Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich


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Lesepult, Briefmappe und Taschenbuch, die Spitzenhauben und Glacéhandschuhe, das kleine, reizende Dejeuner47 vom feinsten, gemalten Porzellan, das auf seinen Kannen und Tassen Landschaftsszenen aus Sidoniens Heimat trug, die reich verzierte Lampe, die niedlichen, gestickten Pantoffeln, und alle die anderen, unendlich geschmackvoll und elegant gewählten Sachen in der ärmlich wilden Hütte aus, die ihr graues Bretterdach über sie spannte. Sidonie saß mit gefalteten Händen still daneben und wagte kaum die Gegenstände zu berühren, während Olnitzki langsam ein Stück nach dem anderen in die Hand nahm, lächelnd herüber und hinüber drehte, und dann auf den zu dem Zweck abgeräumten Tisch hinstellte.

       «Hahahaha», brach er endlich in einem wilden, unnatürlichen Humor heraus, «wie die Burschen, unsere ungeschlachten Nachbarn, schauen sollen, wenn sie die wunderlichen ,fixins’ zum erstenmal sehen, wie sie staunen und sich den Kopf zerbrechen werden, zu was dies und das und jenes da bestimmt ist – hab’ ich’s doch selber fast vergessen», setzte er leise und unheimlich dabei lachend hinzu. «Und wie prächtig das Dejeuner zu dem alten Blechtopf paßt, und die Glacéhandschuhe hier zu d e n Fäusten; Schwägerin, Schwägerin, ich fürchte, Sie haben da viel Geld nutzlos verschwendet, und uns nur Illustrationen zu dem Bilde mitgebracht, wie Sie sich, trotz allen unseren Schilderungen vom Gegenteil, unser Wald- und Jägerleben hier eigentlich ausgemalt. Es fehlte jetzt nur noch ein Kronleuchter – erinnerst Du Dich noch, Sidonie, wie so ein Ding aussieht – um u n s e r e n Salon würdig zu schmücken.»

       «Aber Sie wollen doch nicht immer ein solches Leben fortführen, Olnitzki?» sagte Amalie mit vor Angst und innerer Aufregung fast erstickter Stimme. «Wenn auch I h r kräftiger Körper solche Entbehrungen leicht erträgt, sehen Sie dagegen, wie die Schwester hingewelkt – denken Sie sich das junge, lebenslustige, glückliche Weib, das sie aus ihrer Elternhaus mit sich hineinnahmen in die Welt, und sehen Sie j e t z t die arme Gattin an.»

       «Arme Gattin?» wiederholte Olnitzki, finster die Stirn runzelnd. «Das Weib soll dem Mann folgen in Glück und Leid, und wo sie z u s a m m e n tragen, hat sich, meiner Meinung nach, kein Teil zu beklagen.»

       «Aber Sidonie… » wollte Amalie erwidern, doch ein ängstlich flehender Blick der Frau hielt das Wort auf ihre Lippen gebannt, und Olnitzki, eine mit den Farben seines Vaterlandes gestickte Zigarrentasche in der Hand, saß lange in dumpfen Brüten darauf niederstarrend. – Aber der böse Geist wich von ihm; tief aufseufzend strich er sich mit der Hand die Falten von der Stirn, und die Tasche auf den Tisch zu den übrigen Sachen legend, sagte er mit freundlichem Ausdruck in den Zügen:

       «Nichts für ungut, Schwägerin, die verdammten Risse, die mir der Bär heute versetzt, brennen mich, morgen ist das vorüber. – Herzlichen Dank für alles das, was Sie uns so weit herübergebracht, es war ja so gut gemeint und wird Sidonie viele Freude machen; sie hängt doch wohl noch ein wenig an den alten Geschichten. Bereite der Schwester dann ihr Lager auf meinem Bett, Dony, ich lege mich hier zum Kamin – keine Umstände, Schwägerin», setzte er lachend hinzu, als er sah, daß sie dagegen protestieren wollte. «Sie kommen um nichts besser weg, denn es ist hart genug, und ich weiß wahrhaftig nicht, ob ich auf meinem alten Bärenfell hier dicht am Feuer nicht am Ende noch weicher und wärmer liegen werde, wie Sie da drüben. Jetzt aber gute Nacht, mir fängt der Kopf so wieder an zu schwindeln, und ich muß morgen früh hinaus, den Bär zum Haus zu holen, der noch draußen, eben nur aufgebrochen, im Walde liegt. So, mein Kind – das tut’s – das ist gut genug.» sagte er zur Frau, die ihm das Fell indes vor den Kamin gezogen und ein Kopfkissen mit einer wollenen Decke daraufgelegt hatte. «Das ist gut genug, nun laßt mich schlafen, und morgen früh soll uns die Schwägerin recht viel von zuhaus – von Deutschland erzählen.»

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NA 2 01

      DRITTES KAPITEL

      Der alte Herr Hamann.

