BLICK AUF DEN NIL. Karim Lardi

BLICK AUF DEN NIL - Karim Lardi


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Abusir handeln. Schließlich leitete er seit Jahren diese Ausgrabungsstätte. Es handelte sich um erlesene Kunstgegenstände und alte Münzen von unschätzbarem Wert und unvergleichlicher Schönheit, die vor Jahren geplündert worden waren.

      Eine wahre Sensation für jeden Liebhaber des Altertums und der Numismatik, der Münzenkunde. Und nun waren sie in Deutschland, einer Drehscheibe des illegalen Antikenhandels, beschlagnahmt worden!

      Seit Jahren versuchte Professor Sander auf das rätselhafte Verschwinden ägyptischer Kunstschätze, die immer wieder im Kunsthandel auftauchten, aufmerksam zu machen. Für seine Warnungen und Ermahnungen wollte aber keiner der verantwortlichen Beamten in Ägypten zugänglich sein. „Wie oft habe ich darauf hingewiesen, in der Hoffnung, dass einer der Verantwortlichen mir ein Ohr leiht!“, wiederholte er erbittert und ein Schatten der Verärgerung huschte über sein Gesicht.

      Alles hatte begonnen als Professor Sander vor einigen Jahren bei einer der Ausgrabungen auf Indizien stieß, die darauf hindeuteten, dass kriminelle Netzwerke von Räubern und Hehlern, skrupellosen Händlern und Beamten, Spekulanten und Millionären mit Kulturgütern und allem, was die Archäologie sonst noch hergab, illegalen Handel betrieben. Ein nicht versiegender Strom von geraubten Antiquitäten wurde passionierten Kunstsammlern in London, Paris, München, und anderen Drehscheiben des illegalen Antikenhandels, zu gigantischen Summen feilgeboten.

      Ihm ging das gegen den Strich und er ließ nichts unversucht, den Dealern das Handwerk zu legen. Er putzte, begleitet von einigen sachkundigen ägyptischen Kollegen, die auch sehr viel Herzblut in die Wiedergewinnung geplünderter ägyptischer archäologischer Kunstwerke steckten, Klinken in den Chefetagen der verschiedenen Ministerien. Er musste die Herren von oben bis unten und von hinten bis vorne vollschleimen, erzählte er, während ein hilfloser Zorn in ihm hochstieg.

      Sämtliche Instanzen waren sie rauf und runtergegangen. Sie waren mit dem Labyrinth von Treppen und Korridoren vertraut, denen man folgen musste, in der Hoffnung an die richtige Stelle zu gelangen. Und zu ihrer großen Überraschung und Bestürzung tat sich immer wieder eine noch wichtigere Instanz auf, die noch mehr zu sagen hatte als die vorherige. Das Problem war ja immer, dass sich jede dieser Instanzen für wichtig hielt, aber keine von ihnen für irgendetwas zuständig war! Jedem waren die Hände auf oberste Anordnung hin gebunden. Die Unbekümmertheit und Gleichgültigkeit um ihn herum sowie die ständigen leeren Versprechungen brachten Professor Sander zur Weißglut.

      Wie etwa in Kafkas Romanen, so war die ägyptische Bürokratur. Alles endete mit einer ewigen Warterei und mit dem elendigen Herumplagen mit unliebsamem Papierkram vor dem Tor einer unsichtbaren Instanz.

      Nach der Sitzung kam Professor Sander lächelnd auf Laura zu und bot ihr einen Rundgang durch die Ortschaft an.

      „In den Arbeitszimmern riecht es verstaubt. Es ist ein herrlicher Tag und ich muss mir ein bisschen die Beine vertreten. Hätten Sie vielleicht Lust auf einen kleinen Spaziergang, Frau Talbrück? Schon mal von Abusir gehört?“, sagte er gleich mit einem geheimnisumwitterten Lächeln im Gesicht. „Einer der wichtigsten archäologischen Fundorte in der Region Kairo mit bahnbrechenden Erkenntnissen über die griechisch-römische Zeit sowie über die einst hier gelegene Stadt“, erklärte er fachkundig.

      Gelassen rückte er seinen Wüstenhut zurecht, legte seine leitende Hand über ihre Schulter und sie steuerten auf die Ausgrabungsstätte zu. Laura verstand, dass er sie einweihen wollte.

      Der Ort befand sich in ihrer direkten Nachbarschaft, er war hinter einem kleinen Sandhügel versteckt und von der Straße aus nicht leicht zu erkennen.

      Von Sanders Haus kommend, bogen sie nach wenigen hundert Metern nach links in einen schmalen Pfad, der einen schmalen Wüstenstreifen durchschlängelte, vorbei an etlichen Gräbern und Grabungslöcher. Von irgendwoher drang schwach Musik, eine zarte Frauenstimme, die über die Dünen wehte und leicht in die Seele ging. Weitab vom Dorf war eine koptische Kirche zu sehen. Im Osten floss der Nil unbeirrt weiter.

