Deadman's Hostel. Daimon Legion
müde …
Schlapp schaffte er es, sich eine Zigarette anzuzünden. Tief zog Ace das Nikotin in seine schwarze Lunge, behielt den Rauch ein paar Sekunden lang in sich und atmete dann aus. Ihm zitterten noch etwas die Finger von seinem Orgasmus.
Normalerweise hielt er nichts von Sex am Arbeitsplatz. Auf Zuschauer konnte er verzichten, ganz zu schweigen von irgendwelchen dämlichen Kommentaren hinsichtlich der lieben, doch sehr überschätzten Ethik. Aber heute lief ja komplett alles aus dem Ruder.
Er fuhr sich durch das verschwitzte Haar und schaute auf das Mädchen, das ebenfalls völlig erledigt auf seinem Schreibtisch lag und weinte. Zwischen ihren zarten Schenkeln schimmerte ihm eine rosafarbene Knospe entgegen, die er mit Gewalt geöffnet hatte. Ein dünner roter Fluss zeugte davon.
Erfolgreich entjungfert, bravo …, dachte er matt und schlug sich gegen die Stirn. Bei den heutigen frühreifen Kids wunderte ihn das tatsächlich sehr. Gerade in ihrer ausweglosen Position hätte er erwartet, dass sie schon des Öfteren mit ihrem Körper bezahlt hatte. Sie sollte froh sein, bisher einen guten Schutzengel gehabt zu haben.
Bis er kam und den bescheuerten Vogel abknallte.
Lässig zuckte er die Schultern.
Na ja, jetzt hat sie es hinter sich. Und das sogar mit Stil. Jedenfalls mehr, als wie sie auf der Straße gekriegt hätte. Cool, und ich kann endlich die Jungfrau von meiner Liste streichen …
Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht.
Erneut sah er zu ihr hin. Die Kleine rührte sich nicht.
„Alles klar?“, fragte er sie knapp.
Keine Antwort.
„Hey!“, rief Ace lauter.
Nichts.
Ist sie bewusstlos?
Oder nur sauer?
Er nahm einen zweiten tiefen Zug, dass die Glut hell aufleuchtete.
„Scheiße!“, stieß er den Qualm mit einem Fluch aus.
Alter, du bist so was von erledigt.
2
Gerädert erwachte Sheryl aus einem traumlosen Schlaf. Ihr Verstand war wie umnebelt.
Für einen kurzen, irrationalen Moment dachte sie, sie wäre wieder zu Hause, in ihrem eigenen Bett und ihre Mutter käme bald zur Tür herein, um sie an die Schule zu erinnern, während ihr Vater in der Küche das Frühstück vorbereiten könnte.
Doch das war eine Illusion.
Dieses Bett hier war fremd. Ebenso das gelbe Sonnenlicht, welches durch die halb geöffnete blaue Jalousie vor dem Fenster zu ihr in den Raum fiel. Es beleuchtete ein Ort, der ihr unbekannt war und von dem sie nicht wusste, wie sie ihn erreicht hatte.
Das Laken unter ihr war weiß und frisch. Auch das mintgrüne Kopfkissen und die Zudecke machten einen guten Eindruck. Sie roch noch den blumigen Weichspüler.
Behutsam setzte sie sich auf. Und ihr Körper meldete sich protestierend zu Wort. Ihr Rücken schmerzte, ihre Beine, ihr Kopf – doch am meisten ihr Bauch. Ihr ganzer Beckenbereich.
Wieso?
Was ist passiert?
Was -
Plötzlich dämmerte es ihr.
Die Wüste. Das Hostel. Und dieser … dieser … Mistkerl!
Zornig sprang sie aus dem Bett, aber ihre Beine wollten Sheryl noch nicht halten und so fiel sie lang auf die kobaltblaue Auslegeware. Jetzt taten ihr auch Knie und Ellenbogen weh. Klasse …
Die schlechten Neuigkeiten rissen nicht ab. Beschämt wurde das Mädchen sich ihrer Nacktheit bewusst. Wo war ihr Rucksack? Wo ihre Klamotten? Ihre Schuhe? Obwohl sie allein war, sehnte sie sich nach dem Schutz der Kleidung.
Suchend betrachtete sie das Zimmer genauer.
