Albert de Menier - Exposition Universelle Der Jagdclub von Paris. Benjamin Klunzinger Karl

Albert de Menier - Exposition Universelle Der Jagdclub von Paris - Benjamin Klunzinger Karl


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      Man hört ein Schluchzen und merkt, wie der Gefangene nachdenkt was dieser Verrückte meint. Plötzlich könnte man meinen, es hat bei Herrn Struck klick gemacht, denn er fängt wieder lauthals zu schreien an, einerseits mit Hilferufe und andererseits mit Worten des Bedauerns und des Flehens. „Keine Angst, es dauert noch ein bisschen, bis ich mit dem hier fertig bin, Sie können noch über ihre Sünden nachdenken, vielleicht verzeiht Ihnen Gott, wenn Sie beten, aber ich verzeihe nicht!“

      Die Stimme lässt sich nicht erweichen, sie packt dieses haarige ledrige Etwas, die abgezogene Haut eines Menschen und wirft es über den daneben stehenden Gerberbock. Mit geschickten Handbewegungen bearbeitet die Stimme es mit dem Gerbermesser, um die Fleisch- und Bindegewebereste penibel zu entfernen, dabei trällert diese Stimme vor sich hin, während Herr Struck um Hilfe schreit:

      „Einst war ein reicher Schnösel, der war so bös zu mir – den Kopf hat er ganz schnell verloren, das war`s mit seiner Gier.

      Sein Kumpel war nicht besser, hat Schande mir gebracht – jetzt ist er wieder aufgewacht und ist in meiner Macht.

      Dieser ist ganz bleich vor Angst, wär am liebsten nicht bei mir – ihm zieh ich die Haut über den Kopf zu meiner Wohnungs zier…“

      Sophie bemerkt die neidischen Blicke der anderen Frauen, als sie das Palais de la Danse betreten. Momentan ist eine Gruppe dunkelhäutiger Dahomey Tänzer auf der Tanzfläche, die zu einer feurigen exotischen Musik, wild und spärlich bekleidet, tanzen. Sophie ist von der Atmosphäre überwältigt, nicht nur von Alexandre, der eine gute Figur macht, nein auch von den tanzenden Eingeborenen, die das Blut einer jeden Frau in Wallung bringen. Wie oft bekommt man schon so muskulöse, dunkelglänzende Oberkörper von Männern zu sehen, vor allem so viele auf einmal. Alexandre bahnt sich mit Sophie den Weg durch die Menschenmenge und lotst sie zu einem Tisch, an dem schon ein junges Pärchen sitzt und offensichtlich herumturtelt. Überraschend springt die junge Frau auf und umarmt Alexandre innigst, der nichts dagegen zu haben scheint.

      „Alexandre, schön dich hier zu sehen, wer ist denn deine Bekanntschaft?“ „Hallo, Schwesterchen, hätte nicht gedacht, dich hier zu treffen. Das ist Sophie, ich möchte ihr das Pariser Nachtleben zeigen.“ „Ich bin sehr erfreut, mein Name ist Edith. Ich dachte schon, mein Bruder hat überhaupt kein Interesse an Frauen, aber jetzt, wo ich Sie so anschaue, hat er wohl nur auf Sie gewartet.“ Sophie fehlen die Worte und kann nur ein „Hallo!“ erwidern. Erst dachte sie schon, was will die denn von ihrem Alexandre, dann war sie überrascht und erleichtert, dass es nur seine Schwester ist und was diese dann noch sagte, brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Hat Alexandre etwa wirklich auf sie gewartet?

      „Setzt euch doch zu uns, es ist eh kein anderer Platz mehr frei.“ Die beiden setzen sich zu Alexandres Schwester, auch wenn sich Sophie jetzt etwas beobachtet fühlt. Gleich beim ersten Rendezvous ein Familienmitglied von ihm zu treffen, ist sehr gewöhnungsbedürftig. Aber Edith fängt gleich an, die beiden auszuquetschen, ohne Rücksicht auf ihren Geliebten neben ihr, der noch kein einziges Wort gesagt hat, geschweige denn, dass er vorgestellt wurde. Er scheint es gewohnt zu sein und hört zum einen der Musik und beiläufig dem Gespräch zu.

      „Und, wo habt ihr zwei euch kennengelernt? Na Alexandre, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!“ Sophies Begleiter hat keine Wahl, er muss seiner Schwester Rede und Antwort stehen, da hilft auch kein Herumgedruckse. „Ich habe sie KO geschlagen und mit hierher entführt.“ Edith schaut die beiden fragend an, und Sophie findet wieder ihre Stimme. „Doch das stimmt, Alexandre hat mich KO geschlagen, aber das war nicht mit Absicht, hoffe ich zumindest“, dabei lacht sie leicht. „Ich habe ihr versehentlich die Tür an den Kopf geknallt, da konnte sie mir nicht mehr davonlaufen.“ „Oh Bruderherz, du musst die Frauen nicht vorher KO schlagen, du kannst sie auch einfach fragen, ob sie mit dir ausgehen, ich wette, Sophie hätte auch so ja zu dir gesagt, nicht wahr meine Liebe?“ „Ich weiß nicht, er hat mich eher damit überzeugt, wie rührend er sich um mich gekümmert hatte, als ich da am Boden lag, er war einfach süß.“ „Na, da hast du anscheinend eine ganz neue Masche erfunden, wie du Frauen einladen kannst.“ Langsam verschwindet Sophies Nervosität, die über sie gekommen war, als sie Edith getroffen hatte, jetzt findet sie diese Frau sogar sympathisch. Sophie weiß nicht wieso, aber irgendetwas hat Edith an sich, was sie an Isabell erinnert, was ist das nur?

