Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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Ratsherren klug genug, auf Argumente zu hören. Und gelegentlich, mein Freund, hat ta Andarat gar nicht so unrecht. Die Garde steht nicht so schlecht da, wie du es mitunter betonst.“

      „Hm, ja, mag sein“, räumte Daik ein. „Manchmal muss man den Hochgeborenen des Kronrats ein wenig Feuer im Kessel machen, damit der Dampf ihre trägen Hintern bewegt.“

      „Ich kann dich verstehen, denn du siehst es von der Warte des Soldaten. Dennoch tust du ihnen unrecht, mein Freund. Sie vertreten die Städte und Provinzen und damit auch die Menschen, aus denen das Königreich besteht. Damit das Reich blüht und gedeiht, gibt es viele Dinge zu bedenken.“

      „Die es zu schützen gilt“, brummte Daik.

      „Dem stimme ich zu.“ Der König stellte die Karaffe mit dem Blor zurück und schenkte sich nun klares Wasser ein. „Jedenfalls bin ich sehr froh, dass das Pferdevolk seine Beritte entsendet. Es entlastet unsere Garde, die noch immer viel mit dem Wiederaufbau beschäftigt ist. Um die Dörfer steht es recht gut. Die kleinen Häuser haben nicht so viel gelitten wie die großen Stadtbauten. Die meisten Schäden sind schon wieder behoben und die Ernteerträge sehen vielversprechend aus. Die Viehzucht in der östlichen Provinz von Nerianeris macht mir allerdings Sorgen. Beim Beben ist dort viel Hornvieh umgekommen. Die Leute haben es für einen Machtbeweis der Finsternis gehalten, dass die Tiere panisch umher rannten, bis sie tot umfielen. Ich denke eher, dass sie sich bei den Erdstößen zu Tode erschrocken haben. Aber wie dem auch sei, trotz der Zuführung von Rindern aus den anderen Provinzen und der erfolgreichen Nachzucht wird es noch eine Weile dauern, bis die Fleischversorgung wieder normal läuft.“

      „Bei meinem Besuch der Festungen bin ich an etlichen Dörfern vorbeigekommen.“ Daik strich sich nachdenklich über das Gesicht. „Dabei sind mir immer wieder diese Kuttenträger aufgefallen.“

      „Kuttenträger?“ Der König runzelte die Stirn. „Was für Kuttenträger?“

      Der Schreiber räusperte sich. Venval wandte sich seinem Vertrauten zu und nickte. „Wenn du etwas von ihnen weißt, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen“, ermunterte er.

      Der Mann war groß und muskulös und schien eher ein Schwert als eine Schreibfeder führen zu können. Er tat beides, denn er gehörte zur Leibwache und begleitete den König immer, wenn er den geschützten Bereich des Königsturms verließ. Der König mochte im Volk ein paar Gegner haben, wenn auch sicherlich keine Feinde, die ihm nach dem Leben trachteten. Dennoch konnte sich der Monarch nicht in Sicherheit wiegen. So fleißig und ehrbar das Volk von Alnoa sein mochte, es gab unter ihnen auch Gesetzlose, die umherstreiften, Handelszüge ausraubten und gegen entsprechende Bezahlung ein Leben vorzeitig beendeten. Dem Schwarzen Lord der Orks war diese Tatsache bekannt. So war es nicht unmöglich, dass eine entsprechende Anzahl goldener Schüsselchen einen Attentäter bewog, die Ermordung des Königs zu versuchen. Ferner verfügte der Schwarze Lord über eine Schar unheimlicher Helfer, die man die Grauen Wesen nannte. Sie beherrschten nicht nur verschiedene Zauber, sondern besaßen oft auch die Fähigkeit, ihre Gestalt zu verändern. Sie konnten das Äußere eines beliebigen Menschen annehmen und sich somit unerkannt unter ihren Feinden bewegen.

      Der Schreiber überlegte kurz. „Diese Kuttenträger tauchen überall in den Provinzen auf. Es sind gute Menschen, die dort anpacken, wo ihre Hilfe benötigt wird. Ich weiß nichts Genaues über sie, aber ich hörte, sie kämen aus den verschiedensten Ständen und Handwerken. Sie halten das große Beben für ein Zeichen, dass die Gewalt enden muss, und haben ihr abgeschworen.“

      „Na, das wird die Orks aber freuen“, knurrte Daik sarkastisch.

      Venval machte eine abwehrende Handbewegung, da er hören wollte, was der Mann zu sagen hatte. „Berichte genauer, was du von ihnen weißt oder wenigstens gehört hast.“

      „Nun, wie ich schon sagte, sie haben wohl jeglicher Gewalt abgeschworen. Als Symbol, dass sie alle von gleichem Stand sind, tragen sie braune Kutten mit langen Kapuzen. Gleiche unter Gleichen nennen sie das wohl. Sie bezeichnen sich als die Bruderschaft des Kreuzes.“

      „Was für ein Kreuz?“, fragte Venval prompt.

