Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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waren schwer gepanzert und stellten sich in vorderster Linie zum Kampf. Häufig deckten sie mit ihren Leibern die wesentlich kleineren und schlankeren Spitzohren. Diese waren hinterlistige Gesellen, die den offenen Kampf scheuten und ihre Pfeile und Bolzen lieber aus der zweiten oder dritten Reihe lösten. Sie waren bei den Rundohren nicht besonders beliebt, denn die Spitzohren kümmerte es im Kampf oft nicht, ob ihre Geschosse Freund oder Feind trafen.

      Der Verrat eines dieser Spitzohren, Einohr, hatte zum Verlust von Fangschlags Legion geführt und diesen dazu bewogen, die Seiten zu wechseln. Nun hoffte er darauf, Einohr erneut zu begegnen, um ihn töten zu können. Obwohl sich Fangschlag immer wieder als treuer Verbündeter erwies, wusste Nedeam, dass sie nur einen Bund auf Zeit geschlossen hatten. Es mochte sein, dass der tapfere Krieger erneut in die Reihen der Rundohren trat, wenn der verräterische Einohr tot war. Es sprach für die Ehrenhaftigkeit des großen Kriegers, dass er diese Möglichkeit unumwunden einräumte. Nedeam empfand Unbehagen bei diesem Gedanken, denn aus dem einstigen Feind war längst ein verlässlicher Gefährte geworden. Fangschlags Persönlichkeit bewog den jungen Pferdefürsten immer wieder, in den feindlichen Orks nicht nur Bestien zu sehen.

      Fangschlag lebte nun seit einigen Jahren in der Hochmark und trug meist eine braune Kutte, die seine Gestalt und seine gescheckte Haut verbarg. Noch immer schlug ihm Feindseligkeit entgegen, denn der Hass zwischen den Völkern war zu tief verwurzelt und durchaus begründet. Das Rundohr ertrug die Anfeindungen mit scheinbar stoischem Gleichmut und hatte ein Quartier in der Festung bezogen, um möglichst wenig mit den Bewohnern der Hochmark oder Fremden in Kontakt zu kommen. Unter den Schwertmännern und Pferdelords wurde er geachtet, und niemand wagte es, in Gegenwart eines Kämpfers abfällig über Fangschlag zu reden.

      Neben dem gewaltigen Rundohr wirkte Arkarim klein und schmächtig, obwohl er hochgewachsen und durchaus kräftig war. Er war Schwertmann im Dienste der Hochmark gewesen. Die Schwertmänner bildeten die stehende Truppe einer Mark. Ihr Pferdefürst kam für Ausrüstung und Versorgung auf sowie für ein bescheidenes Handgeld. Die Aufwendungen wurden aus jenem Anteil beglichen, den jeder Bewohner einer Mark seinem Herrn zu entrichten hatte. Für die Familien auf den Gehöften war es ein eher symbolischer Betrag, der daraus bestehen mochte, dass man bei der Ernte auf den Feldern der Stadt half. Für Handelsherren wie den vermögenden Herrn Helderim konnte es sich hingegen um einen ansehnlichen Beutel goldener Schüsselchen handeln.

      Die Anzahl der Schwertmänner unterschied sich von Mark zu Mark. Sie hing von ihrer Größe, einer möglichen Bedrohung durch eine nahe Grenze und der Aufwendung des Pferdefürsten ab. Garodem hatte einst über nur fünfzig Kämpfer verfügt, inzwischen brachte die Hochmark acht Hundertschaften, sogenannte Beritte, in den Sattel. Für eine relativ kleine Mark war dies eine stattliche Zahl, doch die Stärke der Schwertmänner war wohlbegründet. Gemeinsam mit dem Zwergenvolk hielt die Hochmark die Nordfeste besetzt.

      Gleichgültig, aus welcher Mark ein Schwertmann kam, sie alle beherrschten Schwert, Stoßlanze und Bogen in Perfektion. Sie trugen die beigefarbenen Reithosen und den metallenen Harnisch. Alles Lederzeug hatte die typische rotbraune Farbe des Pferdevolkes. Ihre Kennzeichen waren die fußlangen Umhänge aus grünem Wollstoff und die hohen Helme mit Nackenschutz und Rosshaarschweif. Wenn man die Beritte der Marken zusammenführte, so unterschieden sie sich nur an den schmalen Säumen der Umhänge und dem Rosshaar. Diese waren in den Kennfarben der Marken gehalten. Garodem hatte für seine Hochmark ein kräftiges Blau gewählt, und Pferdefürst Nedeam führte diese Tradition weiter.

      Die Schwertmänner waren nicht die einzigen Kämpfer des Pferdevolkes. Jeder waffenfähige Mann konnte sich freiwillig als Pferdelord verpflichten. Er leistete den Treueid und erhielt das Recht, den grünen Umhang der Kämpfer zu tragen. Rief der Pferdefürst die Pferdelords zu den Waffen, dann sattelten sie ihre Pferde, verließen Gehöft, Weiler oder Stadt und führten an Waffen, was ihnen zur Verfügung stand. Oft genug eine kräftige Axt, mit der sich Holz und Schädel gleichermaßen spalten ließen. Einmal im Jahr wurden sie zusammengerufen, damit sie den Umgang mit der Stoßlanze übten, welche die Waffenkammer des Pferdefürsten stellte.

