet sein“, meinte Llaranya leise. „Dennoch ist es so, wie Nedeam sagte. Fangschlag hat uns gelehrt, in den Orks nicht nur die Bestien zu sehen.“

      „Mag sein.“ Leoryn schien das Thema unangenehm zu sein. Sie lehnte sich an das zierliche Regal und sah Llaranya mit gezwungenem Lächeln an. „Doch nun sollten wir uns wieder auf die Schröpfung konzentrieren. Bist du dir sicher, dass du alles niedergeschrieben hast, was für dich von Belang ist?“

      „Kann man das jemals sein?“, seufzte die Angesprochene. „Nein, ich bin mir nicht sicher und mag ein paar Dinge unberücksichtigt gelassen haben, die mir jetzt noch ohne Bedeutung erscheinen. Mich plagt die Frage, was von dem alten Wissen erhalten bleiben soll.“

      „Dem alten Wissen?“

      „Ich konnte die Schriften des alten Wissens nie lesen, da wir sie im Haus Deshay vor den Dienern der Finsternis verborgen halten mussten, doch in verschiedenen Gesprächen habe ich einiges erfahren. Nur wenig, und doch belastet es mich.“

      „Altes Wissen? Du hast nie davon gesprochen, dass du es besitzt.“

      „Nur sehr wenig davon, und ich würde es auch nicht erwähnen, wenn Nedeam nicht erkannt hätte, dass ich darüber verfüge.“

      „Nedeam weiß davon?“

      „Er ahnt es zumindest.“

      Leoryn runzelte die Stirn. „Wie konnte das geschehen?“

      „Julinaash und der drohende Krieg der Männer und Frauen. Die Frauen verfügten über die alten Metallwagen und Nedeam bemerkte, dass ich sie erkannte. Nun, natürlich nicht, weil ich sie zuvor bereits gesehen hatte, sondern aus den alten Beschreibungen.“

      „Altes Wissen.“ Leoryn schloss die Augen. „Ich bin froh, davon keine Kenntnis zu haben.“

      „Sternenschiffe, Metallmänner, Schwingen, die schneller als der Klang der Stimme fliegen, Panzerwagen, Lichtwaffen, Sonnenfeuer … Allein diese Begriffe lassen mich erschaudern, obwohl ich manche Bedeutung nicht richtig erkenne.“ Llaranya schüttelte sich demonstrativ. „Unser Volk hat über eine entsetzliche Macht geboten und es war weise, sie aufzugeben und zu den Wurzeln zurückzukehren. Wir wissen, was die Menschen von Rushaan, Julinaash und Jalanne mit ihrer Macht angerichtet haben,


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