Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich


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in den Bart murmelnd, und mit dem Kopfe dazu finster und unwillig schüttelnd.

       Draußen klopfte jemand leise an die Tür.

       «Herein!» rief der Alte barsch.

       «Herr Hamann zu sprechen?» rief eine freundliche Stimme.

       «Ah, Sie kommen mir gerade wie gerufen, Messerschmidt», rief ihm der Alte rasch entgegen, «sind Sie meinem Jungen begegnet?»

       «Herr Hamann junior waren eben so freundlich, mich auf der etwas dunklen Treppe beinahe über den Haufen zu rennen.»

       «Er ist verrückt, der Bengel!» rief der Vater.

       «Verliebt vielleicht», lächelte Herr Messerschmidt.

       «Gott bewahre; er will eine deutsche Kleinkinderbewahranstalt und ein Gratis-Einwanderungshaus gründen.»

       «Bah!» sagte Herr Messerschmidt. «Das ist eine Idee, die am besten durch dasselbe Mittel kuriert wird, das sie allein ins Leben rufen könnte.»

       «Und das wäre?»

       «Geld», sagte der Agent achselzuckend, «das ist die alte Geschichte, die nur immer von solchen vorgebracht wird, die gerade kein eigenes Geld zur Verfügung haben, um es darauf zu verwenden. Überweisen Sie Ihrem Herrn Sohn ein Vermögen, und er wird etwas Gescheiteres damit anfangen.»

       «Vermögen überweisen», brummte der Alte. «Sie reden ha hinaus, als ob ich zwei oder mehr zu vergeben hätte. – D a s ärgert mich ja gerade, daß der junge Laffe eben das ruinieren will, womit sich sein armer alter Vater das Brot verdienen muß. Unter dem Leib will er mir den Stuhl fortziehen und sein schmutziges Zwischendecksgesindel darauf setzen; es ist zum Verzweifeln!»

       «Unsinn», lächelte Herr Messerschmidt, «lassen Sie uns von etwas Vernünftigerem reden; das ist eine Idee, die in schönen, wohlklingenden Redensarten verraucht, und wenn Sie mir folgen, geben Sie ihm vollkommen Recht, muntern ihn noch dazu auf, etwas Derartiges zu beginnen, und versprechen ihm Ihre tätige Hilfe und Unterstützung.»

       «Daß ich ein Narr wäre!» rief der Alte. «Der Junge hielte mich beim Wort, und was das Schlimmste ist, er jagt mir schon jetzt die Kunden aus dem Haus hinaus, und wäre imstande, den eigenen Vater an den Pranger zu stellen.»

       «Das wäre allerdings fatal», sagte Herr Messerschmidt, die Augenbrauen in die Höhe ziehend und plötzlich ganz ernsthaft werdend, «wenn die Sache s o steht, bester Herr Nachbar, da möchte ich Ihnen denn doch raten, den Burschen lieber aus dem Haus zu tun und jemanden hineinzunehmen, auf den Sie sich sicher verlassen können. Ich selber würde… »

       «Ihnen meinen eigenen Sohn vorschlagen, he?» fiel ihm der Alte kurz und mit einem mißtrauischen Blick in die Rede. «Habe ich Recht oder nicht?»

       «Nun, der Junge hat Talent und guten Willen.»

       «Glaub ich», brummte der Alte, «aber mein eigen Fleisch und Blut steht mir näher, und ich werde den Jungen schon zur Raison bringen. Er m u ß mir gehorchen, oder – aber, hol’s der Teufel, wir wollen von ‘was anderem reden », unterbrach der sich plötzlich selbst, «kommen Sie wegen der Pfandgeschichte?»

       «Oh, Gott bewahre», lachte Herr Messerschmidt, «die Sache ist ganz einfach, der junge Bursche behauptet, die beiden goldenen Uhren bei Ihrem früheren Barkeeper, von dem er auch die Quittung hat, versetzt zu haben. Der ist jetzt fort, niemand weiß wohin, und ich habe ihm nun den guten Rat gegeben, einen Aufruf an ihn in dem New Orleans Advertiser51 abdrucken zu lassen; daß ihm nachher niemand darauf antwortet, versteht sich von selbst. Nein, lieber Hamann, ich wollte unsere kleine Speditionsabrechnung in Ordnung bringen – brauche gerade Geld, und muß vor dem neuen Jahr meine Kasse jedenfalls regulieren.»

       «Und wieviel macht’s im Ganzen?»

       «Hundertundsiebenundneunzig Dollars fünfzig Cents.»

       «Seit zwei Monaten?»

       «Ja, und einige Tage – Ihre Geschäfte sind brillant gegangen; hier ist übrigens auch die spezifizierte Note.»

