Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich


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wir nichts wissen, aber nicht einen Pfennig für die Arbeit abgerechnet, die wir in der Zeit für Sie getan, und die Frauen haben doch Woche ein, Woche aus gewaschen, und wir selber all’ Ihr Holz gespalten und gesägt, Ihren Mist gefahren, Ihre Kartoffeln ausgemacht im Feld und hereingeschafft.»

       «Die Arbeitstage sind Euch nicht mit aufgeschrieben», sagte Herr Hamann.

       «Nein, das ist wahr, aber auch nichts dafür zugute, lieber Gott, wir haben uns unsere Kleider dabei heruntergerissen und tüchtig zugegriffen, das wissen Sie selber am besten.»

       «Mein Essen war auch nicht schlecht, und bei den teuren Zeiten könnt’ ich’s vor meinen Kindern nicht verantworten, wenn ich andere Leute umsonst fütterte, warum sucht Ihr Euch keine feste Arbeit?»

       «Lieber, guter Gott», sagte der Mann, «dort der Herr, der am Fenster steht, kann Ihnen darauf die beste Antwort geben. Hat er uns nicht von Woche zu Woche hingehalten und immer und immer versprochen, und immer nichts gebracht?»

       «Naja, nun macht m i r auch noch Vorwürfe, daß ich mir Euretwegen die Schuhsohlen abgelaufen, ohne einen roten Dreier dafür zu haben!» rief Herr Messerschmidt, sich rasch und ärgerlich nach dem Mann umdrehend. «Kann i c h die Leute z w i n g e n , Euch Arbeit zu geben, oder habe ich mich überhaupt dazu verpflichtet?»

       «Nichts für ungut», bat der arme Teufel kleinlaut, «es war ja gar nicht so bös gemeint, und ich habe es nur erwähnt, um dem Herrn da zu beweisen, daß wir ja alles tun wollten, was eben nur in unseren Kräften stand.»

       «Gut, ich will Euch was sagen», rief Herr Hamann nach einer kleinen Pause, in der er wie überlegend vor sich niedergesehen, «da es Euch doch zu viel Schererei machen würde, die Frauen mitzunehmen, wenn Ihr Arbeit suchen geht, so mögen die beiden Frauen mit den beiden Kindern hier bei mir im Hause bleiben und für ihre Kost die Wäsche besorgen, bis Ihr wiederkommt. Seid Ihr das zufrieden?»

       «Aber würden Sie ihnen denn nicht wenigstens einen kleinen, nur ganz geringen Lohn aussetzen?» bat der Mann. «Damit wir… »

       «Nun ja, reicht dem Volk einen Finger und sie greifen nach der ganzen Hand!» rief Herr Hamann, sich entrüstet gegen den Agenten wendend. «Geht zum Teufel mit Eurer ganzen Sippschaft, ich will meinem Gott danken, wenn ich Euch alle los bin!»

       «Aber s o war es ja gar nicht gemeint», sagte der Mann schüchtern, «wir sehen ja ein, daß Sie Not und Mühe genug mit uns gehabt haben, und die Frauen nur aus Gefälligkeit hier so lange im Hause lassen wollen – nichts für Ungut. Wir anderen wollen dann unser Möglichstes tun und, finden wir nur Arbeit, gewiß unsere Schuld bald abtragen. Etwas Wäsche dürfen wir uns doch aus unseren Koffern nehmen, nicht wahr, Herr Hamann?»

       «Ja, meinetwegen, der Barkeeper soll Euch das nachher herausgeben; jetzt macht aber, daß Ihr fortkommt, ich habe mehr zu tun, und wenn der Barkeeper Zeit hat, soll er einmal einen Augenblick heraufkommen.»

       Der arme Teufel von Bauer dankte dem Mann auf das Herzlichste, und würde ihm gern die Hand zum Abschied in aller Freundschaft gereicht haben, wenn er sich’s eben getraut hätte. So verbeugte er sich nur gegen die beiden Männer, die seiner gar nicht achteten, und zog die Tür hinter sich ins Schloß, die aber gleich darauf wieder, und zwar rascher als vorher, aufflog.

       Unwillig sah Herr Hamann dorthin, um eine nochmalige Störung der Bauern mit Entrüstung zurückzuweisen, als er in das rote, halb spöttische, halb kecke Gesicht eines seiner irischen Boarders schaute, der ihm ganz respektswidrig vertraulich zunickte, die Tür hinter sich zumachte und dann auf Herrn Hamann zuging.

       «Nun, was soll’s, Patrick? – Was habt Ihr hier oben zu suchen?» rief ihm der Wirt, mit der Nähe des stets halbtrunkenen Burschen eben nicht recht zufrieden, mürrisch entgegen. «Weshalb hat Euch der Barkeeper hier heraufgelassen?»

       «Konnt’s eben nicht verhindern, mein Herzchen», sagte Patrick lachend, «denn wie er mir in den Weg treten wollte, legte ich ihn ganz sanft – ich habe dem süßen Burschen nicht ein bißchen weh getan – unter den Schenktisch.»

