Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks. Michael Schenk
Burschen auch sind, guter Herr, ihr Pelz ist weich und warm und gibt
ein hervorragendes Futter für ein Winterwams ab.«
Der Mann begann mit Barus darüber zu feilschen, was dieser für seine
Dienste haben wollte. Nedeam war noch immer überrascht, auf welche Weise
der stämmige Mann den Nager erlegt hatte. Dergleichen hatte er noch nie
zuvor gesehen. Doch wie mochte der Nagerjäger dies wohl in einem dunklen
Kellerraum vollbringen oder in einem der kaum beleuchteten Vorratshäuser
am Südrand der Stadt?
Als Nächstes sah Nedeam ein paar Frauen zu, die ihre Wäsche am Fluss
wuschen, wozu sie jene Schlagbretter nutzten, gegen die man auch nasses
Leder schlug, um es geschmeidig zu machen. Der Schaum verriet, dass die
Frauen eine Mischung aus Fett und Asche nutzten, um die Kleidung zu
säubern. Aber das Waschen war Frauensache und interessierte Nedeam nicht
wirklich, weshalb er zurück in die Stadt ritt, vorbei an einer Schneiderei und
einer Schuhmacherin, die gerade die weichen Stiefel des Pferdevolkes
fertigte. Harte, doch nicht zu feste Ledersohlen, an denen die beiden Oberteile
mit feinen Lederriemen festgenäht wurden. Während die Stiefel der Männer
meist sehr schlicht und rein funktionell gearbeitet waren, wiesen die der
Frauen oft feine Prägungen und Stickereien auf. Die Schuhmacher der
Hochmark fertigten außerdem auch feine Gürtel und Waffenscheiden, die sie
mit Metallen verzierten. So begutachtete Nedeam ein wenig neidisch eine
Schwertscheide aus bestem rotem Leder, welche mit Metallbeschlägen
verziert war. Er wusste, dass es auch metallene Schwertscheiden gab, doch
das Pferdevolk bevorzugte weiche Lederscheiden. Denn war die Klinge erst
einmal gezückt, passten sich die Scheiden den Körperbewegungen an und
verliehen dem Reiter auf dem Pferderücken dadurch mehr Bewegungsfreiheit.
Der Knabe spürte das unmerkliche Knurren seines Magens und machte
sich nunmehr endgültig auf, um etwas zu essen und eine Unterkunft für die
Nacht zu finden. Und etwas Süßwurzel. Rasch fand er einen Laden, in dem
Backwaren und andere Lebensmittel angeboten wurden und wo er im Tausch
gegen vier Häute und ein kleines Fell Mehl und Salz sowie ein paar
Süßwurzeln erstehen konnte. Auf einer von ihnen genussvoll kauend, machte
er sich zuletzt auf die Suche nach einer Bleibe für die Nacht. Der Händler
hatte ihm beschrieben, wo er diese finden würde.
Es gab nur eine einzige kleine Herberge in Eternas, die eigentlich nicht
mehr als ein Wohnhaus war, in dem eine Familie lebte, die immer dann
Bewirtung für Reisende anbot, wenn es welche gab. Denn die Hochmark lebte
schon zu lange in der Isolation, sodass nur wenige Menschen aus den
abgelegenen Gehöften und Weilern, die in die Stadt kamen, um Handel zu
treiben, über Nacht blieben.
»Nun, für ein Fell werden wir uns schon einig werden, junger Herr«, sagte
die Wirtin freundlich und wies auf einen kleinen Anbau. »Hier drüben könnt
Ihr Euer Pferd unterstellen und versorgen. Wasser und guten Hafer findet Ihr
dort reichlich, und Ihr selbst scheint mir auch einen Bissen vertragen zu
können.« Sie sah Nedeam nachdenklich an. »Ich werde Euch einen guten
Eintopf machen, mein junger Herr. Gutes Grünkraut, Hafer und ein wenig
fettes Wolltierfleisch … Ach, Ihr könntet ruhig ein wenig Speck auf Euren
Rippen vertragen.«
Nedeam versorgte Stirnfleck und ließ die Tragetaschen unbesorgt in dem
kleinen Stall stehen, denn kein Mensch des Pferdevolkes nahm einem anderen
etwas fort. Und schon bald nachdem er in der Wohnstube der vierköpfigen
Familie den schmackhaften Eintopf gegessen und einen verdünnten Wein
getrunken hatte, begab er sich zur Ruhe.
Kapitel 6
Das Schwert am Sattel drückte leicht gegen Meowyns Knie, als sie ihr Pferd
antrieb, um ein ausgerissenes Wolltier zur Herde zurückzutreiben. Sie war es
gewohnt, Waffen zu führen, und wusste sie auch zu gebrauchen. Fast alle
Frauen im Land der Pferdelords hatten sich einst auf den Gebrauch von
Waffen verstanden und zu kämpfen gewusst. Wenn ihre Männer in den Krieg
geritten waren, waren es die Frauen gewesen, die ihre Familien und ihr
Eigentum geschützt hatten. Aber nach über dreißig Jahreswenden Frieden
hatten viele Frauen die alte Gewohnheit abgelegt, sich im Umgang mit
Waffen zu üben. Nicht jedoch Meowyn. Axt und Lanze waren nicht nach
ihrem Geschmack, doch sie verstand sich leidlich auf das Schwert und gut auf
Pfeil und Bogen. Im Schießen hatte sie schon manchen spielerischen
Wettstreit mit Balwin ausgetragen, und keiner von ihnen war sich am Ende
sicher gewesen, wer von ihnen beiden wohl der bessere Schütze war. Mit dem
Schwert allerdings brauchte sie nicht gegen ihren Mann anzutreten. Auch
wenn sie gute Reflexe ihr Eigen nannte, so besaß Balwin doch mehr
Schnelligkeit und Ausdauer, um die schwere Klinge über einen längeren
Zeitraum hinweg handhaben zu können.
Meowyn genoss es, wenn der Reitwind ihr langes blondes Haar auswehen
ließ und ihr Gesicht streichelte. Vergnügt trieb sie das Pferd und das
protestierend vor ihr blökende Wolltier an und trabte zur Herde zurück. Sie
tätschelte den Hals ihres Pferdes und sah sich in dem kleinen Tal um, das der
Herde als Weide diente. Noch zwei oder drei Tage, und sie würde die Herde
in das nächste Tal hinübertreiben müssen, damit sich der Graswuchs hier
erholen konnte. In dieser Region der Hochmark waren die Täler klein und
leicht zu überwachen, und hier wuchsen auch die schmackhaften Wildkräuter,
die die Wolltiere fraßen und die ihrem Fleisch den würzigen Geschmack
verliehen, den man in Eternas so schätzte. Balwins und Meowyns Tiere
brachten stets einen guten Preis.
Die blonde Frau griff in ihre Satteltasche und zog ein Stück Brot hervor,
das sie zerbrach und sich Stück