      Als der Kellner vorbeisaust, bestellt Alexandre gleich etwas zu trinken, während sich seine Schwester weiter um Sophie kümmert. „Was machst du denn beruflich Sophie?“ „Ach ich bin Zofe bei einer Familie im gleichen Haus in dem Alexandre arbeitet. Und was machst du so Edith?“ „Ich bin da sehr flexibel, ich mache das, wonach mir gerade ist, ich bin schon immer über die Runden gekommen.“ Bevor Sophie das Mysterium um Ediths Beruf lösen kann, kommt schon der Kellner mit den Getränken. Es sind vier Gläser mit einer eigenartigen grünen Flüssigkeit, dazu noch vier komische Löffel mit Löchern, Zuckerwürfel und ein Krug mit Wasser. „Was ist das denn?“ fragt Sophie in die Runde und erntet nur Gelächter, da sie offensichtlich nicht weiß, was Absinth ist.

      Edith verteilt die Gläser, legt jedem einen Löffel auf die Kante des Glases, drei bis vier Zuckerwürfel darauf und übergießt das Ganze mit Wasser, bis sich die Würfel aufgelöst haben und das Mischungsverhältnis ca. eins zu drei ist. „Los, auf einen Schluck runter mit dem Zeug!“ Sophie hat keine Wahl, sie setzt an und kippt alles auf einmal herunter, was mit einem heftigen Hustenanfall belohnt wird. Ein bisschen erinnert sie der Geschmack an Lakritze, die hatte sie als Kind immer gerne gegessen. Sophies Gesicht wird knall rot, und sie versucht es zu verbergen. Edith macht sich schon über sie lustig, aber auf eine charmante Art und Weise, dass sie ihr nicht böse sein kann. „Komm, lass uns tanzen!“ fordert Alexandre Sophie gleich auf, und ehe sie etwas dagegen sagen kann, findet sie sich in seinen Armen wieder und kann es nicht fassen, wie leichtfüßig sie sich doch unter seiner Führung bewegen kann. Das liegt sicherlich an diesem Zaubertrank, wie hieß der noch mal? Ach ja Absinth. Sophie beobachtet beim Tanzen Edith, die mit ihrem Geliebten herumpussiert, ab und zu kommt jemand vorbei, den diese anscheinend kennt, sie hat wohl viele Freunde hier. Ein bisschen bewundert sie Alexandres Schwester, wie unbeschwert sie doch ist, die hat anscheinend vor gar nichts Angst.

      Nachdem Albert seiner Mutter den Wind aus den Segeln genommen hatte, hat sie sich erst einmal nicht mehr blicken lassen und ist mit ihrem Oberst verschwunden. Etwas, was Albert noch mehr beunruhigt ist Jean, der doch tatsächlich ununterbrochen mit Konstanze tanzt, die das anscheinend auch noch genießt. Es wäre ein Albtraum, wenn die beiden miteinander anbandeln würden. Albert kann jetzt aber nicht zu den beiden rüber gehen und das unterbinden, sonst könnte Konstanze das noch so auffassen, er wolle was von ihr. Aber was sollte Konstanze schon von Jean wollen? Sie macht das sicherlich nur, um Isabell zu ärgern. Konstanze konnte nicht an ihn ran kommen, jetzt versucht sie es bei Jean, diese Frau ist eben leicht zu durchschauen. Leider bleibt Albert nichts anderes übrig, als den beiden zuzuschauen. Isabell ist das auch ein Dorn im Auge, sie überlegt schon die ganze Zeit, wie sie dem Ganzen einen Riegel vorschieben kann. Am Ende lacht Konstanze sich Jean an, damit er sie mit auf ihre Hochzeit nimmt, wer weiß was sie sich dann dort einfallen lässt. Das ist alles nur einer ihrer heimtückischen Pläne.

      „Monsieur Roussou, ich hätte nie gedacht, dass Sie ein so guter Tänzer sind, da steckt wohl mehr hinter ihrer Fassade als man denkt.“ „Mademoiselle Konstanze, Sie haben eben noch nie das Temperament eines heißblütigen Franzosen kennengelernt. Ich kann Ihnen nur sagen, haben sie einmal einen Franzosen gehabt, wollen sie keinen anderen mehr.“ „Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?“ „Ganz wie Sie wollen meine Gute“, kichert Jean stark angeheitert. Mittlerweile haben beide schon ganz schön einen sitzen.

      Solange sie hier auf der Feier sind, werden sie schon keine Dummheiten machen, denkt sich Albert und versucht sich nun schließlich, mit seiner Verlobten auch zu amüsieren. Bevor die beiden aber zum Tanzen kommen, unterbricht die Musik und der deutsche Botschafter steht mit einem Glas Schaumwein auf der Treppe und bringt einen Toast auf den jungen Kronprinzen aus. Zum Schluss seiner Rede kommt etwas Unerwartetes „… und nun darf ich auch noch eine Belobigung aussprechen, welche höchst persönlich von unserem Kaiser Wilhelm II entsandt wurde. Unserem Kommissar Albert de Menier und seinem Kollegen haben wir es zu verdanken, dass die Bestie von Paris gefasst wurde, darauf möchte


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