      Kein Pferdelord war verpflichtet, in den Krieg zu ziehen, wenn die Marken nicht direkt bedroht waren. Dies war ein Brauch aus alten Tagen, der jeglichen Eroberungsgelüsten eines Pferdefürsten entgegenwirken sollte.

      Der Pferdefürst war der uneingeschränkte Herr seiner Mark, und doch hatte seine Macht Grenzen. Regierte er schlecht, so konnte er vom Rat der Pferdefürsten abgesetzt werden. Die Schwertmänner seiner Mark entschieden dann über die Nachfolge und konnten einen Mann aus ihren Reihen bestimmen.

      Im Fall der Hochmark hatte die Hohe Dame Larwyn das Erbe ihres Gemahls Garodem angetreten, und sie hatte sehr darunter gelitten, dass der gemeinsame Sohn Garwin zum Renegaten geworden war. Nach ihrem Tod beim Einsturz des alten Turms und Hauptgebäudes hatte die Beratung der Schwertmänner nicht lange gewährt. So trug nun der einstige Erste Schwertmann der Hochmark, Nedeam, die Bürde der Verantwortung, und er war froh, Arkarim an seiner Seite zu wissen.

      Arkarim hatte Nedeam schon als Scharführer in manches Abenteuer begleitet, und so schien es selbstverständlich, dass er die Nachfolge seines Freundes als Erster Schwertmann antrat. Auch Arkarim sehnte sich nicht nach dieser Last, und doch erfüllte sich damit für ihn ein Herzenswunsch.

      Den Schwertmännern einer Mark war es verwehrt, ein Weib zu nehmen und eine Familie zu gründen. Die Sorge um die Ihren sollte sie im Kampf nicht beeinflussen. Nur der Erste Schwertmann bildete eine Ausnahme, denn seine Familie hatte einst als Faustpfand der Treue zu seinem Pferdefürsten gedient. Die Zeiten, in denen sich das Pferdevolk gegenseitig bekämpfte, waren lange vorbei, doch die Tradition hatte sich gehalten. Arkarim trug nun symbolisch das Banner des Pferdefürsten, und so hatte er endlich seine geliebte Etana heiraten können. Nedeam wusste nur zu gut, dass etliche seiner Schwertmänner ihre Liebschaften hatten. Natürlich nur in aller Heimlichkeit, obwohl sicher jeder davon wusste und keiner darüber sprach. Der neue Pferdefürst der Hochmark war fest entschlossen, mit der alten Tradition zu brechen, die so vielen Männern ihr Glück verwehrte, und hatte vor, dies bei der nächsten Versammlung des Rates zur Sprache zu bringen.

      „Es ist an der Zeit, Hoher Lord“, sagte Arkarim leise. „Der Beritt ist bereit.“

      Nedeam erwiderte den Druck von Llaranyas Hand. „Ich weiß. Geht schon vor, Arkarim, ich werde Euch folgen.“

      Die beiden Freunde, denn Nedeam zählte auch Fangschlag zu ihnen, gingen zu der kleinen Brücke, die über den Eten zur Stadt führte. Der Pferdefürst und seine Elfin wandten sich hingegen dem nahen Wald zu.

      Seite an Seite und mit langsamen Schritten näherten sie sich den Bäumen. Sie wussten, dass ein Abschied nahte, den sie beide nicht wünschten.

      „Ich sollte bei dir sein“, sagte Nedeam traurig.

      „Ja, das würde ich mir wünschen“, bekannte Llaranya.

      Als elfischem Wesen lag ihr jede Lüge fern, obwohl sich Nedeam das in diesen Augenblicken wünschte. Ein paar tröstende Worte hätten ihm die Trennung leichter gemacht.

      „Es ist deine erste Schröpfung“, fügte er hinzu.

      „Du könntest mir dabei nicht helfen“, sagte sie freimütig. „Und ich würde deine Präsenz kaum spüren. Aber ich bin nicht allein. Meine elfische Schwester Leoryn wird über mich wachen.“

      Leoryn war nicht die leibliche Schwester Llaranyas, aber sie war immerhin eine Elfin, wenn auch aus dem Hause Elodarions. Sie und ihr Bruder Lotaras hatten entschieden, bei ihren Freunden in der Hochmark zu bleiben, als die Elfen das Land verließen. Es war ein großes Opfer, und die Hohe Dame Larwyn hatte den spitzohrigen Freunden bereitwillig den kostbaren Wald überlassen. Hier war ein typisches Haus der Elfen des Waldes entstanden, welches sich die Geschwister teilten, während Llaranya mit Nedeam in der Festung lebte.

      Doch nun näherte sich ein Zeitpunkt, der für jeden Elfen von außergewöhnlicher Bedeutung war.

      Das Volk der Elfen war unsterblich, sofern das Leben nicht durch Krankheit oder gewaltsamen Tod beendet wurde. Diese Unsterblichkeit hatte ihren Preis. Es gab nur wenige Geburten, und Kinder waren daher das höchste Gut des Volkes. Zudem musste sich jeder Elf in einem Abstand von ungefähr


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