Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks. Michael Schenk
lasst uns eilen. Es bleibt noch lange genug hell, um das vordere Feuer zu
erreichen und danach wieder hierher zurückzukehren.«
Der lange dreieckige Wimpel, dessen grüne und weiße Farben an
Kormunds Lanze flatterten, schien etwas Tröstliches auszustrahlen, als die
fünf Männer der Schar sich unten im Pass formierten. Lukan ritt auf seinem
grobknochigen Wallach an der Spitze, die Axt schlagbereit, und zehn Längen
hinter ihm folgte Kormund, flankiert von den beiden anderen Pferdelords.
Abermals zehn Längen zurück folgte Parem, dem man seine Angst
zunehmend anzusehen begann. Ihre Sinne waren angespannt, und sie alle
fühlten sich unbehaglich und waren kampfbereit. Kormund fühlte Schweiß an
seiner Hand, mit der er den Griff des Schwertes umklammerte, und wischte
sie rasch an seinem grünen Umhang ab.
»Haltet euch bereit, Pferdelords«, wiederholte er immer wieder. »Achtet
auf die Ränder des Passes. Wenn uns Gefahr droht, wird sie von dort
kommen.«
Doch der Feind war offenbar um einiges trickreicher, als Kormund dies
bedacht hatte.
Sie hatten die lange Schlucht des Passes schon fast zur Hälfte durchquert,
als sich plötzlich der Boden vor ihnen zu bewegen begann. Selbst der
erfahrene Kämpfer Lukan wurde davon vollkommen überrascht.
Schemenhafte Gestalten erhoben sich, warfen dabei die mit Erde und Staub
bedeckten Decken der ermordeten Turmwachen von sich und stürzten
brüllend auf Lukan zu.
Auch dieser brüllte und schwang im Reflex seine Streitaxt im Kreisbogen
von der Schulter. Dunkles Blut spritzte, und ein bleicher Schädel löste sich
von den Schultern einer stämmigen Gestalt in schwarzer Rüstung. Für einen
kurzen Moment schien die kopflose Gestalt noch weiterzulaufen, bevor sie
schließlich haltlos vornüberfiel. Schon schwang die Axt Lukans herum und
traf die Rüstung eines anderen Gegners, rutschte jedoch ab, weil dieser sich
im gleichen Augenblick drehte. Lukans Pferd war ein erfahrenes Kampfross,
doch ebendies wurde seinem Reiter zum Verhängnis, denn der Wallach, der
merkte, dass der angegriffene Gegner unbeschadet geblieben war, stieg auf
und drehte dabei auf der Hinterhand, damit seine Vorderhufe mit
vernichtender Wucht treffen konnten. Lukan, noch immer von dem
unerwarteten Hinterhalt überrascht, reagierte etwas zu spät und verlor den
Halt. Mit einem wütenden Aufschrei stürzte er aus dem Sattel und entging
dabei nur knapp dem Schwertstreich eines dritten Angreifers.
»Orks«, schrie Kormund nun auf. »Es sind Orks, verdammte Brut.«
Instinktiv trieb er sein Pferd auf den Feind zu, und die anderen Reiter
folgten ihm ebenso instinktiv. Nur der junge Parem zögerte, doch dann folgte
auch er den anderen. Kormund spürte das Schwert in seiner linken Hand, und
es fühlte sich nicht richtig an. Sein altes Schwert war besser ausgewogen
gewesen, während das einfache, das er nun führte, zu jenen Dutzenden
gehörte, welche die Schmiede für den Fall gefertigt hatten, dass der
Pferdefürst die Wehrfähigen unvermittelt einberufen und bewaffnen musste.
Seine rechte Hand hielt die Lanze mit dem knatternden grünen Wimpel der
Pferdelords aufrecht, und das weiße Pferd darauf schien sich dem Feind
entgegenzustrecken. Neben ihm trieben die anderen Männer ihre Reittiere an
und legten die Waffen zum ersten Schlag an ihre Schultern. Die Schilde
schlugen im Takt gegen die Schenkel der Reiter. Würde es zum Kampf zu
Fuß kommen, würden die Männer die Schilde benutzen, doch beim Kampf zu
Pferd waren sie nur hinderlich. Man brauchte Kraft und Bewegungsfreiheit,
um vom Pferderücken aus zu kämpfen und Mann und Pferd zur tödlichen
Waffe werden zu lassen.
Kormund und die anderen Pferdelords hatten den gestürzten Lukan fast
erreicht, der sich schon wieder vom Boden erhob und dabei zugleich den
Schlag eines Angreifers mit der eigenen Klinge blockierte. Die Wucht des
Hiebes warf den rothaarigen Veteranen erneut auf den Rücken, doch er
konnte seine Klinge drehen und sie von unten in den Leib des Orks rammen.
Der Ork erstarrte, aufgespießt auf dem Schwert, und sein dunkelgrünes Blut
lief die Klinge entlang auf Lukans Hand zu. Dann stürzte die leblose Gestalt
vornüber. Erneut bewegte sich Lukan, drehte sein Schwert in dem toten
Kadaver, damit die Klinge freikam, und rollte sich zur Seite. Neben ihm stieß
eine Lanzenspitze in den Boden und prallte mit hellem Klingen auf einen
Stein, als ein paar Dutzend Längen hinter den ersten Angreifern weitere
dunkle Gestalten auftauchten und brüllend heranrannten.
Kormund wusste instinktiv, dass ihnen nur wenig Zeit bleiben würde, der
nun mehrfachen Übermacht zu entkommen. Er klemmte die Lanze mit dem
Wimpel zwischen Arm und Leib, hob sich leicht im Sattel und beugte sich
vor. Mit voller Wucht traf die Lanzenspitze die Rüstung eines Orks,
durchschlug sie mit hellem Ton und drang bis zum Wimpel in den Leib des
Feindes ein. Schon war Kormunds Pferd an dem Getroffenen vorbei, und
Kormund drehte unbewusst den Arm, befreite die Lanze, während er zugleich
mit dem linken Arm einen Schwertstreich gegen den nächsten Gegner führte.
Rechts und links von ihm befanden sich die anderen beiden Pferdelords, und
die Wucht ihrer Attacke trieb die überraschten Orks für einen Moment
auseinander.
Äxte, Schwerter und Lanzen prallten aufeinander, schlugen gegen
Rüstungen oder drangen in Leiber. Einer von Kormunds Männern wurde vom
Fanghaken eines orkischen Schlagschwertes getroffen und vom Pferd gezerrt.
Der aufbrüllende Pferdelord verschwand unter den Leibern mehrerer Feinde,
und Kormund selbst wurde zu stark bedrängt, um ihm Hilfe leisten zu
können. Er zog sein Pferd herum und sah den anderen Reiter an. »Zu Lukan«,
schrie er über das Getümmel des Kampfes hinweg, »und dann zurück.«
Der Reiter nickte,