Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk

Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes - Michael Schenk


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      Was der Kommandeur ihm sagte, übertraf Renters schlimmste Befürchtungen sogar noch.

      „Einen Beritt, Hochgeborener? Hier gibt es keinen Beritt für Euch. Die Garde der Stadt hat genug damit zu tun, ihre eigenen Reihen zu füllen. Nun gut, Renter ta Marek, Ihr habt einen Befehl des Königs und sollt somit auch Euren Beritt haben. Vorerst besteht er aus Euch, zwei Signalbläsern und einem Unterführer.“

      Ta Marek starrte den Mann fassungslos an, was diesen zu einem freudlosen Lächeln veranlasste. „Lheonaris hat geblutet, ta Marek“, erklärte er in versöhnlichem Ton. „Nicht direkt durch das Beben. Unsere schöne Stadt kam gut davon. Aber viele Menschen haben Lheonaris verlassen und sind dem Aufruf des Königs gefolgt, im Osten zu siedeln. Ihr wisst ja, dass man dort dringend Leute braucht, um die Dörfer neu zu beleben. Nun, inzwischen ist unsere Bevölkerungszahl wieder stabil und Handwerk und Handel erholen sich. Doch wenn Ihr Männer für Euren Beritt haben wollt, Hochgeborener, so müsst Ihr diese selbst zusammensuchen.“

      „Anwerben?“ Ta Mareks Stimme klang ungläubig.

      „Selbstverständlich. Was denn sonst? Aber sicher hilft Euch der gute Ruf, den die berittene Garde des Königs ja besitzt“, knurrte der Kommandant. „Ihr werdet schon Männer finden, um einen Beritt bilden zu können. In der Rüstkammer lagert genug Material für Kriegszeiten, um ein ganzes Regiment auszustatten. Nehmt Euch, was immer Ihr benötigt.“

      Es gab außerhalb der Kriegszeit keine Wehrpflicht. Es blieb daher Renter ta Mareks Fantasie überlassen, wie er Männer für den Dienst verpflichten könnte. Seine einzigen Hilfen waren das Handgeld des Königs, welches jeder Rekrut erhielt, und ein alter Unterführer. Der Unterführer war erfahren und hatte Renters heimlicher Auffassung nach wohl schon zu Zeiten des ersten Bündnisses gedient. Die beiden Signalbläser waren hingegen so jung, dass der Anwerber wohl beide Augen zugedrückt hatte. Doch das war bei Musikern nicht selten zu finden.

      Der Unterführer war zu erfahren oder zu gleichgültig, um Renter ta Mareks Vorstellungen von Truppenanwerbung entgegenzutreten.

      Renter ging davon aus, er brauche sich nur auf den Marktplatz zu stellen, mit dem Wimpel eines königlichen Beritts zu winken und könne sich dann kaum vor Bewerbern retten. Weit gefehlt. Auch wenn die Garde, vornehmlich die Gardekavallerie, bei der Bevölkerung hoch geachtet wurde, drängte es doch die wenigsten danach, in ihren Dienst zu treten. Das Leben war hart genug, gerade jetzt, zwei Jahre nach dem Beben, und die Menschen waren froh, dass ihr Tagwerk allmählich wieder leichter wurde.

      Natürlich gab es ein paar junge Leute, die sich von den blitzenden Rüstungen der beiden Werber und vom fröhlichen Klang der Hörner beeindrucken ließen und welche Patriotismus oder Abenteuerlust dazu veranlasste, das Handgeld zu nehmen. Es gab auch andere, die den Versprechungen glaubten, der Dienst in der Garde sei im Vergleich zum harten Handwerk eine angenehme Art von Ausritt zu Pferde und böte reichlich Abenteuer. Einige ließen sich anwerben, da sie sich weniger Mühsal erhofften.

      Nach drei frustrierenden Tagen konnte Renter achtundvierzig Männer in der Garnison versammeln, doch das waren bei Weitem noch nicht genug, um einen Beritt von zweihundert Männern zu formieren. Im Grunde war dies kein schlechtes Ergebnis, dennoch war der Adlige ausgesprochen enttäuscht.

      „Wir brauchen mehr Männer“, stellte ta Marek erbittert fest.

       „Wenn Euer Hochgeboren die Anforderungen ein wenig nach unten korrigiert, so könnten wir noch ein paar Leute auftreiben“, meinte der Unterführer schließlich. Er hatte zugelassen, dass der unerfahrene Adlige nach dessen Vorstellungen agierte, doch nun fand er es an der Zeit, seinen neuen Vorgesetzten mit der rauen Wirklichkeit zu konfrontieren. „Vielleicht keine Männer, mit denen man vor dem König paradieren sollte, aber dafür Männer, die man zu einem Beritt formen kann.“

      Inzwischen war Renter für jeden Vorschlag dankbar, der ihm die erforderlichen Leute zuführte.