       Das Kost- und Logierhaus (oder ,Boardinghaus’ nach dem amerikanisch-deutschen Ausdruck) in New Orleans, dessen Schenk- und Gastzimmer wir schon einmal besucht haben, war eins jener alten französischen Gebäude, welche von den ersten Ansiedlern der Stadt noch in einer Zeit errichtet wurden, wo der Platz selber, auf dem es stand, wenig Wert hatte, und nahm deshalb, für seine niedrige Dachung, einen unverhältnismäßig großen Flächenraum ein. Auch das darauf errichtete Haus sah verwittert und baufällig genug aus, mit den alten Hohlziegeln auf dem Dach und den ihres Kalkes an vielen Stellen beraubten Wänden, der halben, hölzernen Veranda oder Galerie vor der ersten Etage, und dem entschieden in sich zusammengeknickten Giebel. Der Eigentümer aber, ein schon einige zwanzig Jahre im Lande ansässiger Deutscher namens Hamann, wollte das alte Nest, trotz recht guten Geboten, die ihm darauf gemacht wurden, nicht verkaufen. Er behauptete jedesmal, wenn wieder dazu gedrängt, so lange e r lebe, halte es auch, ernähre ihn dabei gerade, und sei seit so langen Jahren nun eine Heimat ankommender Deutscher gewesen, daß es diese vermissen würden, wenn sie nach Amerika kämen, und das könne er nicht übers Herz bringen.

       Es war etwa drei Wochen nach der Landung der Haidschnucke in New Orleans, als der biedere Christoph Hamann in seiner eigenen Wohnstube oben saß, und emsig beschäftigt war, einen ziemlich ansehnlichen Koffer mit chirurgischen Instrumenten, der vor ihm im Zimmer stand, einzupacken und die auf dem Tisch umherliegenden Instrumente selber, wo sie hier und da etwas von Rost gelitten hatten, zu putzen und wieder herzustellen.

       An einem erhöhten Pult, neben dem nächsten Fenster, stand ein junger, vielleicht vierundzwanzigjähriger Mann, der Sohn des alten Hamann, in weißer Jacke und Hose, den breiträndigen Strohhut neben sich auf dem Stuhle, und notierte die einzelnen Gegenstände, die ihm der Vater, wie er sie in den Koffer legte, diktierte.

       «So», sagte der Alte, der mit dem Einpacken ziemlich fertig war, und eben noch ein Etui mit verschiedenen Messern und Lanzetten vom Tisch nahm und öffnete, «hier noch das Besteck mit – Donnerwetter, da sind eine ganze Menge Geschichten darin – mit einer Quantität Messer und Eisen und Feilen – was weiß ich, wie die Dinger alle heißen – warte einmal, wir können sie wenigstens zählen – fünf, acht, elf, fünfzehn, und hier noch vier sind neunzehn, und hier die drei kleinen Dinger sind zweiundzwanzig Stück. Das Leder außen sieht ebenfalls noch ganz wie neu aus – na, Du wirst schon sehen, was Du dafür bekommst.»

       «Vater, die eine Tasche ist fast so viel wert, wie Euch der Mann im Ganzen schuldig war», sagte der Sohn.

       «Was verstehst denn D u davon?» brummte der Alte mit einem mürrischen Seitenblick auf den jungen, schlanken Burschen, dessen gutmütig offene Züge tiefes Rot in diesem Augenblick färbte. «Bekümmere Du Dich da um Deine Schreiberei und misch’ Dich nicht in Sachen, die Dich nichts angehen und von denen Du keine Idee hast.»

       «Der Mann war bei mir und hat mir seine Not geklagt!» sagte Franz, der Sohn.

       «Not geklagt?» fuhr der Alte unwillig auf. «Der hat auch noch über Not zu klagen; erst liegt er bei mir hier fünf Wochen im Haus und ißt und trinkt, ohne einen Pfennig zu zahlen, nachher geb’ ich ihm noch Reisegeld und ein Gewehr, das mich selber fünfundsiebzig Dollars gekostet hat, und schicke ihn ins Innere, und nun soll ich auch noch seine Sachen wieder herausgeben und gar nichts haben, heh? – Und ist die Zeit, in der er es abholen mußte, nicht etwa schon seit acht Tagen verfallen? Hätt’ er mir v o r der Zeit gezahlt, was er mir schuldig war, so konnte er seinen Bettel, der mir überdies hier lange genug im Wege gestanden, ruhig wieder mit fortnehmen, ich wäre der Letzte gewesen, der ihn daran verhindert hätte – hab’ ich so vielen Deutschen fortgeholfen, würde ich den auch nicht haben sitzenlassen, aber jetzt ist die Zeit vorbei. Die ganze Sache ist ohnedies schriftlich abgemacht, und wenn er sich im Recht glaubt, soll er mich verklagen, Christoph Hamann ist nicht der Mann, der einer gerechten Sache aus dem Wege geht.»

       Der Sohn seufzte tief auf und begann wieder, ohne weiter etwas gegen den Vater zu äußern, an seiner Arbeit, bis ihn der alte Herr Hamann mit einer neuen Frage unterbrach:

       «Ist der Elsässer wieder dagewesen, wegen dem Land?»

       «Ja, gestern


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