Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
Scheibenräder den Platten zugesetzt. Erst in den letzten Jahren
waren die neuen Speichenräder aufgekommen. Sie waren leichter als die
Scheibenräder und zugleich stabiler, was es den Händlern erlaubte, größere
Lasten mitzuführen. Aber jeder Belastbarkeit waren Grenzen gesetzt, und an
eine dieser Grenzen stieß nun das Rad von Helderims Wagen.
Die Steinplatte stand nur ein kleines Stück hervor, aber das rechte
Vorderrad des Frachtwagens traf die Kante sehr unglücklich. Ein heftiger
Schlag ging durch das Fahrzeug, zerbrach den Eisenreifen, der als Schutz um
das Rad gezogen war, und ließ das Holz zersplittern. Mit einem Ruck sackte
der Wagen auf dieser Seite ein. Helderim wurde in weitem Bogen vom Bock
geschleudert und landete unsanft auf dem Boden, während das Fahrzeug
schleifend und knirschend noch ein Stück die Straße entlanggezerrt wurde, bis
ein Begleiter zu Hilfe kam und den Zugtieren in die Zügel fiel.
»Bei den Finsteren Abgründen«, fluchte ein Reiter im grünen Umhang und
mit dem Rosshaarschweif der Schwertmänner am Helm, bevor er rasch aus
dem Sattel stieg, um sich nach Helderim zu bücken. »Ist Euch etwas
geschehen, guter Herr Helderim?«
»Ihm geht es gut«, erklang eine unwirsche Stimme aus dem Inneren des
Wagens. »Seht lieber nach mir, Schwertmann. Ich habe sehr gelitten.«
Entlang der langen Kolonne erschollen Rufe und Flüche, bis schließlich
der gesamte Tross zögernd zum Stehen kam. Weitere Männer eilten herbei
und sahen eine Bewegung hinter der Plane aus dunklem Leinen, die den Blick
ins Wageninnere verdeckte.
»Warte, Gunwyn, meine Liebe«, ächzte der schmächtige Händler, »ich bin
sofort bei dir.«
Er schüttelte dankend die Hand des Pferdelords ab und humpelte mit
schmerzverzerrtem Gesicht zum Wagen zurück. Sein kostbar besticktes
Wams war aufgerissen, ebenso wie seine Hose, und auch seine Hände waren
abgeschürft, doch schien er dafür keinen Blick zu haben, als er sich halb auf
den schräg stehenden Wagen zog und besorgt die Plane zur Seite schob. »Ich
bin schon da, Gunwyn, meine Liebe, ich bin schon da.«
Helderim war in aufrichtiger Sorge, als auf seinen Ruf hin zwischen dem
Stoff zwei zierliche Füße erschienen, die hilflos in der Luft strampelten und
dabei Stück für Stück zwei beeindruckend voluminöse Waden zutage
förderten. »Warte, Gunwyn, meine Teuerste und Beste«, keuchte der Händler
angestrengt, »ich helfe dir.«
Der abgesessene Pferdelord sah die Umstehenden auffordernd an. »Helft
dem guten Herrn. Manche Last lässt sich nur gemeinsam bewältigen.«
Hände langten zu, und der Wagen wankte ein wenig, während drei oder
vier Männer sich bemühten, dem Händler zu helfen, und andere die Zugtiere
ausspannten. Der Staub, der über der Kolonne gehangen hatte und ihr wie ein
Schleier gefolgt war, begann sich langsam zu senken, als von vorne eine
Gruppe Reiter heranpreschte. Über ihren Köpfen flatterte der Wimpel eines
Beritts, auf dem das Symbol der Schwertmänner von Eternas prangte.
»Was ist denn nun schon wieder los?«, stieß Garwin erregt hervor, als er
sein Pferd neben dem Wagen zügelte. »Wieso geht es denn nicht …? Ah,
verdammt!« Er überblickte die Situation und stützte sich, leicht vorgebeugt,
auf sein Sattelhorn. »Bei allen Abgründen der Finsternis, das ist jetzt schon
das vierte Mal, dass eines dieser verfluchten Räder zerbricht!«
Helderim hatte endlich die Hand seines geliebten Weibes ertastet und
zerrte, unterstützt von den anderen Männern, mit Kräften daran, um seine
Gunwyn aus ihrer misslichen Lage zu befreien. »Es ist nicht meine Schuld,
Hoher Herr Garwin, ganz gewiss nicht. Die Straße ist schlecht und die Wagen
sind schwer beladen … Für eine solche Last wurden sie nicht gebaut!«
»Helderim?!« Der Aufschrei endete in einem grimmigen Fluch, als
Helderims Weib erneut den Halt verlor und in den Wagen zurücksackte.
Der Händler sah Garwin Hilfe suchend an. »Seht es mir nach, Hoher Herr,
aber …«
»Schon gut, schon gut«, knurrte Garwin und ließ sich zurücksinken.
»Kümmert Euch um Euer Weib.« Er sah die Umstehenden an. »Und ihr
kümmert euch gefälligst darum, dass wir bald weiterkönnen. Zieht ein neues
Rad auf, verdammt. Wir haben schon genug Zeit verloren.«
Ein anderer Pferdelord sah grinsend auf den Frachtwagen. »Dazu muss der
Wagen erst leichter werden.«
Garwin sah den Mann wütend an. »Dann helft gefälligst dabei und grinst
nicht so dämlich, guter Herr! Umso schneller kommen wir weiter.«
Das Gesicht des Schwertmanns verzog sich ärgerlich. Zunächst schien er
eine scharfe Erwiderung geben zu wollen, aber dann wandte er sich zur Seite,
spuckte aus und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Wortlos trat er an den Wagen
heran. Mit vereinten Kräften gelang es, Gunwyn über den Kutschbock
hinwegzuhelfen, sodass sie sich schließlich erschöpft an den Straßenrand
sinken lassen konnte. Besorgt fächelte ihr Helderim frische Luft zu.
Garwin neigte sich im Sattel. »Während der gute Herr Helderim sein Weib
versorgt, könnt Ihr den Wagen richten, Männer. Und beeilt Euch, wir haben
noch einen Zehnteltag Wegstrecke vor uns.«
Einige der Männer stöhnten auf, während andere nur kaum vernehmlich
murrten.
»Wozu diese Eile, Hoher Herr?«, wandte ein Händlergehilfe ein. »Die
Tiere brauchen ohnehin eine Rast, und wir können sie ebenso gebrauchen.
Der gute Herr Nedeam sagte uns, wir lägen gut in der Zeit.«
»So, sagt er das, der gute Herr Nedeam?«
»Ja, Hoher Herr, das sagt er.« Der Händlergehilfe war nicht bereit, vor
dem Sohn des Pferdefürsten