INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Zwei. Eberhard Weidner

INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Zwei - Eberhard Weidner


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namenlosem Entsetzen verzerrtes Gesicht, als der Magier von unsichtbaren Händen erdrosselt wurde und qualvoll erstickte.

      Michael erschauderte unter diesen Eindrücken, die ihn das, was in diesem Raum vorgefallen war, erneut im Zeitraffer durchleben ließen, und verdrängte die unwillkommenen Bilder energisch aus seinem Verstand. Was hier geschehen war, war unwiderruflich vorbei und interessierte ihn gegenwärtig nicht, denn er trug keine Schuld an einem dieser Tode. Einzig auf die Gegenwart und die Anschuldigungen, die auf ihm lasteten, kam es an.

      Inquisitor Steinbach führte ihn zu dem Stuhl, der sich weiter von der Tür entfernt befand. »Setzen Sie sich, Institoris«, sagte er knurrig, ließ Michaels Arm los und drückte seine Schulter nach unten, als wäre Michael nicht selbst in der Lage, sich zu setzen.

      Michael widersetzte sich auch dieser unnötig groben Behandlung nicht und nahm widerstandslos Platz. Wenn diese Sache aufgeklärt war, würde er ein paar deutliche Worte mit dem Kollegen wechseln. Vorerst war es aber für alle besser, wenn er ihr Spiel mitspielte.

      Unter dem düsteren Blick des bislang sehr schweigsamen Hauptinquisitors Stephan Becker öffnete Steinbach die Schelle von Michaels linkem Handgelenk, führte sie durch einen Ring, der an der Unterseite der Tischplatte befestigt war, und schloss sie anschließend wieder um Michaels Arm. Jetzt war er an den Tisch gefesselt, der seinerseits am Boden verankert war.

      Während der Prozedur hatte sich Michael mit mäßigem Interesse umgesehen. Er war froh, dass er nicht auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Tisches sitzen musste, wo der Leichnam des unglückseligen Peter König gesessen hatte, obwohl er davon ausging, dass der Stuhl nach dem Entfernen des Toten ausgetauscht worden war. Normalerweise war er nicht der Typ, der sich von irrationalen Gefühlen oder düsteren Bedenken beeindrucken ließ, und vertraute auf seinen wachen Verstand. Aber die Strapazen der letzten Nacht steckten ihm in den Knochen. Und die Müdigkeit, die seinen Verstand lähmte und langsamer arbeiten ließ als gewöhnlich, leistete sicherlich einen entscheidenden Beitrag, dass er eher emotional als rational reagierte. Nicht nur die Leichen waren entfernt worden, auch das Blut war gründlich aufgewischt worden, sodass kein einziger Tropfen oder Spritzer übrig geblieben war. In der Kürze der Zeit war man jedoch nicht in der Lage gewesen, alle Spuren der Auseinandersetzung zwischen Michael und dem Magier zu beseitigen. Der blasenübersäte Verputz, den der Hitzezauber des Magiers an der Wand neben der Eingangstür hinterlassen hatte, wirkte wie eine klaffende Wunde. Und auch die Krater, die Michaels und Schotts Kugeln in die Wand geschlagen hatten, waren nicht so schnell und einfach zu beheben gewesen. Allerdings war der Hörer des Telefons, den Michael versehentlich zerstört hatte, durch einen neuen ersetzt worden.

      Insgesamt gab es in diesem Teil des Gebäudes sechs Verhörzimmer, die alle gleichartig aufgebaut waren. Da von den sechs Luziferianern, die in der letzten Nacht festgenommen worden waren, fünf verstorben und einer – vermutlich der Bösartigste unter ihnen – entkommen war, ging Michael davon aus, dass es außer diesem Zimmer noch andere gegeben hätte, die zurzeit verfügbar waren. Er vermutete daher, dass seine Kollegen ihn absichtlich in diesen Raum gebracht hatten, wo Inquisitor König den Tod gefunden hatte. Vielleicht hofften sie, Michael eher zu einem Geständnis bringen zu können, wenn sie ihn mit dem Ort einer seiner Taten unmittelbar konfrontierten. Eine Vorgehensweise, die Michael nachvollziehen konnte und möglicherweise ebenfalls angewandt hätte, wäre er an der Stelle seiner Kollegen gewesen.

      Doch das Verhör hatte noch nicht begonnen. Nachdem Michael an den Tisch gefesselt worden war, verließen Becker und Steinbach den Raum, ohne ihren Gefangenen eines Blickes zu würdigen oder ihm eine Erklärung zu geben. Aber Michael war selbst Inquisitor und brauchte keine Erklärung. Er konnte sich denken, dass die Kollegen ihn eine Weile zappeln lassen wollten. Vermutlich gingen sie in die Cafeteria, tranken in aller Ruhe Kaffee und besprachen ihr Vorgehen. Anschließend lagen unter Umständen schon die ersten Ergebnisse der ballistischen Untersuchung vor, mit denen sie Michael konfrontieren konnten.

