Eine Partie Monopolygamie. Kolja Menning
haben.
»Oder du suchst dir einfach einen reichen Mann«, schlägt Melanie vor.
So wie sie ihren Anton.
»Klar, mit meinen drei Kindern.«
»Clara, es mag utopisch sein, auf einen Märchenprinzen zu warten, da hast du sicher recht. Aber ein Mann Anfang fünfzig? Noch gut in Form, geschieden, entweder kinderlos oder mit erwachsenen Kindern? Glaub mir, Clara, der Markt an solchen Männern ist groß – und für so einen Mann bist du der Hauptgewinn!«
»Du meinst, ich soll mich prostituieren?«, frage ich und weiß im selben Augenblick, dass ich das nicht hätte sagen sollen. Melanie beschreibt nur ihr momentanes Erfolgsmodell.
»Entschuldige«, füge ich schnell hinzu. »Ich weiß, dass du nur das Beste für mich willst. Es ist nur ... ich würde mir wie eine Prostituierte vorkommen, wenn ich finanzielle Hintergedanken dabei hätte.«
Wir schweigen einen Moment. Ich mache Tee und setze mich schließlich wieder zu Melanie.
»Erzähl mir lieber noch ein bisschen von deinem Wochenende«, sage ich. »Es wird mir guttun, mehr davon zu hören.«
Später, als die Kinder schlafen, lege ich mich zu ihnen, obwohl nicht Freitag ist. Ich hoffe, dass sie mir im Schlaf verzeihen, dass ich das ganze Wochenende nicht besonders nett zu ihnen war. Ich tue es auch für mich. Ich habe keine Lust, allein in meinem Bett zu liegen. Bevor ich einschlafe, überlege ich, ob Melanie vielleicht recht hat. Vielleicht würde mir ein neuer Mann in meinem Leben guttun. Doch ich wüsste noch nicht einmal, wie ich es anstellen sollte, jemanden kennenzulernen. Meine Tage sind voll, abends bin ich müde und habe die Kinder. Außerdem habe ich Angst davor, verletzt und wieder im Stich gelassen zu werden. Schon bevor Guillaume sich aus unserem Leben verabschiedet hat, war unsere Beziehung nicht mehr gut. Mit Liebe hatte das nicht mehr viel zu tun. Nur Gewohnheit. Und wenn wir hin und wieder mal miteinander geschlafen haben, ging es um die Befriedigung unserer menschlichen Bedürfnisse – nicht um ein gegenseitiges unwiderstehliches Begehren. Als Guillaume nicht mehr da war, war auch viel Stress fort – dennoch war die Erfahrung, mit zwei Kindern und schwanger im Stich gelassen zu werden, traumatisch.
Aber du hast es überlebt, du bist Gwenael, Désirée und Emil eine akzeptable Mutter und es geht vielen Leuten schlechter, versuche ich, mich aufzumuntern.
Melanies Vorschlag, ich solle mir einen neuen Mann suchen, mag unpassend für mich sein. Aber vielleicht hat sie in anderer Hinsicht recht: Fair^Made war mein erstes Interview seit Jahren. Ich sollte nicht sofort aufgeben.
Vorsichtig befreie ich mich von Désirées Arm, den sie im Schlaf über mich gelegt hat, und stehe auf. Im Wohnzimmer mache ich zehn Minuten Yoga, um wieder wach zu werden. Dann gehe ich in mein Schlafzimmer, starte Guillaumes alten Computer, der glücklicherweise immer noch funktioniert und verbringe die nächsten zwei Stunden damit, nach Stellen zu suchen, bei denen ich von meinen journalistischen Fähigkeiten profitieren kann und die der Beschreibung nach in mein Leben passen könnten. Und ab morgen werde ich jeden Abend eine Bewerbung verschicken.
Kapitel 6
Als ich gerade seit zwei Stunden bei den Kramers putze, werde ich durch das Klingeln meines Smartphones unterbrochen.
