Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
Nachtlager
aufschlagen.« Der Pferdelord am Wagen sah Garwin eindringlich an. »Wir
werden einen Viertel Zehnteltag benötigen, um das Rad zu wechseln, Hoher
Herr Garwin.«
»Ich habe nicht um Eure Meinung gebeten«, wies Garwin den Mann
zurecht. »Sollte ich Euren Rat benötigen, Schwertmann, dann werde ich es
Euch wissen lassen. Und jetzt beeilt Euch gefälligst, Ihr Händlergehilfen.
Meine Schwertmänner werden mit anpacken, dann geht es schneller.«
Garwin zog sein Pferd herum, und der Wimpelträger und seine Begleiter
folgten ihm, als er zur Spitze der Kolonne zurückritt.
Einer der Gehilfen spuckte aus. »Er hat einen sehr begrenzten Wortschatz,
der Hohe Herr Garwin. Immer nur ›Eilt Euch‹ und ›Schnell‹. Ich habe auf der
ganzen Reise kaum ein freundliches Wort von ihm vernommen. Dabei sind
wir gut vorangekommen und weit vor der Zeit.« Erneut spuckte er, doch
diesmal in die Hände. »Nun denn, lasst uns den Wagen neu berädern.«
»Wir sollten ihn zuvor entladen«, sagte ein anderer. »Dieser wertlose
Plunder wiegt schwer.«
»Willst du ihn erst mühsam abladen und dann wieder aufladen?« Ein
Dritter ging zu dem hinter ihnen wartenden Wagen und kam mit einem
massiven Balken zurück. »Damit heben wir ihn an. Ist ja nicht das erste Mal,
dass ein Rad zerbricht.«
»Und bei der Eile des Hohen Herrn wird es auch nicht das letzte gewesen
sein.« Der Pferdelord schob den Hebel unter den Wagenkasten und prüfte das
Gewicht. »Wenn es so weitergeht, werden uns die Ersatzräder ausgehen. Zwei
Mann noch zu mir, dann können wir den Wagen hochdrücken.«
Helderim fächelte seiner Gunwyn noch immer Luft zu und blickte dabei
trübselig an der Kolonne entlang. Mehrere Hundertlängen maß die Schlange
der Transportwagen, die berittenen Schwertmänner der Vor- und Nachhut
nicht eingerechnet. Dreißig Wagen hatte Helderim aufgeboten, um den
Transport des Goldes durchführen zu können, und einige der Fahrzeuge hatte
er sich ausleihen müssen. Das würde ihn einiges kosten, aber Helderim
versprach sich ein gutes Geschäft davon, denn Garodem hatte ihm eine
Menge Schüsselchen für den Transport des wertlosen Weichmetalls in
Aussicht gestellt. Als Händler war es ihm wohl bewusst, dass sich die
Bedeutung des Goldes wandelte. Auch wenn die meisten Angehörigen des
Pferdevolkes es immer noch für wertlos hielten, würde sich dies bald ändern.
Die goldenen Schüsselchen waren offizielles Zahlungsmittel im Reich Alnoa
und weitaus praktischer als die Umrechnung einer Ware in den Wert einer
anderen. Früher oder später würde auch der König des Pferdevolkes seine
eigenen Schüsselchen schlagen, und dann würde das weiche Metall an
Bedeutung gewinnen.
Doch er war sich nicht sicher, ob sein Entschluss, diese Handelsreise
durchzuführen, richtig gewesen war, denn bislang war sie nur
unverhältnismäßig strapaziös gewesen.
Helderims Wohlstand zeigte sich in seinen reich verzierten Gewändern und
war begründet in seinem Handel. Längst war der schmächtige und rührige
Mann über das Stadium hinaus, in dem er sich mit seinem Geschäft auf
Eternas, die Hauptstadt der Hochmark, beschränkte. Er selbst hätte sich
durchaus damit begnügt, weiterhin seinen kleinen Laden zu führen und
ehrlichen Handel mit den Bewohnern der Stadt und ihren Besuchern zu
treiben. Aber seine Frau, die gute und voluminöse Seele, hatte es verstanden,
ihm die Vorzüge der Handelsreisen nahezubringen.
»Helderim, mein Guter und Bester«, so pflegte Gunwyn dann mit
Nachdruck zu sagen, »dein Name hat Klang in den Marken des Pferdevolkes.
Deine Vergrößerungssteine, die schwachen Augen zu starkem Sehen
verhelfen, und die Qualität deiner Waren haben sich herumgesprochen.
Zudem bist du ein Held, denn schließlich hast du einst den König Reyodem
vor einem mörderischen Grauen Wesen gerettet. Willst du denn, dass ich,
dein aufopferndes und dich liebendes Weib, mich den ganzen Tag in unserem
kleinen Laden quäle? Viele Händler kommen in die Hochmark, und du musst
nehmen, was sie dir bieten. Warum gehst du nicht hinaus in die Marken und
treibst dort selber Handel? Sieh nur, wie schäbig unser Laden ist, der deinem
Namen nicht gerecht wird. Zudem wäre es schön, einmal etwas anderes zu
sehen als immer nur die engen Gassen von Eternas.«
Aber Helderim war sich dennoch nicht sicher gewesen, ob er sich wirklich
persönlich auf die lange Reise begeben sollte, aber nachdem sein holdes Weib
immer öfter über Kopfschmerzen klagte und dies auf die Gebirgsluft der
Hochmark zurückführte, besann er sich auf seine fürsorgliche Pflicht ihr
gegenüber. Nun würde er froh sein, wenn diese Reise überstanden war, und
ihm grauste es bei der Vorstellung, dass noch weitere Transporte folgen
sollten.
»Helderim, mein Guter und Bester, du musst diesem Hohen Herrn Garwin
sagen, dass ich arg gelitten habe und eine Rast benötige«, meldete sich
Gunwyn zu Wort, während die Männer den Wagen aufrichteten, das zerstörte
Rad von der Vorderachse zogen und hastig das neue aufsetzten. »Oder sprich
besser mit dem guten Herrn Nedeam. Nein, doch eher mit Dorkemunt, der hat
mehr Verständnis für meine Gebrechen als dieser Grobian Garwin.«
»Der Hohe Herr Garwin führt die Eskorte«, seufzte Helderim
entsagungsvoll. »So wurde es von unserem Pferdefürsten bestimmt. Die guten
Herren Nedeam und Dorkemunt reiten nur als einfache Pferdelords mit.«
»Ein Fehler, Helderim, mein Guter und Bester, ein arger Fehler, wenn du
mich fragst.« Gunwyn drehte sich und stützte sich auf, um sich dann ächzend
zu erheben. »Er ist kein feinfühliger Mensch, dieser Garwin, ganz gewiss
nicht.«
»Man munkelt, er solle an