       «Was wollt Ihr denn da von m i r ? » rief Herr Hamann bestürzt aus. «Was habt Ihr vor, daß Ihr mit Gewalt hier zu mir heraufbrecht und meine Leute mißhandelt?»

       «Frieden, bei Jäsus, mein Herzchen», beschwichtigte ihn der rauflustige Ire, «nichts honey, wie eine kleine Abrechnung zwischen uns beiden, von denen jeder glaubt, daß der andere in seiner Schuld ist.»

       «Ich in Deiner Schuld, Patrick?» rief Herr Hamann rasch und erstaunt aus. «Wohl deshalb, weil Du beinahe drei Wochen bei mir gegessen und getrunken hast?»

       «An der Bar ist jeder Schluck bei Cent und halbem Cent bezahlt», beteuerte der Ire.

       «Aber das Essen, wer hat das berichtigt?»

       «Hab ich Euch nicht den Graben um den Hof gezogen?»

       «Den Graben?» rief Herr Hamann verächtlich. «Du hast Dich drei volle Tage, das heißt die Stunden abgerechnet, die Du dabei im Schenkzimmer gesessen, mit dem kleinen Graben… »

       «Über Mittag, Herzchen.»

       «Nun ja, das wollen wir nicht untersuchen – drei volle Tage mit dem kleinen Graben herumgeschlagen, den ein tüchtiger Arbeiter in e i n e m Tage beendigen würde. Doch bin ich willens, Dir selbst d a s zu vergüten.»

       «Nun ja, honey, da sind wir ja schon in Ordnung», lachte der Ire. «Dein Holzkopf von Barkeeper hätte mir mein Bündel gleich herausgeben und sich selber eine Unannehmlichkeit ersparen können.»

       «Wenn Du den Rest herauszahlst.»

       «Welchen Rest?»

       «Der mir noch zugute kommt.»

       «Verdammt der Cent, den Ihr da noch kriegt», lachte der Ire. «Drei Tage Arbeit, pro Tag zwei Dollars, sind sechs Dollars… »

       «Drei Tage und zwei Dollars den Tag? – Ihr seid verrückt!»

       «Never mind,52 immer noch genug bei Verstand, um meinen eigenen Vorteil wahrzunehmen», spottete der Ire. «Macht also sechs Dollars, zwei und eine halbe Woche für drei Dollars geboardet, bleiben anderthalb Dollars Rest, die ich dem Fischkopf von Barkeeper unten auf den Schenktisch gezählt habe und die der Töffel nicht nehmen wollte. Natürlich steckt’ ich sie wieder ein, und nun kann er sehen, wie er sie zum zweitenmal aus Patricks Tasche kriegt.»

       «Ihr könnt Eure Sachen nicht eher bekommen, bis Ihr Eure Rechnung bezahlt habt», mischte sich in diesem Augenblick Herr Messerschmidt ins Gespräch, wünschte aber auch gleich darauf, gar nichts gesagt zu haben, denn der Ire, durch den Streit unten und ein paar Gläser Whisky erhitzt, fuhr jetzt dermaßen gegen ihn an und drohte ihm, bei der geringsten Silbe, die e r, den die Sache auf der Welt nichts anginge, wieder hineinwürfe, mit einer so unangemessenen Anzahl Hiebe, daß sich der feige Bursche schon langsam nach der Tür zurückziehen wollte. Doch auch hieran wurde er von dem aufmerksamen Iren verhindert, der nicht mit Unrecht fürchtete, der Agent würde dann unten vielleicht Lärm machen und einen Constabler herbeiholen. Den beiden Männern aber erklärte er jetzt, daß er ihnen alles, was ihm Zimmer stände, kurz und klein schlagen und ihre eigenen beiden erbärmlichen Kadaver noch dazu vor sich her die Treppe hinuntertreten wolle, wenn ihm nicht augenblicklich sein Bündel Wäsche ausgeliefert würde.

       Hamann und Messerschmidt, obgleich der Letztere von derber, untersetzter Statur war, getrauten sich nicht, den Burschen zum Ärgsten zu treiben, und Hamann besonders sagte schnell und höflich:

       «Aber so machen Sie doch nur nicht solch’ einen Lärm, bester Herr Patrick – wenn Sie Ihre Arbeit für so viel wert halten, habe ich auch nicht das Mindeste dagegen – lassen Sie sich nur unten Ihr Bündel geben.»

       «Natürlich», sagte Patrick, der seinen Vorteil rasch übersah, lachend. «Alles in Ordnung, Mr. Hamann – geht wie geschmiert, bitte dann nur um die Quittung für bezahlte Kost.»

       Hamann wollte sich noch weigern, etwas Schriftliches zu geben; er sah aber auch bald, daß er den Burschen nicht anders los würde, und schrieb ihm rasch ein


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