Unbekannter Teilnehmer, kündigt das Display an.
»Clara Nussbaum«, melde ich mich.
»Guten Morgen Clara, hier spricht Viktoria König.«
Mein Herz setzt einen Schlag aus.
»Guten Morgen Frau ... ähm ... Viktoria«, entgegne ich und spüre, wie nach dem ausgesetzten Schlag mein Herz nun wie verrückt rast.
»Clara, es tut mir sehr leid, dass wir Sie am Freitag nicht angerufen haben; ich habe am Donnerstagabend etwas gegessen, das mir nicht bekommen ist ... Ich sollte Ihnen die Details ersparen.«
»Geht es Ihnen besser?«, frage ich.
»Ja, danke. Clara, weswegen ich anrufe ...«
»Ja?«
»Wir würden Ihnen gern ein Angebot machen.«
Waaaas???, schreie ich innerlich.
»Ich hoffe, Sie haben sich noch nicht für eine andere Stelle entschieden?«, fährt Viktoria fort. Und als ich weiterhin nichts sage, fügt sie hinzu: »Clara, sind Sie noch da?«
»Nein, nein! Ich meine, ja!«, sprudelt es aus mir heraus, und mir ist klar, dass ihr das ganz und gar unprofessionell vorkommen muss. »Verzeihen Sie, Viktoria. Ja, ich bin noch da. Das haben Sie wohl schon gemerkt. Nein, ich habe noch keine andere Stelle angenommen.«
Welche auch?
»Gut«, sagt sie. Ich glaube fast, sie ist erleichtert. »Und Sie wollen weiterhin bei Fair^Made arbeiten?«
»Selbstverständlich!«
»Dann bleiben nur noch ein paar Formalitäten. Wann könnten Sie anfangen? Ich will keinen Druck auf Sie ausüben, wir brauchen nur ein Datum, das wir in den Vertrag schreiben können, den wir Ihnen dann umgehend zuschicken würden.«
»Nächste Woche?«, schlage ich vor, ohne mir wirklich Gedanken zu machen, wie ich das einrichten soll.
»Großartig!«, freut sich Viktoria. »Ich sage meinen Kollegen in der Personalabteilung Bescheid, dass sie Ihnen sofort den Vertragsentwurf per E-Mail zuschicken sollen. Melden Sie sich, falls irgendetwas nicht in Ordnung ist. Das Original bekommen Sie in ein paar Tagen mit der Post.«
»Danke.«
»Wir freuen uns auf Sie«, sagt Viktoria. »Und falls Sie in der Zwischenzeit noch irgendwelche Fragen haben, haben Sie meine Nummer.«
Kaum haben wir das Gespräch beendet, erhalte ich tatsächlich eine E-Mail von einer gewissen Valentina Alonso, die schon den Bewerbungsprozess betreut hatte.
Von: [email protected]
Betreff: Your preliminary employment contract
Dear Clara,
We are excited to welcome you to the Fair^Made team!
Attached you’ll find the draft of your employment contract. Please go through it and let me know if anything is unclear or if you have any questions.
As soon as I have your reply, I’ll put the original in the mail which you need to sign and return to me.
Kind regards
Valentina
Valentina Alonso
Human Resources & Talent Management
Fair^Made GmbH
Disclaimer: The content of this email is confidential and intended for the addressee only. In the case of abuse or inappropriate distribution, Fair^Made may take legal actions against the abusing party.
If possible, don’t print this email and save trees.
Mit zitternden Fingern öffne ich die angehängte PDF-Datei. Der Vertragsentwurf ist in Deutsch und Englisch verfasst. Ich muss zoomen, um den Text entziffern zu können. Nervös lese ich, und die Kernpunkte brennen sich in mein Gehirn. Positionstitel: Executive Assistant. Team: Marketing. Arbeitszeit: vierzig Stunden pro Woche. Dreißig Tage bezahlter Urlaub. Probezeit