      Der alte Unterführer kannte Wege, die notwendigen Männer zu finden, auch wenn die nicht unbedingt den Vorstellungen des Hochgeborenen entsprachen, die dieser von Gardisten des Königs hatte. So durchkämmten Renter ta Marek und sein Unterführer auch die zahlreichen Schenken und fanden jene, die betrunken oder verschuldet genug waren, die drei goldenen Schüsselchen zu nehmen. Ta Marek war überrascht, dass allmählich genug Männer für einen Beritt zusammenkamen.

      Ein schwacher Beritt, der immer noch deutlich unter der Sollstärke lag, aber es war, wenigstens auf dem Papier, ein Beritt. Auf dem Hof der Garnison war es hingegen kaum mehr als ein Sammelsurium jüngerer und älterer Männer.

      Schließlich wurde die bunt zusammengeworfene Schar vom Stadtkommandanten kurz gemustert. „Die Gardekavallerie muss wahrhaftig in Not sein“, hatte der gemeint. „Kleidet die Burschen ein, dann werden sie immerhin wie Gardisten des Königs aussehen. Wenigstens bei Dunkelheit und wenn der Betrachter sehr kurzsichtig ist.“

      In gewisser Weise hatte der Kommandeur recht.

      Die einheitlichen Uniformen und polierten Vollrüstungen der Garde machten die Männer, rein äußerlich, zu einem jener Beritte, auf den jedes Garderegiment stolz gewesen wäre. Doch bis dahin mussten Renter ta Marek, sein Unterführer und die neuen Gardisten noch einen weiten Weg zurücklegen.

      „Wir haben Männer und wir haben Pferde“, brummte der Unterführer. „Nun beginnt der schwierigste Teil, Euer Hochgeboren. Kaum einer von den Burschen kann sich derzeit auf einem Pferderücken halten, geschweige von ihm kämpfen. Immerhin sind die Pferde bereits zugeritten. Wir werden die Leute also hinaufbekommen. Die Frage ist nur, wie lange sie oben bleiben.“

      „Notfalls binden wir sie am Sattel fest“, sagte Renter grimmig. „Sie müssen die Formationen zu Fuß und zu Pferde erlernen, ebenso den Umgang mit den Waffen.“

      „Das ist eine verdammte Menge Arbeit, Euer Hochgeboren. Da könnten wir etwas Hilfe gebrauchen.“

      „Der Kommandant gehört zur Stadtgarde und wird wenig Interesse daran haben, uns zu unterstützen. Ihr kennt doch die Rivalitäten zwischen den Truppen des Königs und jenen der Städte und Provinzen.“

      „Immerhin ist ein Beritt der Gardekavallerie hier stationiert, der die Handelsstraße bestreift. Redet mit deren Ritter. Möglicherweise leiht er uns einen oder zwei seiner Unterführer aus, bis unsere Männer so weit sind.“

      Es war die Lösung für manches Problem, welches Renter ta Marek plagte. Zudem stellte auch der Kommandant zwei Ausbilder der Stadtgarde ab.

      Aus dem bunten Haufen der Angeworbenen formierte sich langsam, aber zunehmend ein Beritt. Mancher der neuen Gardisten mochte es bereuen, das Handgeld des Königs genommen zu haben, doch der unbarmherzige Drill schweißte sie zugleich zu einer Einheit zusammen. Nur zwei Männer mussten zu Renters Enttäuschung ausgemustert werden, da sie den Anforderungen gesundheitlich nicht gewachsen waren. Ein Dritter brach sich beim Sturz vom Pferd das Bein und würde nie wieder reiten können.

      Allmählich gewann der junge Hochgeborene an Zuversicht, wenn er die Männer hinter dem Wimpel des fünften Beritts der zweiten Gardekavallerie reiten sah. Seine Stimmung stieg weiter, als er zum Kommandanten befohlen wurde, der gute Neuigkeiten für ihn hatte.

      „Ich habe den fünften Beritt sehr sorgfältig beobachtet, Hochgeborener ta Marek, und ich bin angenehm überrascht, welche Fortschritte Ihr erzielt habt.“ Renter überhörte die versteckte Anspielung, dass der Kommandant wohl an seinen Fähigkeiten gezweifelt hatte, denn die nachfolgenden Worte waren höchst erfreulich. „Es gibt einen allgemeinen Befehl des Kronrates, die neue Festung in Nerianet nach Möglichkeit zu verstärken. Somit werdet Ihr und Euer Beritt nach Nerianet abkommandiert. Dort könnt Ihr den Männern sicher den letzten Schliff geben.“

      Renter ta Marek war in höchstem Maße beglückt. Sein Wunsch ging doch in Erfüllung ... Dienst an der Grenze in der neuen Festung von Nerianet.

      Sicherlich gab es noch deutliche Mängel bei den Männern, und der Unterführer äußerte auch sofort seine Zweifel, als der Hochgeborene ihm die neuen Befehle übermittelte. „Es sind rund dreihundert Tausendlängen Weg bis zur Festung am Spaltpass. Ein weiter Ritt für


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