Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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wie sehr unser Land und seine Provinzen unter dem Beben gelitten haben“, stimmte der König zu. „Selbst in Alneris sind die Schäden noch nicht beseitigt.“

      „Hört, hört“, warf ein Ratsherr ein und ignorierte die mahnenden Blicke der anderen. „Das will ich wohl meinen, Euer Majestät. Denkt an den Südhang. All die Häuser und Menschen, die in die Tiefe gerissen wurden. Und die großen Trümmer, die noch immer im Hafenbecken liegen. Erst jetzt, zwei Jahre nach der Katastrophe, beginnt sich der Gestank zu verziehen. Wahrhaftig, Euer Majestät, die Schläge, welche wir erlitten haben, sind unübersehbar. Unübersehbar, Majestät.“

      Bei den letzten Worten wurde die Stimme immer leiser und der König sah den Ratsherren mitfühlend an. Der Mann hatte beim Beben seine ganze Familie verloren.

      „Eure Trauer ist unsere Trauer, Hochgeborener“, versicherte Venval ta Ajonas.

      Der Ratsherr nickte mühsam beherrscht. Er mochte nicht einer Meinung mit dem König sein, doch er wusste, dass dessen Worte aus dem Herzen kamen.

      Bei einem Nachbeben hatte ein Teil der südlichen Kraterwand nachgegeben. Segmente der Stadtmauer, zwei der mächtigen Kanonentürme und die Häuser mitsamt ihren Bewohnern waren eingestürzt und teilweise bis zum Innenhafen hinuntergerutscht. Viele der Getöteten hatte man nicht bergen können und lange Monate hatte ein entsetzlicher Verwesungsgestank über dem Areal gelegen. Der keilförmige Trümmerbereich war eine klaffende Wunde im Leib der Stadt und man war nicht sicher, ob man ihn erneut stabilisieren und bebauen konnte. Dennoch würde man es versuchen. So makaber es auch klang, aber der Raum innerhalb der Stadt war begrenzt und konnte nicht ungenutzt bleiben.

      „Die Worte des Hochgeborenen ta Halda erinnern uns schmerzlich daran, welche Aufgaben noch vor uns liegen, um unser Reich zu erneuter Blüte zu führen“, nahm Welbur ta Andarat das Wort wieder auf. Geziert zog er ein feines Tuch aus dem Gewand und tupfte sich demonstrativ die Augenwinkel. „Ein jeder von uns hat einen persönlichen Verlust erlitten.“

      „Scheinbar hat es damals eine seiner Geliebten erwischt“, knurrte Daik ta Enderos bösartig. „Ich wüsste nicht, was der gezierte Bastard sonst verloren haben könnte.“

      „Daik.“ Der König vergewisserte sich, dass niemand die Bemerkung gehört hatte. „Lass dich von ihm nicht provozieren. Du weißt, dass er genau darauf hofft.“

      „Die Spur der Verwüstung zieht sich von Gendaneris über unsere geliebte Stadt bis hinüber zu jenem Ort, den man nun den Spaltpass nennt“, fuhr Welbur fort. „Überall müssen Wunden der Seele und des Landes heilen. Städte und Dörfer haben schwer gelitten.“

      „Wir standen am Rande einer Hungersnot“, warf ein Ratsmitglied ein.

      „Das Volk von Alnoa hat es nie gescheut, sich die Hände schmutzig zu machen“, knurrte Gardekommandeur Daik ta Enderos, „und es hat auch nach dieser Katastrophe beherzt zugepackt. Die Hungersnot konnte abgewendet werden. Nicht zuletzt, da die Garde half, wo immer sie konnte.“ Er räusperte sich. „Wobei auch die Garde zu leiden hatte, ihr hohen Herren des Rates.“

      „Oh, fraglos“, räumte Welbur ein und betupfte geziert einen Mundwinkel. „Wobei mir doch scheint, dass ein Soldat ein härteres Los erträgt als eine Mutter mit ihrem hilflosen Kind.“

      „Ihr Herren, solche Reden führen zu nichts“, warf der König ein. Er erhob sich von seinem Thron und ging zu der Karte im Zentrum der Versammlung. Am Rand des farbigen Mosaiks blieb er stehen. „Es wird noch lange dauern, bis alle Schäden beseitigt sind, und dabei spreche ich nicht von den seelischen Wunden, die manchem von uns zugefügt wurden. Doch bei aller Not, die wir noch innerhalb des Reiches vorfinden, dürfen wir die Sicherheit seiner Grenzen nicht außer Acht lassen.“

      „Ah, die Grenzen“, seufzte Welbur ta Andarat und lächelte sanft. „Sie scheinen Eure Majestät und unseren geschätzten Gardekommandeur weit mehr zu sorgen als die Not der Menschen, die innerhalb dieser Grenzen leben.“