Rechts von ihr befand sich eine kleine Küchenzeile mit angrenzendem Waschraum. Ein Esstisch für zwei Personen stand in der freien Ecke und ein Sessel plus Beistelltischchen stilisierte mit einem Schrank links den Wohnbereich abseits vom Bett. Dort entdeckte Sheryl zum Glück einen weißen Bademantel. Wankend stand sie vom Boden auf und griff nach dem weichen Stoff, der auf dem Polster lag. Wie das Bett roch das Frottee sehr sauber und hastig warf sie es sich über. Als sie den Gürtel zusammenziehen wollte, stutzte sie. Wie erstarrt blickten ihre Augen an sich hinunter.
An ihren Schenkelinnenseiten … klebte getrocknetes Blut. Ängstlich legte das Mädchen ihre Finger darauf und die empfindliche Haut sendete sofort einen entsprechenden Reiz. Erinnerungsfetzen blitzten in Sheryls Kopf auf. Ein erstickendes Keuchen entfuhr ihrer Kehle und abermals gaben ihr die Beine nach.
Es war kein Albtraum gewesen.
Sie konnte es fühlen.
Wie er sie …
Tränen kullerten über ihr Gesicht und tropften auf den Teppich.
Oh Gott. Oh großer Gott! Bin ich etwa von ihm schwanger?, dachte sie fassungslos und das Herz in ihrer Brust hörte auf zu schlagen.
Sheryl erinnerte sich, wie sie bei ihrer Freundin Conny einmal übernachtet hatte. Die beiden Teenager waren lange bis in die Nacht aufgeblieben und hatten sich Late-Night-Talkshows reingezogen. Über die jungen Frauen, die sich von irgendeinem Mann hatten schwängern lassen, der sie dann mit dem Balg zurückließ, um seine Gene noch anderswo zu verteilen, konnten sie nur den Kopf schütteln.
„Gott, sind die blöd!“, hatte Conny gelacht. „Haben die noch nie was von Verhütung gehört? Die müssen echt verzweifelt gewesen sein! Ohne Gummi würde ich keinen Typen an mich ranlassen! Ich bin zu jung für ein Kind!“
Um ein Schluchzen zu verhindern, hielt sich Sheryl den Mund zu.
Nun saß sie hier, möglicherweise mit der Brut dieses … Bastards im Bauch.
Und was jetzt?
Sie wischte sich die Tränen fort.
Der Zorn stieg wieder in ihr auf.
„Du Arschloch!“, brüllte sie ihn durch die Wände an.
Entschlossen, ihn für ihre Schmerzen und die Belastung bezahlen zu lassen, stand sie auf, zog den Mantel zu und verließ das Zimmer barfuß durch die Tür nach draußen.
Sheryl betrat einen langen Korridor mit hellgrauen Wänden, an denen keine bunten Bilder hingen und nirgends eine Zimmerpflanze ihr Dasein fristete. Der Boden war mit dem gleichen blauen Teppich ausgelegt, wie das Innere des Raumes hinter ihr. Zu beiden Seiten gingen weitere, mit weißen Ziffern nummerierte Holztüren ab, die wohl in andere Gästezimmer führten, doch kein Besucher ließ sich blicken. Oder gar hören. Alles blieb ruhig.
Nervös ging sie erst ein paar Schritte nach links, besann sich dann aber und lief nach rechts. Auf einem letzten Durchgang stand die Aufschrift Stairway. Hastig drückte sie die abgewetzte Messingklinke und kam in ein noch schlichteres Treppenhaus mit Metallgeländer und betonierten Stufen. Der an der Wand stehenden 2 entnahm sie, dass sie sich im zweiten Stock befinden musste und so gut sie konnte, rannte sie nach unten. Fast wäre sie so manches Mal gestolpert. Weil die 1 noch nicht ebenerdig verlief, stieg sie weiter hinab. Im „Erdgeschoss“ angekommen, ließ Sheryl sich beinahe durch die Außentür fallen.
Heiße Luft blies ihr entgegen.
Ein klarer Morgen, die Sonne stand noch nicht hoch. Im Nord-Westen sah sie noch Ausläufer der schwindenden Nacht.
Der quadratische Innenhof des Hostels, die weite Wüste, der endlose Highway – alles zeigte sich ihr still und ausgestorben. Kein Mensch, kein Tier, kein Wagen, der einen Laut von sich gab. Gerade mal glaubte sie,