Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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      Selverk stieß ein leises Schnauben aus. „Ah, so gut wie zweihundert unserer Männer? Bei allem Respekt, Hauptmann, die hundert Pferdereiter mögen sicherlich wie zweihundert gute Gardisten an unseren Vorräten zehren, aber ob sie auch wie zweihundert gute Gardisten kämpfen, das müssen sie mir erst noch beweisen.“

      Hones ta Kalvet räusperte sich. „Nun, eingedenk der Tatsache, wie beklagenswert der Ausbildungsstand unserer eigenen Truppen ist und welche Mängel Nerianet noch aufweist, will ich doch hoffen, dass vorerst niemand seine Fähigkeiten im Kampf beweisen muss.“

      Kapitel 7

      Nedeams Beritt ließ die Grenze zum Königreich Alnoa hinter sich.

      Die Landschaft wandelte sich unmerklich. Auch hier erstreckten sich die ausgedehnten Grasebenen und Wälder, wie sie in den Marken des Pferdevolkes üblich waren. Dennoch gab es Unterschiede. Hier war der Anteil der Laubbäume deutlich höher. Es gab ganze Waldstücke, in denen die weißen Bäume wuchsen, deren besondere Rinde Alnoa den Beinamen „weißes Königreich“ eingetragen hatte. Die Rinde war mit schwarzbraunen Stellen durchsetzt, sodass die Bäume eigentlich nicht wirklich weiß aussahen. Nedeam wusste, dass diese Rinde, wenn man sie abschälte und trocknete, einen hervorragenden Zunder abgab, mit dem man jedes Feuer in Gang brachte.

      Die Hügel wirkten ein wenig flacher, doch die Vielfalt des Lebens schien überall gleich. Scharen von Buntflügeln schwirrten über den Grasflächen, auf denen Wildblumen wuchsen. Wildläufer hoppelten eifrig umher und starrten immer wieder ängstlich nach oben, ob sich der Schatten einer Raubschwinge zeigte. Ein einsamer Pelzbeißer wanderte am Waldrand entlang und behielt den vorbeireitenden Beritt der Pferdelords im Auge. Ein paar Geweihtiere ästen friedlich. Nedeam erschien es allerdings so, als seien weniger Wildpferde und Hornvieh zu sehen als bei seinem früheren Ritt durch die alnoische Nordprovinz.

      Der Pferdefürst der Hochmark hatte dem Beritt die freie Formation erlaubt. Es war drückend heiß und er sah keinen Sinn darin, seine Männer leiden zu lassen, nur um Eindruck auf einen der gelegentlichen Beobachter zu machen. So hatten die Männer die feste Viererkolonne aufgegeben und ritten in kleinen Gruppen, die immer wieder untereinander wechselten, je nachdem, wer auf dem Ritt gerade mit einem der anderen Reiter schwatzen wollte. Scherze flogen hin und her und die Schwertmänner waren sichtlich gut gelaunt. Die Harnische hatten sie hinter sich auf die Deckenrollen geschnallt. Obwohl sie die typische rotbraune Farbe der alten Lederkoller hatten, bestanden sie inzwischen aus lederbezogenem Metall. Dass man die Panzerung mit Leder überzog, hatte nicht nur traditionelle Gründe, sondern auch seinen praktischen Nutzen. Das Blinken und Blitzen einer Rüstung war bei gutem Wetter auf große Entfernung zu erkennen. Doch so sehr die Reiter die Marscherleichterung auch zu schätzen wussten, trotz der Hitze legte keiner von ihnen den langen grünen Umhang ab. Er wurde am Hals mit dem goldenen Symbol des Pferdevolkes geschlossen und zeichnete sie als Pferdelords aus.

      Die Hundertschaft ritt ein Stück neben der Handelsstraße, die seit unzähligen Jahren von der Königsstadt des Pferdevolkes, Enderonas, in die Nordprovinz Alnoas führte. Die Hufe der Pferde waren beschlagen, dennoch war es für die Tiere sicherlich angenehmer, auf dem weichen Grasboden neben der Straße zu gehen als auf den Steinplatten der Straße.

      Herklund und Hendur ritten mit dem Signalbläser und dem Wimpelträger direkt hinter Nedeam. Ein weiterer Mann führte die rechteckige Standarte des jungen Pferdefürsten. Sie unterhielten sich angeregt und tauschten Erinnerungen aus. Seit Herklund zum Scharführer aufgestiegen war, wurde er gelegentlich von seinem Freund Hendur geneckt. Dieser erlaubte sich gerne den Spaß, die Befehle seines nunmehrigen Vorgesetzten falsch zu deuten. Nedeam war froh, diese Männer in seiner Begleitung zu wissen. Sie hatten sich beim Abenteuer im fernen Julinaash bewährt und waren auch vor der Bedrohung durch die mörderischen Nachtläufer nicht zurückgewichen. Von Nedeam getrennt, hatten sie kühlen Kopf bewahrt und mit Arkarim, dem damaligen Scharführer des Beritts, den Pferdelords alle Ehre gemacht.

