Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks. Michael Schenk
der Wehrmauer zur Stadt hinwandern. »Ich weiß. Die ganzen langen
Jahre des Friedens hindurch habe ich die Pferdelords nicht mehr zu
Waffenübungen einberufen. Das rächt sich nun. Waffen beschert uns die
Mark genug, aber uns fehlen die ausgebildeten Männer, sie zu tragen.«
Der Erste Schwertmann schaute in Richtung der Karte und ging dann zu
ihr hinüber. »Kämpfen können die Männer wohl. Sie sind auch nicht
ungeschickt im Umgang mit den Waffen. Was ihnen fehlt, ist die Übung, als
geschlossener Verband zusammenzuwirken. Schwerter, Rüstungen und
Helme haben wir genug. Auch Bogen für die Schützen. Was allein fehlt, sind
Lanzen, denn wir verfügen nicht über ausreichend gerade Hölzer, die auch
noch lang genug sind, um sie daraus herstellen zu können. Außerdem könnte
es nicht schaden, zusätzliche Pfeile zu produzieren.«
Unten im Hof hörten sie, wie knappe Kommandos erklangen, sowie
Kormunds Gruppe, die aus dem Burghof ritt. Das Klappern der Hufe kündete
von Eile, die dieses Mal auch den Bewohnern von Eternas nicht verborgen
bleiben würde.
Garodem langte nach seinem Becher mit Wein, stellte ihn jedoch, ohne
getrunken zu haben, wieder zurück. »Bereitet eine Gruppe vor, die im
geschützten Wald den Holzeinschlag vornimmt. Und sendet die
Waffenschmiede und die Stadtältesten zu mir. Ich werde mit ihnen sprechen.
Was auch geschieht, ich will, dass die Hochmark so gut wie möglich auf alles
vorbereitet ist.«
»Soll ich schon Boten entsenden, um die Pferdelords einzuberufen?«
Garodem schüttelte den Kopf. »Nein, ich will zunächst abwarten, was
Kormund uns berichten wird. Sind die Wachen am Pass wohlbehalten und das
Feuer intakt, so wollte der Bote wohl doch keinen Hilferuf, sondern eine
andere Botschaft zu uns bringen. In diesem Fall werde ich eine Schar
entsenden, um beim König um die Botschaft anzuhalten – die Wehrfähigen
brauchen wir dann aber nicht.«
Tasmund wies zu der Karte hin. »Die Schar Kormunds fand den Toten
innerhalb der Hochmark, mein Herr. Er muss also die Wachen passiert
haben.«
»Wir müssen Kormunds Bericht abwarten, Tasmund. Und bereit sein,
notfalls rasch zu reagieren.«
Dem hatte Tasmund nichts hinzuzufügen.
Kapitel 5
Nedeam war rasch geritten und freute sich ebenso wie Stirnfleck über den
gestreckten Galopp, den der Hengst auf freien Flächen hielt, denn nur allzu
oft mussten sie sich ihren Weg auch über steinige Flächen suchen, und
Nedeam wusste, wie rasch ein Pferd auf losen Steinen ausrutschen und sich
verletzen konnte. Kamen sie an eine solche Stelle, saß er ab und führte
Stirnfleck, obwohl der Zwölfjährige sich manchmal unsicher war, wer von
ihnen wen wirklich führte. Der Hengst schien den Weg nach Eternas
instinktiv zu kennen, doch er war, im Gegensatz zu dem Knaben, auch schon
öfter in der Stadt gewesen. Zwei Tage nahm die Reise zur Stadt und wieder
zurück gewöhnlich in Anspruch. Zwei Tage, in denen Balwin seine Frau und
seinen Sohn allein auf dem Gehöft allen möglichen Gefahren ausgesetzt
wusste. Nein, Balwin war nicht oft nach Eternas geritten, und noch seltener
war dies bei Meowyn oder ihrem Sohn der Fall gewesen. So freute sich der
Zwölfjährige auf seinen ersten Besuch, bei dem er die Stadt zudem auch noch
allein besichtigen und erkunden konnte. Sicher würde es viel für ihn zu
entdecken geben.
Auf seinem Ritt in die Hauptstadt der Hochmark kam er an einzelnen
Gehöften und einer kleineren Ansiedlung, einem Weiler, vorbei, hielt sich
dort aber nicht länger auf, sondern übernachtete lieber kurz im Freien, um
Eternas schon beim ersten Tageslicht vor sich liegen sehen zu können. Als er
von einem Hang über der Stadt in die Ebene hinunterblickte, war er fasziniert
von dem, was sich seinen Augen bot. Begeistert trieb er Stirnfleck über die
grüne Ebene, und seine Augen leuchteten vor Erwartung, als er in die
Hauptstraße einritt.
Der erste Eindruck der Stadt war für Nedeam einfach überwältigend.
Ihm wurde bewusst, wie groß und hoch die Häuser hier waren, und er
konnte sich nicht sattsehen an all den Eindrücken, die auf ihn einströmten.
Und so ließ er das ungewohnt quirlige Leben und stete Geschrei der
Bewohner, die bunten Farben ihrer Kleidung und die zahllosen Gerüche auf
sich einwirken. Vieles davon war für ihn neu und aufregend, doch anderes
wurde ihm rasch lästig. Vor allem die Häuser, die ihn auf den ersten Blick so
beeindruckt hatten, begannen mit der Zeit seltsam bedrohlich auf ihn zu
wirken. Ihre Wände waren so hoch und so steil, dass er das Gefühl bekam, als
wollten sie sofort auf ihn niederstürzen. Sicher, er war Höhen gewohnt. Aber
Berge fielen in der Regel nicht so steil ab. Zudem standen die Häuser dicht
aneinander, und die Straßen und Gassen zwischen ihnen verstärkten nochmals
Nedeams Empfinden, eingeengt zu werden. Instinktiv spürte er, dass ihm das
Leben in der Stadt wohl nicht sonderlich gefallen würde, und er war
erleichtert, als er schließlich den Außenbezirk mit seinen Handwerksbetrieben
und dem Geruch, der dieses Viertel wie eine Dunstwolke umgab, erreichte.
Er brauchte sich nicht erst an den Wappenschildern der Handwerker zu
orientieren, um die Eisenschmieden zu finden. Das helle Klingen der
Schmiedehämmer war weithin zu hören, und jetzt, so kurz vor der
Wolltierschur, stand ohnehin kaum eine Esse still. Nedeam folgte den
Geräuschen und fragte sich, wie ein Mensch diesen Lärm nur den ganzen Tag
über aushalten konnte. Doch womöglich hatten die Schmiede ja halb taube
Ohren, oder aber sie stopften sich Gras in sie hinein, um den Krach dadurch
zu dämpfen. Aber als er Stirnfleck endlich vor Guntrams Schmiede zügelte,