      Sie gingen einige Minuten schweigend nebeneinander her, waren aber keineswegs verlegen. So konnte sie in Ruhe sein Profil betrachten. Professor Sander war eine angenehme Person, die beruhigend auf sie wirkte. In seiner Gegenwart war ihr vom ersten Moment an wohl. Er bewegte sich sicher und gemächlich, so gemächlich, dass seine Schritte kein Geräusch im Sand machten. Laura bewunderte diese Ruhe.

      Der glänzende Schimmer seiner Augen verriet sein gewissenhaftes Wesen, seinen Sachverstand und Scharfsinn. Von ihm ging die Aura des ewigen Forschers aus, der das Abenteuer liebte. Laura war beschwingt und genoss es, neben ihm durch prähistorische Grabbauten und Gräberfelder zu schlendern. Das gab ihr ein unbeschreibliches Gefühl, das an einen Nervenkitzel grenzte. Sie empfand alles sehr abenteuerlich.

      „Genau hier führte von 1905 bis 1906 im Auftrag der Deutschen Orientgesellschaft der damals knapp 30 Jahre alte deutsche Ägyptologe, Georg Möller, Grabungen durch“, sagte er. Seine Stimme war von Stolz erfüllt.

      Bei einem baufälligen Gemäuer hielt er an und sie blieben kurz im Schatten stehen.

      Er sprach von mörderischen Rivalitäten zwischen den gierigen Plünderern und Grabräubern, die vom schnellen Reichtum träumten und in den Fundstätten ihr neues Eldorado sahen. Grabräuberei war für Kriminelle ein lukratives Geschäft geworden.

      „Zweimal hintereinander wurde ich letzten Monat durch laute Schießerei geweckt. In einem Schacht vor dem archäologischen Fundplatz fanden die Grabungsarbeiter am nächsten Morgen die Leichen von drei blutüberströmten Wächtern“, erzählte er mit vor Aufregung geröteten Augen.

      Es kursierten sogar Gerüchte, dass Marodeure, Dunkelmänner und sogar berüchtigte Sicherheitsmänner ihre Hände im Spiel hätten. Diese würden Familien mit ihren Kindern erpressen, für sie dort zu arbeiten.

      Er selbst wurde mehrmals von ein paar ruppigen Typen mit Klappmessern bedroht, genötigt und schikaniert. Die Erinnerungen daran streifen immer wieder in seinen Gedanken umher. Er wird nie vergessen, wie sie einmal völlig durchdrehten, und ihm mit Drohgebärden ihre ganze Wut verbal entgegen schleuderten: „Du alter, verruchter Kolonialist! Bist du doch einer! Kümmere dich um deine Mumien und geh uns nicht auf den Geist mit deinem aufklärerischen Gehabe!“

      Sie hatten seinen alten Geländewagen fast in Brand gesetzt, zum Glück waren ein paar mutige Grabungsarbeiter rechtzeitig zu Hilfe gekommen und hatten die Kerle weggescheucht.

      Professor Sander hielt den Kopf gesenkt und stahl sich davon, ohne sich umzudrehen, in der Hoffnung, dass die erhitzten Gemüter endlich einmal herunterkühlten, während sie ihn weiter mit einem Kettenfluch, abgeschmackten Sprüchen und wüsten Beschimpfungen überschütteten.

      „Bald wirst du dein Fett abkriegen. Dir wird widerfahren, was deinen Vorfahren widerfahren ist. Wir haben sie alle mit einem Tritt im hohen Bogen durch die Luft in ihre Heimat katapultiert“, raunten sie mit streitlustigem vorgeschobenem Kinn, die Stöcke in der Hand wedelnd. Diese Geste deutete etwas extrem Erniedrigendes an.

      „Die haben wir weggejagt mit einem Stock im A…..“, Professor Sander verstummte mitten im Wort und ließ den Satz unvollendet. „Verzeihen Sie meine Direktheit“, sagte er leise und blickte bloß düster drein.

      Später war ihm aufgegangen, dass sie ihn eigentlich lieber tot gesehen hätten. „Man sieht sich, alter Kolonialist! Mach dich auf etwas gefasst! Du bist Bläser und wir sind Trommler und die langen Nächte bringen uns bestimmt zusammen“, zischten sie ihm zornig zu und fuhren sich mit der Handkante an die Kehle, ganz so, als wollten sie ihn mit dem Gurkeldurchschneiden drohen, sollte er ihnen in irgendeiner Art ins Gehege kommen.

      Dies wurde natürlich von umstehenden Dorfbewohnern wahrgenommen, die offensichtlich in Angststarre verfielen. Niemand rührte sich. Angst um sich und die eigene Familie brachte hier oft die Menschen zum Verstummen. Wer es wagte, sich mit ihnen anzulegen, dem brachen sie sämtliche Knochen im Leib und er landete elendiglich in der Gosse. Allein der Gedanke daran war äußerst unbehaglich und ließ einem ein paar kalte


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