Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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      Vor dreißig Jahren bedrohte der Sturm der Orks erneut den Frieden. Garodem blieb dem Eid der Pferdelords treu und stand den anderen Marken zur Seite. Sein Bruder fiel in der Schlacht um die alnoische Königsstadt Alneris. Der Pferdefürst verzichtete auf die Krone, überließ sie dem Sohn des Bruders und kehrte in seine Hochmark zurück.

      Nach vielen Kämpfen schien wieder Frieden einzukehren. Ein brüchiger Frieden, denn niemand glaubte ernsthaft, dass der Schwarze Lord der Orks sein Vorhaben, alle Feinde zu vernichten, jemals aufgeben würde.

      Als damals der neue Krieg gegen die Orks begann, war Nedeam ein Knabe gewesen. Inzwischen waren dreißig Jahre vergangen und aus dem Knaben war ein stattlicher und erfahrener Krieger geworden. Er war nun zweiundvierzig Jahre alt, doch wer ihn ansah, hätte ihn für allenfalls Mitte der Zwanzig gehalten. Beides entsprach auf wunderliche Art der Wahrheit. Im Alter von dreiundzwanzig Jahren hatte er im elfischen Haus des Urbaums gegen ein Graues Wesen gekämpft, einen jener unheimlichen Magier, die dem Schwarzen Lord gegen die Menschen und ihre Verbündeten zur Seite standen. Als das Graue Wesen starb, war Nedeam auf seltsame Weise mit ihm verbunden gewesen. Ein Teil der Fähigkeiten des Zauberers ging auf den jungen Pferdelord über. Seine Wunden heilten nun weit besser und schneller, zudem schien er nicht mehr zu altern. Auch die Fähigkeit, Auren zu sehen, war hilfreich, da sie auf Gefahren hinwies. Doch diese Gabe konnte Nedeam nicht kontrollieren. Manches Mal hatte sie ihn vor einer Bedrohung gewarnt, doch ebenso oft versagte sie.

      Dennoch war Nedeam dankbar dafür, dass er mit dem Grauen verschmolzen war, denn die unerwartete Langlebigkeit führte ihn und die Liebe seines Herzens zusammen. Llaranya war eine Elfin aus dem Hause Deshay und hatte lange gezögert, ihrer Liebe zu einem vergänglichen Menschen nachzugeben. Nun waren sie nach elfischer Zeremonie im Bund der Ehe vereint und hatten manches Abenteuer Seite an Seite bestanden.

      Im Norden des Tales von Eternas erhoben sich die Stadt und die gleichnamige Festung. Hier führte der Pass des Eten in das neue Reich der Zwerge, dann weiter zu der nördlichen Öde von Rushaan und bis hinauf in das im Eis verborgene Land von Julinaash. Der Fluss Eten teilte das Tal von Eternas. Zu seiner Linken lagen die Stadt und die Burg des Pferdefürsten. Am Flussufer erstreckten sich die Handwerksbetriebe, Gerbereien, Töpfereien und Schmieden. Hier stampften am Tag die Brennsteinmaschinen, um in der Nacht zu schweigen. Dann folgte die Stadt mit ihren meist zweigeschossigen Häusern und ihren engen Gassen und Straßen. Hier herrschte reges Treiben, denn der Handel mit den anderen Marken und den Zwergen blühte. Selbst Händler aus dem fernen Reich Alnoa kamen in die Hochmark.

      Traditionell errichtete das Pferdevolk seine Häuser aus dem sonst überreichlich vorhandenen Baustoff Holz. In der Hochmark war man jedoch gezwungen gewesen, auf Stein zurückzugreifen. Der Handel mit den anderen Marken führte inzwischen zur Lieferung der verschiedensten Hölzer, und viele Häuser zeigten nachträglich angebrachte Zierelemente und Schnitzereien.

      Um die Stadt lagen die Getreidefelder und der fruchtbare Boden erlaubte zwei Ernten im Jahr. Garodem und seine Gemahlin Larwyn hatten die Hochmark zur Blüte geführt. Sie waren vorausschauend vorgegangen, denn sie wussten, dass die Mark nur eine begrenzte Zahl von Menschen ernähren konnte. So war die Zuwanderung aus den anderen Marken streng reglementiert. Der Grund lag in der isolierten Lage der Hochmark. Der Zugang war nur über den Nordpass des Eten und den Südpass möglich. Im Kriegsfall konnten diese Lebensadern blockiert werden, und dann musste die Hochmark in der Lage sein, all ihre Bewohner eigenständig zu versorgen.

      Als Pferdefürst Garodem bei einem tragischen Treppensturz ums Leben kam, hinterließ er einen Sohn, Garwin, der sein rechtmäßiger Nachfolger werden sollte. Doch Garwin erwies sich als ein Mann von mangelnder Ehre, der eifersüchtig auf die Erfolge Nedeams war und sogar vor einem Mordversuch an der eigenen Mutter nicht zurückschreckte. Garwin wurde vom Pferdevolk verstoßen und lebte seitdem als Gesetzloser. Seine Mutter Larwyn hatte an seiner Stelle die Mark geführt, und ihr Tod war der Grund für die Trauer, die Nedeam und Llaranya in diesem Augenblick erfüllte.