      „Sagt, Hoher Lord, ist es erlaubt, Euch etwas zu fragen?“, wandte sich Unterführer Hendur an Nedeam.

      Der wandte sich mit ernstem Gesicht im Sattel um und erwiderte den Blick des grinsenden Scharführers, der neben Hendur ritt. „Scharführer Herklund, hättet Ihr die Freundlichkeit, den guten Herrn Hendur darauf hinzuweisen, dass er sein Gesuch über Euch an mich richten darf?“

      Dem Unterführer klappte der Kiefer herunter, während Nedeam und Herklund schallend auflachten. Schließlich drohte der Pferdefürst dem verwirrten Freund mit dem Finger. „Sprich nicht so geschwollen. Das können wir uns aufheben, bis wir die Festung Alnoas erreicht haben. Da mag es angebracht sein, dem Zeremoniell zu folgen. Hier sind wir unter uns.“

      „Ah, verdammt, das weiß ich selbst“, erwiderte Hendur und lachte befreit. „Aber es erfüllt mich und die Männer mit Stolz, dich so anzureden. Verdammt, du bist als Sohn eines Schäfers zu den Pferdelords gestoßen und nun bist du unser Pferdefürst. Ich meine, das ist etwas anderes als damals mit dem Hohen Lord Garodem. Der war von Geburt an etwas Besseres, du verstehst? Aber du bist, wenn ich es so sagen darf, einer von uns.“

      Nedeam runzelte die Stirn und schüttelte dann lächelnd den Kopf. „Nein, Hendur, du irrst dich.“

      „Ich irre mich?“

      „Niemand ist von Geburt an etwas Besseres. Das mag im Königreich Alnoa so sein, wo einem Mann der Adelsstand in die Wiege gelegt wird, doch wir gehören zum Pferdevolk, vergiss das nicht. Wir sind Gleiche unter Gleichen. Mann und Frau beweisen sich im Leben durch ihre Taten und nicht durch einen Titel, den ihnen die Geburt verlieh.“

      „Dennoch bist du nun der Pferdefürst und wir folgen deinem Banner.“ Der Unterführer klopfte seinem Freund Herklund auf die Schulter. „Du kannst diesen sturen Scharführer fragen, Nedeam, deine Wahl zum Herrn der Hochmark erfolgte mit einer einzigen Stimme. Und wahrhaftig, hätte sich einer gegen dich ausgesprochen, so wäre er kein wahrer Pferdelord gewesen.“

      Nedeam errötete ein wenig. „Ihr macht mich verlegen, Freunde. Glaubt mir, die Würde des Pferdefürsten ist teuer erkauft. Als Schwertmann folgte ich Befehlen, und es war leicht, dies zu tun, denn ich hatte einen guten Pferdefürsten. Nun steht ihr unter meinem Banner und ich muss mich immer wieder fragen, ob ich euch gut führe und das Banner wert bin.“

      Scharführer Herklund nickte mit ernstem Gesicht. „Diese Sorge steht dir manchmal ins Gesicht geschrieben. Du scherzt nicht mehr so oft wie früher und bist auch nicht mehr so häufig bei uns. Arkarim hat uns schon berichtet, wie unser Pferdefürst bis tief in die Nacht über Schriften grübelt und über das Schicksal der Mark nachdenkt. Wahrhaftig, ich möchte kein Pferdefürst sein.“

      „Nun, es hat auch seinen Vorteil“, meinte Nedeam verlegen. „Ich darf vorne reiten und muss nicht so viel Staub schlucken.“

      Fröhliches Gelächter erklang unter den Reitern, welche die Bemerkung gehört hatten.

      Vor ihnen tauchte eine Gruppe von Männern auf, die an der Straße arbeiteten.

      „Ich hatte keine Vorstellung davon, wie sehr das Land unter dem Beben gelitten hat“, bekannte Herklund. „Unsere Hochmark blieb ja weitestgehend verschont, aber allein was wir in Enderonas erblickten, das lässt mich schaudern.“

      Enderonas, die Stadt des Pferdekönigs, lag auf einem Hügel, und die mehrgeschossigen Bauten folgten dem Verlauf des steil ansteigenden Hangs. Alle Bauwerke mit Ausnahme des Königspalastes und des Stadttores waren aus dem traditionellen Holz erbaut worden. Wahrscheinlich hatte diese Tatsache die meisten Häuser vor Schäden bewahrt. Aber ein Teil des Hangs war abgerutscht und hatte diverse Bauten und ein Stück der hölzernen Wehrmauer mit sich gerissen. Inzwischen waren alle Schäden längst behoben, doch die Stelle, an welcher die Erde nachgegeben hatte, war noch immer gut zu erkennen und ließ erahnen, was Enderonas erlitten hatte.

      Der Signalbläser des Beritts meldete sich zu Wort. „Ich glaube, je näher wir Alnoa kommen, desto übler werden die Spuren der Schäden sein.“

      „Wir sind schon in Alnoa“, erwiderte Nedeam auflachend.


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