      Er durchschaute solche taktischen Spielchen, weil er sie ebenfalls angewandt hatte. Manch inhaftierter Luziferianer hatte sich in den langen Stunden, die er allein in diesem Raum ausgeharrt hatte, die schrecklichsten Dinge ausgemalt, die ihm widerfahren würden, sobald die Inquisitoren zurückkehrten. Und kaum waren diese durch die Tür getreten, hatte er angefangen, sämtliche Geheimnisse, die er kannte, freiwillig auszuplaudern. Bei Michael würde dies aber nicht geschehen. Er kannte die Methoden, die erlaubt waren, und wusste, wie weit die Mitarbeiter der Inquisition gehen durften. Außerdem würde sich früher oder später ohnehin herausstellen, dass er unschuldig war. Spätestens die ballistische Untersuchung seiner Dienstwaffe würde ergeben, dass keiner der Kollegen damit erschossen worden war. Stattdessen würde sich herausstellen, dass die Kugeln, mit denen der Gestaltwandler im abgestürzten Fahrstuhl, die Zauberin im Erdgeschossflur und die Hexe auf dem Rasen vor dem Gebäude erschossen und der erstickte Magier in diesem Raum angeschossen worden waren, alle aus seiner Pistole stammten. Er hatte daher keinen Grund, sich vor seinen Kollegen zu fürchten.

      Also wartete er still und reglos auf ihre Rückkehr und war sich instinktiv der aufmerksamen Blicke bewusst, die ihn beobachteten. Aber er wandte nicht ein einziges Mal den Kopf, um zu dem großflächigen Einwegspiegel hinüberzusehen. Dort hätte er nur sein eigenes Spiegelbild gesehen. Außerdem wollte er den heimlichen Beobachtern nicht zeigen, dass er sich ihrer Anwesenheit bewusst war.

      Er starrte blicklos ins Leere und fuhr fort, in Gedanken die magischen Worte abzuspulen, die ihn davor bewahrten, schreiend aufzuspringen und wie ein Wahnsinniger an den Handschellen zu zerren, die ihn an den Tisch fesselten.

       …IrrtumseindaskannnureinIrrtumseindaskannnureinIrrtumsein…

      »Hören Sie zu, Becker: Das kann nur ein Irrtum sein!« Geschlagene dreieinhalb Stunden nach seiner Festnahme klammerte sich Michael noch immer verzweifelt an diesen Satz, als wäre er tatsächlich eine magische Formel, die ihn als Einziges davor bewahrte, dem Wahnsinn dieser verrückten Situation zum Opfer zu fallen.

      Hauptinquisitor Stephan Becker schüttelte den Kopf, seufzte schwer, und sagte mit ernster Miene: »Es tut mir leid, Institoris, aber jeder Irrtum ist ausgeschlossen. Wir haben stichhaltige Beweise, dass Sie es waren!«

      Beckers Worten gelang das, was in den letzten Stunden nichts anderes geschafft hatte: Sie durchstießen den dichten Panzer, den Michael mit seinem Schutzmantra um sich gewoben hatte, und drangen in sein Bewusstsein vor. Die Formel, die er unzählige Male in Gedanken wiederholt hatte, zersprang wie eine brüchige Porzellantasse auf dem Betonfußboden, und die einzelnen Silben und Buchstaben, die überhaupt keinen Sinn mehr ergaben, wirbelten in alle Richtungen davon und verglühten wie geisterhafte Kometen.

      »Beweise?«, fragte Michael irritiert. Dieses einzelne Wort schockierte ihn dermaßen, dass er sich aufrichtete und sich sämtliche Muskeln in seinem Körper unwillkürlich anspannten. »Beweise? Von welchen Beweisen sprechen Sie, Becker? Es gibt keine Beweise! Es kann überhaupt keine Beweise geben, weil ich es nicht war!«

      Hauptinquisitor Becker, der erst vor wenigen Minuten an der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz genommen hatte, war Michaels plötzliche Anspannung nicht entgangen. Er beobachtete Michael noch wachsamer als zuvor, als erwartete er einen Angriff, während seine rechte Hand unter der Tischplatte vermutlich näher zu seiner Pistole kroch, die er in einem ledernen Holster am Gürtel trug. Und Inquisitor Laurin Steinbach, der links von ihnen mit dem Rücken an der eierschalenfarbenen Wand lehnte, nachdem er Michael die Handschellen abgenommen hatte, machte sich bereit, notfalls sofort nach vorn zu springen und den tobenden Gefangenen zu bändigen.

      Doch Michael hatte anderes im Sinn, als einen aussichtslosen Angriff auf seine Kollegen zu unternehmen. Wozu auch? Er war unschuldig und überzeugt, dass die anderen das früher oder später einsehen würden, wenn sie sich ausreichend Zeit genommen hatten, seine Version der Ereignisse anzuhören und sie mit den Fakten zu vergleichen. Aber die Worte des Hauptinquisitors, der dafür zuständig war, seine Aussage aufzunehmen, machten ihm unmissverständlich klar, dass die Sache nicht so unkompliziert ablaufen würde, wie er sich das bislang ausgemalt hatte.

      »Dann erzählen Sie mal, Becker!«, forderte Michael, als der Hauptinquisitor keine Anstalten machte, von sich aus das Wort zu ergreifen. »Wie sehen diese Beweise, die Sie angeblich


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