Königin der Spiegelkrieger. Werner Karl

Königin der Spiegelkrieger - Werner Karl


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das milde Wetter und die ruhige See vermögen es nicht, dir auch nur einen Hauch an Zufriedenheit abzutrotzen«, sagte Ulpius Marcellus, als er an seinen Untergebenen herantrat. Er legte beide Hände auf die Reling und folgte der Blickrichtung seines Praefectus Classis.

      »Es ist nicht die Aufgabe, die vor uns steht, Herr«, antwortete dieser, ohne sich ihm zuzuwenden »die mich genauso trübe über die Wellen blicken lässt, wie diese Wolken dort oben auf uns herabschauen. Es ist der Ausblick auf die vielen Jahre, die noch vor mir - und auch dir - liegen, bis wir wieder in der Heimat die Wärme der Sonne und die unserer Frauen genießen können.«

      Nun zwang er sich doch ein winziges Lächeln ab und auch Ulpius Marcellus, neuer Statthalter Roms in Britannia, verzog halb belustigt, halb bedauernd den Mund.

      Ulpius runzelte die Stirn und versuchte, in dem Einheitsgrau des Himmels einen blassen Fleck zu entdecken, der die Sonne sein könnte. Aber er fand ihn nicht.

      »Irgendetwas stimmt mit diesem Land nicht, mein Freund«, sagte er und hoffte, dass seine Bezeichnung für Sidonius auch zutraf. Wenn Ulpius Marcellus an Rom und seine anderen Offiziere in dieser Flotte dachte, hatte er hier mehr als nur vage Bedenken. Keiner der höheren Mannschaftsgrade und etliche der Offiziere scheuten sich, ihr Missfallen für diese Mission mit Gesten und auch Worten kundzutun. Gereizte Wortgefechte waren noch die geringsten Auswirkungen der Stimmung auf allen Schiffen. Sie waren tagelang an der Südküste Britannias entlanggerudert. Jetzt, wo sie in die skotische See einfuhren, nutzten sie jeden Wind und jede Strömung, die sie ihrem Ziel so rasch entgegenbringen sollte, wie es nur ging.

      Die vorherrschende Meinung war, den verdammten Aufständischen und den penetrant resistenten Picten an deren Westküste in den Rücken zu fallen, sie niederzumachen und dann nach Hause zurückzukehren. All jenen, die diesen romantischen Vorstellungen nachhingen, war nicht bewusst, dass es weder bei Sieg noch bei Niederlage so ablaufen würde. Und an Letzteres wollte niemand glauben.

      Ulpius Marcellus schüttelte den Kopf und drehte sich Sidonius Gavius zu. Er musterte dessen für einen Römer ungewöhnlich hochgewachsene Statur und suchte unbewusst nach Anzeichen einer Vermischung mit Germanen oder anderen Völkern, welche die Römer im Körpermaß schlugen. Doch wie immer wenn er dies tat, fand er nichts. Gavius war bis in die letzte Faser ein römischer Soldat.

      Auch dieser wandte sich nun von der See und der Reling ab und seinem Vorgesetzten zu.

      »Was meinst du damit, Herr?«, fragte er und sein Gesicht steigerte die Griesgrämigkeit um eine weitere Nuance. »Britannien liegt weit im Norden«, fuhr er fort und zuckte mit den Schultern »Fast am Rande der Welt. Da ist es wohl zu erwarten, dass es uns sonnenverwöhnten Römern seltsam vorkommt.«

      »Nein, du verstehst mich nicht, Sidonius. Ich meine eigentlich nicht das Land, ich meine die Menschen, die darin hausen.«

      Jetzt huschte wirklich ein schwaches Lächeln über das Gesicht seinen Gegenübers und Ulpius Marcellus war überrascht, wie sympathisch auf einmal der große Mann wirken konnte.

      »Herr, du sagst es selbst: sie hausen darin. Wir Römer wohnen in Häusern, die diese Bezeichnung verdienen. Diese Barbaren, diese Picten, hausen in Holzhütten. Steinerne Gebäude, die bei uns nur Sklaven bewohnen, bezeichnen sie schon als Fürstensitz. Das Wort, das sie dafür benutzen, klingt so, als würde sie sich erbrechen: Broch. Ich habe mich informiert, Herr.«

      Sidonius Gavius schnippte ein unsichtbares Staubkorn von seinem Umhang und schaffte es, gleichzeitig missmutig und überlegen auszusehen.

      »Und trotzdem haben sie den Hadrianswall niedergerannt, in Asche und Steinhaufen verwandelt. Sie haben Magnus Lucius und auch seinen Nachfolger Caerellius Priscus ermordet …« Als Sidonius etwas einwenden wollte, fügte Ulpius mit grimmiger Stimme hinzu: »… und mehr als zwei Legionen bestens ausgerüsteter Legionäre vernichtet. Ich nenne so etwas durchaus seltsam. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Land«, wiederholte er und nun klang es auch in den Ohren seines Offiziers bedrohlich.

      Beide verlegten sich wieder auf die Beobachtung des Meeres und der fernen Küstenlinie, die wie ein dunkler Strich an Steuerbord an ihnen vorbeizog.