       «Hm, hm», sagte Herr Hamann, das ihm überreichte Papier öffnend und langsam durchlesend, «da steht ja der Goldschmied mit zehn Dollars darauf, der nur acht Tage im Hause blieb und nicht einmal sein Boarding zahlte; was fällt Ihnen denn ein? – Den müssen Sie streichen.»

       «Er war gestern bei mir», sagte Herr Messerschmidt lächelnd, «und frug mich um Rat, wie er wohl wieder zu der Tuchnadel kommen könne, die wohl einige achtzig Dollars wert sein soll.»

      «Bah, Unsinn, der Quark war nachgemacht – fünfundsiebzig Cents hat mir der Jude dafür gegeben.»

       «Das hab’ ich ihm auch gesagt», schmunzelte der Agent, «und ihm sogar versichert, ich würde es im Notfall bezeugen können.»

       «Nichtsnutziges Gesindel», brummte Herr Hamann in gerechter Entrüstung über die Schlechtigkeit der Welt, erwähnte aber weiter nichts von den zehn Dollars. Der Agent beobachtete ihn indessen schweigend, während er las, und trommelte dabei auf dem Hut, den er zwischen den Knien hielt, einen Marsch.

       «Hier ist noch ein Posten, der nicht hierher gehört.»

       «Und?»

       «Die Oldenburger – ich bitte Sie um Gotteswillen, was schaffen Sie mir für Volk ins Haus! Drei Wochen füttere ich jetzt die ganze Gesellschaft, und habe ihnen heute Morgen, weil g a r nichts aus ihnen herauszukriegen ist, gekündigt. Wie kann ich Ihnen demnach zwei Dollars für den Kopf zahlen?»

       «Sie haben Recht, das wäre unbillig», sagte Herr Messerschmidt freundlich, «wir wollen es dann lieber so machen: ich zahle Ihnen den ,Boarding’ für die Leute, ziehe aber, was sie indessen an Arbeit im Hause geleistet haben, ab und bekomme dann ihr Gepäck solange überliefert.»

       Herr Hamann sah mit einem nichts weniger als freundlichen Blick nach ihm hinüber, faltete aber das Papier zusammen, hielt es ein paar Sekunden wie nachdenkend in der Hand und sagte dann kopfschüttelnd:

       «Das würde eine Menge Umstände und Rechnereien machen – da, gehen Sie an das Pult und schreiben Sie mir Ihre Quittung; ich hole Ihnen indessen das Geld.»

       «Alter Gauner», murmelte Herr Messerschmidt, dem Wirt aber unhörbar, freundlich zwischen den Zähnen durch, und ging mit einer höflichen Verbeugung zu dem Stehpult, um dem Verlangen Folge zu leisten. Wenige Minuten später war dies Geschäft zwischen den beiden Männern abgemacht. Wie Herr Messerschmidt das Geld gerade nachgezählt, die einzelnen Banknoten sehr genau betrachtet und dann in sein Taschenbuch gelegt hatte, klopfte es wieder an die Tür, und auf das mürrische «Herein!» des Hausherren drückte sich, ängstlich und verlegen, seinen Hut unter den Arm quetschend, der eine der Oldenburger ins Zimmer und blieb an der Tür stehen.

       «Nun, was soll’s?» sagte Herr Hamann, während Herr Messerschmidt aufstand, an das Fenster ging und hinaus auf die Straße sah.

       «Herr Wirt», sagte der Oldenburger mit bittendem Ausdruck in der Stimme, «Ihr Ausschenker hat uns vorhin gesagt, daß Sie uns nicht länger in Kost behalten wollen.»

       «Füttern wollen, meint Ihr wohl?» sagte Herr Hamann. «Wie komme ich dazu, ganze Schiffsladungen voll Menschen zu ernähren, ohne daß ich einen Pfennig Bezahlung bekäme?»

       «Wir wollen ja gern gehen», sagte der Mann, «und Ihnen später alles auf Heller und Pfennig bezahlen, aber er will uns unsere Koffer nicht mitgeben.»

       «Auch noch, nicht wahr? – Erst hier Gott weiß wie lange mit den ganzen Familien zehren, und dann auch noch mit Sack und Pack abziehen. Dumm seid Ihr nicht, das muß wahr sein, und blöde auch nicht.»

       «Wir wollten Ihnen ja gern den Wert der gehabten Kost in Sachen zurücklassen, wenn wir nur das Übrige mit fortnehmen dürfen. Wir können doch nicht s o in die Welt hineinziehen?»

       «Das geht mich nichts an», entgegnete mürrisch der Wirt, «ich habe hier keinen Handel mit alten Kleidern, sondern ein Gasthaus, in dem ich für jedes Pfund Fleisch, was ich haben will, bar mit meinem


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