Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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wie sie ihre Kräutertränke und Salben mischt und die Wirkung von Pflanzen erforscht, ist nicht gerade erfüllend. Und das Rezitieren elfischer Gedichte mag einem Krieger zwar durchaus gebühren, doch ein Krieger braucht auch das Schwirren der Bogensehne und das Singen seiner Klinge.“

      „Mir scheint, du bist ein ziemlich blutrünstiger Elf.“

      „Nein, Nedeam, mein Freund, nur ein gelangweilter Elf, und das ist weit schlimmer.“ Lotaras seufzte erneut. „Nun, vielleicht haben wir Glück und begegnen am Spaltpass ein paar Orks.“

      Nedeam legte dem Freund die Hand auf die Schulter. „Du solltest deine Hoffnung lieber nicht darauf setzen. Seit Jahreswenden hat sich kein Ork mehr an den Grenzen gezeigt, und ich bin froh darüber. Wenn sie erscheinen, so treten sie stets mit Macht auf. Unser Winterfeldzug nach Merdoret hat gezeigt, dass sie zu kämpfen lernen. Sie werden immer gefährlicher. Ohne den flammenden Atem der Lederschwingen hätten sie damals die weißen Sümpfe überquert und Merdonan genommen.“

      „Der Schwarze Lord wird keine Ruhe geben, bis alle freien Völker vernichtet sind.“

      „Fangschlag ist derselben Meinung“, räumte Nedeam ein. „Gerade deshalb ist es wichtig, unser Bündnis mit dem Königreich Alnoa zu festigen.“

      „Vielleicht hat das Beben sie erwischt.“ Lotaras warf einen kurzen Blick in den gut gefüllten Pfeilköcher, der an seinem Gürtel hing. „Das Tanzen der Erde soll ja im Königreich Alnoa sehr heftig gewesen sein. Ich kann mir vorstellen, dass es im Land der Orks noch weitaus schlimmer gewütet hat.“

      Nedeam zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Doch auf eine solch gute Fügung des Schicksals würde ich mich nicht verlassen.“

      Der Elf grinste vergnügt. „Ja, vielleicht treffen wir doch auf ein paar Orks. Spitzohren wären für Zielübungen nicht zu verachten.“

      „Warum keine Rundohren? Aus Rücksicht auf unseren Freund Fangschlag?“

      „Nun, ich will ehrlich sein … Du kennst doch die Rundohren. Vorneweg auf den Feind los und ein verdammt großes Ziel. Leicht zu treffen. Aber die kleinen feigen Spitzohren huschen immer umher und versuchen, sich zu verstecken. Sie sind für einen Bogenschützen die größere Herausforderung.“

      Sie schritten über die kleine Brücke ans andere Ufer. Hier war der Eten noch schmal und bescheiden, da er im Quellgrundweiler entsprang. Inzwischen kannte Nedeam auch seinen Verlauf im fernen Land Julinaash, wo er stark und reißend war.

      Das linke Ufer kam einer anderen Welt gleich. Vom nahen Handwerksviertel drang eine Vielzahl an Geräuschen und Gerüchen zu ihnen, und die wenigsten davon waren angenehm. Der Geruch von Urin, mit dem das Leder gegerbt wurde, und von erhitztem Eisen aus den Schmieden trieb mit dem Wind heran. Das monotone Stampfen eines Schlagwerks war zu hören.

      Nedeam sah missbilligend auf eines der Abflussrohre der Kanalisation. Die einstige Herrin Larwyn hatte seinen Blick für diese Dinge geschärft. „Das Rohrsystem muss gereinigt werden“, sagte er zu sich selbst. „Und wir brauchen mehr Dungschlepper in der Stadt. All die Menschen produzieren eine Menge Abfall und das bekommt dem Fluss nicht. Da muss ich mir etwas einfallen lassen.“

      Lotaras nickte. „Du solltest nicht jeden Dung aus der Stadt schlämmen. Einiges könnte man trocknen und dann verbrennen. Es riecht nicht besonders angenehm, aber zu viel Dung ist weder für den Fluss noch für die Felder gut. Ihr Menschen müsst mehr maßhalten. Lebt mit der Natur und nicht gegen sie.“

      „Es ist der Fortschritt“, sagte Nedeam düster. „Dampfmaschinen stampfen, wo einst der Hammer des Schmiedes auf dem Amboss erklang. Brennsteinlampen glühen, wo zuvor offene Brennsteinbecken standen. Und es gibt sogar Maschinen, die eine Naht schneller setzen, als jede Näherin.“

      „Maschinen können hilfreich sein“, gab Lotaras zu. „Doch sie können sich auch als Fluch erweisen. Denk an die einstige Macht des Reiches von Rushaan. Es besaß metallene Menschen und stählerne Schwingen, und doch ging es unter.“