      Ulpius Marcellus hatte befohlen, gerade so weit davon entfernt zu fahren, dass sie das Land eben nur als dünne Linie sehen konnten. Er hoffte, damit einer frühzeitigen Entdeckung zu entgehen. Womöglich aufkreuzende Schiffe des Feindes gedachte er, mit einem schnellen Schlag auf den Grund der skotischen See zu schicken.

      Mit beiden Annahmen lag er falsch.

      Vier Tage später landeten sie an der skotischen Küste. Das vorausgeschickte Schiff hatte erfolgreich Kontakt zu einem örtlichen Fürsten aufgenommen und mit einer kleinen Truhe voller Gold und einer Handvoll römischer Waffen eine Einigung erzielt. Der Fürst war ein alter Mann und wenig erpicht darauf, sich mit einer Großmacht anzulegen, die ihre Ambitionen bis vor seine Haustür trug. Er unterschrieb einen Vertrag, der ihm nur das sicherte, was ihm ohnehin gehörte. Er war ein einfacher Mann und kein gewiefter Politiker. Seine Söhne waren da schon aus anderem Holz. Doch auch sie waren zumindest so klug genug, um einzusehen, dass ihr kleiner Stamm im Augenblick gut daran tat, den Römern das zu geben, was sie forderten und dazu noch gut bezahlten. Auch die Tatsache, dass die anrückende Streitmacht nicht ihr Land, sondern das der Caledonier und anderer Stämme auf der großen Insel zum Ziel hatte, führte zum Abschluss des Vertrages. Schon früher hatte man erfolgreich Geschäfte mit den Römern gemacht und Söldnertruppen für gutes Geld verkauft. Ein ziemlicher Teil des Ansehens des skotischen Fürsten beruhte auf diesem Geldfluss, den er trotz seines Mangels an politischer Raffinesse dazu benutzte, um mit anderen Skotenstämmen der Gegend alte Händel beizulegen und neue Verbindungen zu knüpfen. Seine Söhne indes sahen gerade darin die Grundlage für eine zukünftige und dauerhafte Einigung unter den Stämmen.

      Und die Chance, sich gegen die Römer zu wehren, sollten diese je auf die Idee kommen, auch ihre Insel einnehmen zu wollen.

      Dass es nicht unmöglich war, sich Rom vom Hals zu halten, beobachteten sie seit vielen Jahrzehnten. Zum einen sahen sie in den caledonischen Stämmen Feinde, zum anderen bewunderten sie sie für ihren Widerstand und zunehmenden Erfolg, ihr Land zurückzuerobern.

      Also hatten die Skoten Vieh zusammengetrieben und andere Vorräte bereitgestellt. Frisches Wasser gab es mehr als genug, denn ihre Insel rühmte sich vieler Flüsse und Bäche, die eiskaltes, aber hervorragendes Wasser mit sich führten.

      Sidonius Gavius beaufsichtigte die Verladung der Waren und achtete peinlich auf eine gerechte Verteilung auf alle Schiffe der Flotte. Die einzelnen beneficarius trirarchi trieben die Leute an; weniger um einen Zeitplan einzuhalten - der nur sehr grob formuliert war -, sondern um die Leute beschäftigt zu halten. Es tat keiner militärischen Einheit gut, wenn sie zu viel Zeit zum Nachdenken hatte. Die frischen Vorräte würden helfen, die mäßige Stimmung ein wenig aufzuhellen.

      Ulpius Marcellus nickte anerkennend, als er den steten Strom der Waren und die zufriedenen Gesichter seiner Männer sah. Aus den Augenwinkeln nahm er nur beiläufig wahr, wie ein beneficarius trirarchi auf einem Pergament die einzelnen Posten vermerkte.

      »Was glaubst du, Sidonius; werden sich die Skoten weiterhin so kooperativ zeigen, wie sie dies heute und auch in den vergangenen Jahren getan haben?« Allein sein Tonfall drückte für all jene die Marcellus länger kannten aus, dass er sich diese Frage selbst schon beantwortet hatte und nur eine Bestätigung erwartete.

      »Nein, Herr« antwortete der praefectus classis und wieder passten seine Worte mit seiner Miene überein. »Ich traue niemandem, der nur für Geld etwas tut und nicht aus innerer Überzeugung. Dieses Skotenpack wird uns sofort eine Klinge in den Rücken stoßen, sobald wir aufhören, sie mit Geld vollzustopfen.« Sein Gesicht wurde noch dunkler, als er auf mehrere Träger deutete, die eine Fuhre römischer Rüstungen in Richtung einer wartenden Gruppe skotischer Männer rollte und sie ohne Worte übergab. »Und ist es wirklich notwendig, ihnen auch noch solche Dinge zu geben? Ihre Schwerter sind mindestens genauso gut, wie die ihrer Vettern dort in Britannien. Das Einzige, was diese Barbaren im Kampf rascher sterben lässt, ist ihr mangelhafter Schutz. Und ausgerechnet den geben wir ihnen freiwillig in die Hände.« Er schüttelte den Kopf und überlegte,


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