      „Genug!“ Der Ratsherr, der seine Familie bei dem Beben verloren hatte, erhob sich und sah den Hochgeborenen erregt an. „Es steht Seiner Majestät und dem Hochgeborenen ta Enderos sehr wohl an, sich um die Sicherheit des Landes zu sorgen. Ich habe den Spaltpass gesehen, Hochgeborener ta Andarat, denn im Gegensatz zu Euch nahm ich die Mühsal auf mich, ihn persönlich in Augenschein zu nehmen. Er ist unheimlich, dieser Pass, und er ist fraglos eine Pforte in unser Land.“

      Ta Andarat hatte die Spitze wohl verstanden und wich ihr elegant aus. „Da Ihr, Hochgeborener ta Halda, den Pass bereist habt, gab es kein Erfordernis, dass ich Eurem Beispiel folge. Euer Urteil ist geschätzt im Kronrat, das weiß ein jeder hier. Es wäre sinnlos gewesen, mich der gleichen Mühsal zu unterziehen.“

      „In ganz Alnoa haben die steinernen Hochbauten, Signaltürme und Festungsanlagen unter den Erschütterungen gelitten. Alles, was besonders fest gefügt war, wurde auch besonders stark gerüttelt.“ Der König gab Daik ta Enderos ein knappes Handzeichen. „Der Kommandant unserer Gardetruppen kann hierzu Genaueres sagen. Wir sollten seine Worte gut beachten, er hat in den letzten Zehntagen die Grenzfesten besucht und weiß von dort zu berichten.“

      Gardekommandeur ta Enderos trat ebenfalls vor, blieb aber respektvoll einen halben Schritt hinter dem König stehen. Er war ein kleiner und eher schmächtiger Mann und sah, da er keine Rüstung der Garde trug, keineswegs beeindruckend aus. Von diesem Erscheinungsbild ließ sich jedoch keiner der Ratsherren täuschen. Daik ta Enderos war klug, zäh und tapfer, was ihn zur ersten Wahl als Kommandeur machte. Er war bei den Gardetruppen geachtet und beliebt und, zum Bedauern einiger Hochgeborener, ein unbestechlicher Freund und Verbündeter des Königs. Ta Enderos trug das bequeme, weit fallende Gewand des alnoischen Adels, verzichtete jedoch auf die schreiend bunten Farben, die so geschätzt waren.

      „Ihr hochgeborenen Herren und ehrenwerten Mitglieder des Kronrates“, begann Daik seine Ausführungen. „Wie Ihre Majestät erwähnte, haben nicht nur unsere Dörfer und Städte gelitten, sondern auch die Befestigungen. Mauern verschoben sich oder stürzten ein, Dampfkanonen und ihre Kessel wurden aus den Bettungen gedrückt und dabei beschädigt, andere sogar zerstört. Soldaten wurden von Trümmern erschlagen oder erlitten schwere Verletzungen.“

      „Wohl kaum weniger als bei der zivilen Bevölkerung“, warf Welbur ta Andarat ein.

      „Sicher nicht“, sagte Daik kalt. „Doch die zivile Bevölkerung steht auch nicht auf den Wällen, um diese zu verteidigen. Obwohl es sein mag, dass diese Zeit bald kommt.“

      Welbur wedelte mit der Hand. „Ja, ja, solche Behauptungen haben wir schon oft genug gehört.“

      Ein anderes Ratsmitglied beugte sich vor und sein Gesicht zeigte Betroffenheit. „Ich dachte, die Verluste der Garde hielten sich in Grenzen, so bedauerlich sie auch sicherlich sind.“

      „Ja, die Garde kam recht glimpflich davon“, bestätigte der kleine Kommandeur. „Allerdings dürft Ihr nicht vergessen, verehrtes Ratsmitglied, dass viele Truppen aus den Festungen abgezogen wurden, um beim Wiederaufbau der Städte und Dörfer zu helfen. Im Augenblick sind die Grenzfesten geschwächt und mit der neuen Festung Nerianet, die den Spaltpass sperrt, muss eine weitere Anlage bemannt werden.“

      „Ist dies der Grund, warum Ihr die Barbaren ins Land holt?“ Welbur ta Andarat blickte auf seine Fingerspitzen, hauchte dagegen und polierte sie am Stoff seines Gewandes.

      „Barbaren?“ Daik runzelte die Stirn. „Ihr meint die Pferdelords?“

      „Ich glaube, so nennt man sie wohl.“

      Der Ratsherr der Stadt Gendaneris erhob sich. „Als unsere Stadt von den Korsaren berannt wurde, da haben die Pferdelords keinen Augenblick gezögert, uns zu Hilfe zu eilen. Als Vertreter von Gendaneris werde ich keine Beleidigung dieser tapferen Männer dulden.“

      Welbur blinzelte überrascht und nickte zustimmend. „Ich hatte keinerlei Beleidigung im Sinn. Wenn dies so verstanden wurde, so bedauere ich das ausdrücklich. Ich wollte nur zu bedenken geben, dass das Pferdevolk ein … anderes … Volk ist und sicherlich Gebräuchen huldigt, die uns fremd sind.“

      „Als die Legionen


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