      „Weil es im Krieg mit den Magiern von Jalanne stand.“

      „Fortschritt kommt aus dem Geist des Menschen. Doch der Geist muss diesen Fortschritt beherrschen und darf nicht hinter ihm zurückbleiben. Die Macht der Maschinen macht den Menschen bequem, Nedeam, mein Freund. Es kann eine Zeit kommen, in der die Maschinen nicht dem Menschen dienen, sondern umgekehrt.“

      Nedeam lachte auf und verstummte, als er das ernste Gesicht seines Freundes sah. „Du redest, als sei dies bereits einmal geschehen.“

      „Es gab Zeiten, die euch Menschen vom Pferdevolk unbekannt sind“, erwiderte der Elf. „Und die euch besser verborgen bleiben.“

      Nedeam verspürte ein leichtes Frösteln zwischen den Schulterblättern. Er wusste bereits, dass die Elfen viel von ihrem Wissen geheim hielten. Er konnte sich an die Metallpferde von Julinaash erinnern, welche die Macht der Sonne gegen den Feind richteten, und auch daran, dass Llaranya diese furchtbaren Waffen offenbar erkannt hatte. Auf seine Frage hin hatte sie nur auf die Schriften der Elfen verwiesen und Nedeam wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter in sie zu dringen. Die Häuser des unsterblichen Volkes verbargen ihr Wissen wohl aus gutem Grund.

      Rechts von ihnen lag nun die alte Festung von Eternas.

      Pferdefürst Garodem hatte sie einst als erstes Bauwerk in der Hochmark errichten lassen, denn er hatte sich damals um den Schutz der Menschen gesorgt. Es war eine kleine und bescheidene Anlage gewesen, die im Verlauf von Nedeams Leben immer weiter ausgebaut wurde.

      Eine wehrhafte Mauer umgab den vorderen und hinteren Burghof und eine etwas kleinere trennte die beiden Höfe voneinander. Zum Süden hin flankierten zwei quadratische Türme das mächtige Haupttor. Im Gegensatz zu den üblichen Festungstoren wurde dieses nach außen geöffnet. Dies hatte den Vorteil, dass eine Ramme das Tor noch fester in seine Bettungen presste, statt es aus den Angeln zu schmettern. Im Inneren der Anlage standen das Haupthaus mit dem Signalturm von Eternas und die alten Unterkünfte der Schwertmänner. Schmiede, Vorratshaus, Heilerstube und Ställe waren im inneren Burghof untergebracht, der nach Norden zeigte. Die dortige Mauer war im Halbrund errichtet und breit genug, dass man dort drei der neuen Dampfkanonen hatte aufbauen können. Sie zeigten zum Pass des Eten, der nun von der Nordfeste geschützt wurde.

      Haupthaus und Signalturm hatten bei dem Beben schwerste Schäden erlitten, und ihr Einsturz hatte viele wertvolle Leben gekostet. Nedeam war sich unsicher gewesen, ob man es wieder aufbauen sollte, aber Llaranya und die Schwertmänner hatten ihn überzeugt. Inzwischen war das Haupthaus erneuert und die Wohnräume und die große Halle von Eternas waren wieder verfügbar. Am neuen Signalturm wurde noch immer gearbeitet. Er sollte höher werden als der alte Turm. Auf ihm würde einer der neuen Sonnenspiegel errichtet werden, den man nachts auch mit Brennsteinlampen betreiben konnte. Umlenkspiegel erlaubten es jederzeit, das Licht in die polierte Fläche zu leiten, und Klappen dienten dazu, es zu unterbrechen. Gemeinsam mit dem Reich von Alnoa hatte man ein System entwickelt, bei dem kurze und lange Lichtblitze die Übertragung von Botschaften erlaubten. Solche Signalstationen standen inzwischen im gesamten Einflussbereich des Bündnisses. Eine Kette von ihnen durchzog sogar den Pass des Eten, um die Hochmark mit der Nordfeste zu verbinden. Da der neue Signalturm von Eternas noch nicht fertig war, hatte man die Konstruktion vorerst auf einem der Südtürme installiert.

      Sie betraten die Burg nicht, sondern gingen an ihr vorbei nach Westen. Hier breitete sich das große Areal aus, auf dem die Pferdelords der Hochmark ihre Waffenübungen abhielten. Auf diesem ebenen Platz standen die Unterkünfte und Ställe der Beritte. Es waren zweigeschossige Bauten mit einem spitzen Dachstuhl. Im unteren Bereich waren die Pferde untergebracht, darüber lebten die Schwertmänner. Auf den Dachböden lagerten Vorräte, Heu für die Pferde und die Waffen der jeweiligen Beritte. Die Anlage war nicht von einer Wehrmauer umgeben, denn es stand kaum zu befürchten, dass ein Feind bis in die Hochmark vordrang. Sollte dies einmal geschehen, so konnte jedes der Gebäude als kleine Festung dienen. Doch der Nordpass war gut geschützt und am Südpass konnte man einen Feind leicht an den Engstellen aufhalten.

      Mehrere Beritte übten auf dem Platz das Reiten in Formation oder den Umgang mit den verschiedenen Waffen.


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