Die Kraft der positiven Gefühle. Peter Schmidt
Manchmal handelt es sich auch um Kribbeln, Hautjucken oder Unruhe.
Es scheint dann, als könne das negative Gefühl, nachdem es zunächst Ihr Problem „besetzt gehalten“ hatte, seinen Ort verändern und als Äquivalent in ganz verschiedenen Bereichen auftreten.
Wechseln Sie in die einfache Desensibilisierung als Körperfühlen, wenn Gefühle sehr stark werden. Behandeln Sie solche Gefühlsverwandlungen immer in der dort beschriebenen Weise, indem Sie eine Zeit lang, zwei Minuten oder länger, dieses stärkste momentan wahrnehmbare Gefühl, ohne es gutzuheißen oder negativ zu bewerten, neutral betrachtend, ohne Anstrengung oder Erwartungshaltung „ausfühlen“.
Wenn Sie diese zulassende Haltung aufrichtig einnehmen, impliziert dies auch bereits die erforderliche tiefe Entspannung – denn echtes Zulassen ist Entspannung! Finden Sie selbst heraus, wie viel Sie sich dabei zumuten können. Werfen Sie aber nicht zu früh die Flinte ins Korn. Wir neigen dazu, den leichteren Weg zu wählen.
Lassen Sie die Übung wie bei allen weiteren Techniken mit einer Ruhephase von etwa zwei Minuten ausklingen, bei der Sie die Augen geschlossen halten und nichts tun. Stehen Sie nicht unmittelbar danach auf. Reden Sie nicht, werden Sie nicht sofort aktiv, denn das könnte die Wirksamkeit beeinträchtigen. Bleiben Sie noch einige Zeit mit geöffneten Augen sitzen, bis sich der innere Vorgang „gesetzt“ hat. Finden Sie selbst heraus, wie sich das anfühlt.
Damit ist nicht der Eindruck gemeint, dass Ihr Problem bereits gelöst ist, sondern jetzt sei der rechte Zeitpunkt, wieder Ihren Tagesaktivitäten nachzugehen.
Diese Verfahrensweise übt ganz nebenher ein meditatives Bewusstsein ein, bei dem Sie sich mehr Raum für Ihre inneren Stimmen gestatten.
Wiederholen Sie die Übung gegebenenfalls an mehreren Tagen, bis sich ein deutliches Evidenzgefühl einstellt, dass das Problem gelöst ist. Dazu gehören auch die verschiedenen Aspekte, die emotional relevant sein können.
Sollte die Problem-Desensibilisierung nicht sofort zufriedenstellend gelingen, dann setzen Sie sich deswegen nicht unnötig unter Leistungsdruck. Akzeptieren Sie gegebenenfalls auch eine vorübergehende Verschlimmerung des Symptoms durch falsches Üben. Sie kennen ja nun den Weg und wissen, dass korrektes Desensibilisieren über kurz oder lang zum Ziel führt.
Merksatz: Die Wirksamkeit der Desensibilisierung ist sehr stark von der Aufrichtigkeit Ihres Zulassens und dem Grad abhängig, mit dem Sie sich als entspannt wahrnehmen.
Man kann sich leicht etwas vormachen, gerade auch nonverbal, also ohne Worte. Setzen Sie Ihr Gespür ein. Achten Sie vor allem auf Ihre feinsten, unmerklichsten Regungen:
Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die „Quelle Ihrer Gedanken“ – selbst wenn Sie nicht sofort wissen, was damit gemeint ist.
Optional: War die Desensibilisierung sehr belastend, d.h., haben Sie das Gefühl, dass das Betrachten negativer Gefühle trotz Ihrer entspannten Einstellung nun seinerseits zu Stress geworden ist, dann bietet es sich auch hier wie bei der Körper-Desensibilisierung an, als Kontrapunkt und Ausgleich mit zehn Minuten Wortklangmeditation in extrem sanfter, leichter Weise abzuschließen.
Lesen sie im Kapitel 9, „Entspannung als Grundlage mentaler Techniken“ nach, wie diese Technik angewendet wird. Fahren Sie danach mit den beiden oben beschriebenen Ausklangphasen fort.
Kurzform Problem-Desensibilisierung:
1. In der ersten Phase schalten wir mit geschlossenen Augen eine Entspannungstechnik vor, z.B. einige Minuten Wortklangmeditation, am besten im Sitzen (abgedunkelter, ruhiger Raum). Dabei lassen wir – wie auch in der gesamten weiteren Übung – alle Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle zu, gleichgültig ob angenehm oder unangenehm.