      Daik meldete sich zu Wort. „Sie schleppen immer ein hölzernes Kreuz mit sich herum. Plump geformt und etwas größer als ein gutes Schwert.“

      „Dieses Kreuz stellt auch ein Schwert dar“, erklärte der Schreiber. „Um aufzuzeigen, dass sie für den Frieden eintreten, halten sie das Holzschwert nicht am Griff, sondern am langen Ende.“

      „Aber was bezweckt diese … diese Bruderschaft des Kreuzes?“ Der König nippte verwirrt an seinem Glas. „Du sagst, sie treten für den Frieden ein und haben jeglicher Gewalt abgeschworen …“

      „Ja, das ist verdächtig“, brummte der Gardekommandeur. „Versuchen sie, die Leute zu bekehren, Schreiber? Ich meine, sie davon abzubringen, sich gegen die Orks zu wehren?“

      Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Darüber ist mir nichts bekannt. Sie führen keine aufrührerischen Reden gegen die Krone oder die Garde. Ich habe mal einen von denen hier in Alneris auf dem Markt getroffen und ihn ein wenig, äh, ausgefragt. Der Mann erzählte mir, er habe seine Familie beim Beben verloren und sein Bruder habe einst bei der Garde gedient und sei im Kampf gefallen. Es sei seine eigene Entscheidung, keine Gewalt mehr auszuüben, doch er verstehe sehr wohl, wenn die Garde die Menschen vor einem Feind schützen müsse. Aber er selbst werde nie eine Waffe anfassen und die Hand nur ausstrecken, um Gutes zu tun.“

      „Diese Burschen sind überall im Reich zu finden?“

      „Es gibt nur wenige“, beschwichtigte der Schreiber, der die Unruhe des Gardekommandeurs spürte. „Meist ist es nur einer oder zwei, gelegentlich eine Handvoll. In den Dörfern im Osten sollen sie häufiger zu finden sein. Dort gab es ja die schlimmsten Zerstörungen und werden noch immer viele helfende Hände benötigt.“

      „Wenn sie helfen und dabei friedlich sind, soll es mir recht sein“, meinte der König.

      „Dennoch sollte man sie im Auge behalten.“ Daik ta Enderos reckte sich ein wenig. „Das Reich und die Garde erholen sich gerade erst von der Katastrophe und wir heben neue Rekruten in den Provinzen aus. Da behagt es mir nicht, wenn sich diese Bruderschaft da einmischt.“

      „Mein Freund“, rügte der König, „manchmal denkst du zu sehr wie ein Soldat. Glaube mir, am Frieden ist nichts Schlechtes.“

      „Solange es nicht der Friede einer Begräbnisstätte ist“, antwortete Daik düster.

      Der König seufzte und legte dem Freund die Hand auf die Schulter. „Schön, wenn es dich beruhigt, entsende ich ein paar Männer, welche die Brüder des Kreuzes für eine Weile beobachten. Aber ich finde, Gewalt abzulehnen und Gutes zu tun, ist ein dankenswerter Vorsatz.“

      „Solange der Schwarze Lord und seine Orks nicht an unsere Türen klopfen“, stimmte Daik mit erzwungenem Lächeln zu.

      Kapitel 6

      Wenn man sich dem Gebirge des Uma´Roll vom Westen näherte, so schien die Bezeichnung des Spaltes durchaus passend. Es wirkte, als sei ein stumpfer Keil von oben in die einst undurchdringlichen Berge getrieben worden und hätte sie gespalten. Je näher man der gewaltigen Öffnung kam, desto deutlicher wurde, wie falsch und irreführend der Begriff in Wahrheit war und wie sehr er zugleich auf erschreckende Weise zutraf. Der Spalt endete auf der Höhe des Erdbodens und zeigte sich dort als breite Schlucht, die tief in das Gebirge hinein- und, wie man befürchtete, vollständig hindurchführte. So war der Begriff des Spaltpasses sicher zutreffender. Etliche Tausendlängen innerhalb des Passes öffnete sich allerdings tatsächlich ein Spalt, der tief ins Erdinnere hinabzuführen schien. Erkundungstrupps der Garde berichteten von rötlichem Glühen und stinkenden Nebeln, welche dort wallten. Zwischen dem bodenlosen Abgrund und den steil aufragenden Felswänden des Uma´Roll gab es allerdings Trassen von Tausenden Längen Breite, die einen leicht begehbaren Eindruck machten. Die Berichte der Kundschafter ließen erahnen, dass der Feind sie bequem für einen Vormarsch nutzen konnte.


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