      Hier, am rechten Ufer des Eten, lag der einzige richtige Wald der Hochmark. Kein Baum hatte je ohne die Zustimmung des Pferdefürsten oder seiner Gemahlin gefällt werden dürfen, und so war er noch immer eine grüne Oase inmitten der Berge.

      Hier, am rechten Ufer, erhob sich der lang gestreckte Hügel, in dem man jene Menschen beigesetzt hatte, die vor knapp dreißig Jahren dem Ansturm der Orks zum Opfer gefallen waren. Hier hatte Pferdefürst Garodem seine letzte Ruhe gefunden und hier, an seiner Seite, lag nun auch seine Gemahlin Larwyn.

      „Es ist nun schon zwei Jahreswenden her“, sagte Nedeam leise und sah auf den Grabhügel hinunter, der sich noch nicht so weit abgesenkt hatte wie die anderen. „Und doch kann ich noch immer nicht begreifen, dass sie nicht mehr unter uns weilt. Sie war eine gute Herrin.“

      „Das war sie ohne Frage.“ Llaranyas schlanke und doch frauliche Gestalt wurde vom zartblauen Umhang des elfischen Volkes verhüllt, doch die spitzen Ohren ließen keinen Zweifel an ihrer Herkunft. Das lange Haar trug sie offen, und es fiel ihr weit über den Rücken. Elfen waren eigentlich weißblond, doch es war eine Eigenheit der Elfen des Hauses Deshay, dass sie tiefschwarzes Haar hatten.

      „Sie ruht an der Seite ihres geliebten Garodem“, sagte sie leise. „Du weißt, wie sehr sie ihn vermisst hat. Nun sind sie im ewigen Frieden vereint, und das sollte uns ein Trost sein.“

      Für die Menschen der Hochmark war es ein Schock gewesen.

      Das furchtbare Erdbeben hatte vor zwei Jahren auch die Mark getroffen, aber es waren glücklicherweise nur seine Ausläufer gewesen. Der Boden hatte geschwankt und einige Häuser waren beschädigt worden, doch alles war glimpflich verlaufen. Allerdings nicht ohne eine Tragödie. Ausgerechnet der alte Signalturm der Festung Eternas hatte nicht standgehalten. Unter seinen Trümmern waren viele alte Weggefährten begraben worden. Darunter Nedeams Mutter Meowyn und ihr Gemahl Tasmund, die sich in den Wohnräumen des Haupthauses aufgehalten hatten. So schmerzlich diese Verluste für Nedeam waren, weit härter traf ihn der Tod der Herrin Larwyn, die zu diesem Zeitpunkt auf der Signalplattform gestanden hatte.

      „Ich vermisse sie“, bekannte Nedeam. „Sie hat die Hochmark mit Weisheit und gutem Herzen geführt.“

      Llaranya schob ihre Hand in die seine und drückte sie sanft. „Du bist selbst kein ungestümer Krieger mehr, mein Liebster. Du hast viel an Weisheit gewonnen und wirst ein ebenso guter Herr der Mark sein.“

      „Pferdefürst.“ Das Wort klang bitter. „Der Titel lastet schwer auf meinen Schultern. Ich wollte, ich wäre ein einfacher Pferdelord, würde das Gehöft meines Vaters bestellen und nur zu den Waffen eilen, wenn der Eid und mein Pferdefürst mich rufen. Nun bin ich selbst derjenige, der die Männer zu Kampf und Tod auffordert.“

      „Rede keinen Unsinn.“ Sie deutete über den Grabhügel. „Du hast genug vom Kampf und auch vom Tod gesehen und bist nie dem Kampfrausch und der Ruhmessucht verfallen. Du weißt zu gut, was es bedeutet, den Tod zu geben oder zu empfangen. Nein, Nedeam, ich bin mir sicher, dass du deine Macht als Pferdefürst der Hochmark mit Bedacht einsetzen wirst.“

      „Ja, mag sein“, antwortete er zögernd. „Doch die Zweifel bleiben.“

      „Zweifel sind gut.“ Wind kam auf und spielte mit ihrem langen Haar. „Zweifel sorgen dafür, dass man seine Handlungen überdenkt. Nur darfst du dich niemals den Zweifeln ergeben. Wenn es gilt, dann musst du fest in deinem Entschluss sein. Bedenke, mein Liebster, dass du niemals alleine stehen wirst.“

      Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. Sie schmiegte sich an ihn und sie gaben sich ihrem Kuss und ihrer Liebe hin. Nichts verriet in diesen Augenblicken, welch gnadenlose Kämpferin die schöne Elfin sein konnte.

      Als sie sich voneinander lösten, erklang ein leises Hüsteln. Sie wandten sich um und sahen den Ersten Schwertmann der Hochmark, Arkarim, und neben ihm die mächtige Gestalt von Fangschlag.

      Das Rundohr der Orks trug seine alte Rüstung, die ihn als Legionsführer des Schwarzen Lords auszeichnete. Nedeam wusste, dass dies ein besonderer Respektbeweis des Kriegers war, welcher der toten Herrin Larwyn galt. Fangschlag hatte viele Jahre gegen das Pferdevolk und seine Verbündeten gekämpft. Er hatte sich als tapferer


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