2. In der zweiten Phase lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf das Problem. Wir müssen uns das Problem lediglich kurz so vergegenwärtigen, wie es uns ganz natürlich und ohne Anstrengung in den Sinn kommt. Das kann ein Bild sein oder auch nur ein abstrakter Gedanke. Wir müssen lediglich „Kontakt“ mit dem Problem aufnehmen ( dass es sich um dieses und kein anderes Problem handelt).
4. Während und nach der Vergegenwärtigung des Problems schauen wir nach, ob wir irgendwelche unangenehmen Gefühle bemerken, die durch den Gedanken an das Problem ausgelöst worden zu sein scheinen, gleichgültig, ob subtil oder stark – oder stärker werdend, z.B. „Angst“. Dabei kann es sich auch um körperliche Gefühle, z.B. Unbehagen, oder sogar Schmerzen handeln.
5. In dieser Übung weichen wir keinem unangenehmen Gefühl aus. Wir lassen es einfach zu, selbst wenn es dadurch stärker wird. Wir schauen es an, ohne weitere Absicht, Erwartung, nur neutral betrachtend. Oder lassen es einfach „mitlaufen“ wie z.B. Straßenlärm oder irgendwelche „Störungen“, wenn uns das besser gefällt.
6. Sollte sich beim Gedanken, bei der Vorstellung des Problems kein Gefühl einstellen (manchmal sind Gefühle sehr fein, sozusagen an der Grenze zum Wahrnehmbaren), dann ist dies auch in Ordnung. Dann nehmen wir den Zustand der „Neutralität“ wahr. Es ist wichtig, dass wir
a) entweder das Gefühl anschauen, es nicht zu vermeiden suchen wie in der normalen Alltagshaltung, oder
b) wahrnehmen, dass kein Gefühl auftaucht!
ANMERKUNG 1: Der Umlernprozess findet automatisch – „mechanisch“ statt, wir müssen nichts glauben, erwarten, denken oder uns irgendetwas zusätzlich vornehmen. Die Wirkung zeigt sich erst später in der realen problematischen Situation. Sie „passiert“ uns einfach, wir finden uns darin wieder.
Man weiß nicht schon vorher, dass das Problem verschwunden ist. Die problematischen Gefühle werden nicht mehr reproduziert, weil durch das Verfahren der „innere Autopilot“ umprogrammiert worden ist.
7. Bei starken emotionalen Reaktionen wie Angst erst den Höhepunkt der Angst in entspannter Haltung „abwettern“. Nicht zu früh beenden, sondern abwarten, bis sich die Emotion erschöpft hat. In aller Regeln ist dies nicht zu unangenehm. (Brechen Sie die Technik ab und wenden Sie sich notfalls an einen Therapeuten, falls Sie – wider Erwarten – untypisch starke Erfahrungen machen.)
8. In dieser Übung wie gerade beschrieben etwa acht bis zwölf Mal Kontakt mit dem Problem aufnehmen, oder nach Belieben.
9. Danach Ausklangphase I: mindestens zwei Minuten ruhiges Dasitzen mit geschlossenen Augen.
10. Dann Ausklangphase II: ca. 1 Minute noch ruhiges Dasitzen mit geöffneten Augen.
Übung an etwa fünf bis acht Tagen ein- oder zweimal täglich wiederholen. Manchmal reicht auch weniger.
Was bedeutet in dieser Übung „Problem“?
Es kann sich um alle Art von mentalen, „seelischen“ Alltagsproblemen, um psychischen Stress, um Sorgen oder traumatische Erfahrungen, um Ängste und negative Gedanken handeln, soweit sie dem Anschein nach nicht rein oder überwiegend physisch, sondern durch Erwartungshaltung, durch Fehlhaltungen, durch Gewohnheiten, Überlastungen, erlernte emotionale Reaktionen und Bewertungen ausgelöst werden.
Beispiel für ein physisch verursachtes Problem: Eine Schilddrüsenfehlfunktion durch Mangel am Hormon Thyroxin kann durch Problem-Desensibilisierung weniger effektiv beeinflusst werden – wohl aber deren mentale Folgeerscheinungen, z.B. „Ängstlichkeit“.
Was bedeutet in der Übung „Gefühl“?
Es ist wichtig, zwischen Gefühlen und Gedanken zu unterscheiden. Gefühle können sich mit Gedanken verbunden zeigen, Gefühle können durch Gedanken – z.B. Bewertungen – ausgelöst werden, sind aber nicht einfach mit Gedanken gleichzusetzen.
In dieser Übung wird der entscheidende Faktor, der überhaupt erst Leiden ermöglich, als Unangenehmsein des Fühlens verstanden. Dem steht das Angenehmsein als positives Gefühl gegenüber. Für die Wirksamkeit der Übung ist es entscheidend,