Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe). S. G. Felix

Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe) - S. G. Felix


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verstehe nicht, Erster.«

      »Kommt mit«, forderte Koros seinen Berater auf und ging zur anderen Tür des Saales, die durch ein schweres Schloss gesichert war. Koros wühlte in der Tasche seines Gewands und brachte einen großen alten Messingschlüssel zum Vorschein. Er öffnete das Schloss und zog die schwere Holztür auf.

      Wrax war gespannt, was sich hinter der Tür verbarg. Koros hatte stets dafür gesorgt, dass niemand auch nur in die Nähe dieses Raumes kam, und nun war er auf einmal bereit, ihm sein Geheimnis preiszugeben. Wahrscheinlich wollte er ihm endlich das Buch zeigen, von dem sein Erster immer sprach. Endlich würde er Wrax in seine Pläne einweihen.

      Anders als Wrax es erwartet hatte, traten sie in eine winzige fensterlose Kammer ein. In diesem dunklen Raum befand sich nichts außer einem kunstvoll geschnitzten Sockel mit einem Buch darauf und einem Kerzenständer mit drei großen Wachskerzen, die Koros rasch entzündete.

      Wrax starrte gebannt auf das Buch. Es war groß. Es hatte einen dunklen Ledereinband. Und es schien alt zu sein. Sehr alt. Mehr konnte Wrax bei dem schlechten Licht nicht erkennen.

      »Was ist das für ein Buch, Erster?«, fragte er.

      Koros schaute ihn verschwörerisch an. »Dies, mein treuer Berater, ist nicht nur einfach ein Buch. Es wird alles verändern. Es wird mich verändern. Und Euch auch, Wrax. Es wird den Planeten in eine neue Zeit führen.«

      Wrax überlegte, verstand aber nicht, was Koros damit meinte.

      »Erster, ich hielte es für besser, wenn Ihr mir Eure Pläne erklärt.«

      »Alles zu seiner Zeit, Wrax. Ihr werdet alles früh genug erfahren.«

      Wrax schwieg, und der Herrscher merkte, dass sein Berater mit dieser Antwort nicht zufrieden war. »Aber ich werde Euch zumindest das erklären, was Ihr vielleicht doch wissen solltet.«

      Wrax hörte seinem Ersten konzentriert zu. Er war erregt von der Vorstellung, in Koros Pläne zumindest teilweise eingeweiht zu werden, aber ihn beschlich dabei auch ein ungutes Gefühl.

      »Der Plan, Brelius als Marionette zu benutzen, nachdem ich erfahren hatte, dass er den Schlüsselstein besitzt, ist allem Anschein nach hervorragend gelungen. Niemand hat etwas bemerkt. Und niemand wird mich mit seinem Tun in Verbindung bringen.«

      »Ja, Erster.«

      »Und durch das Verschwinden der Largonen bleibt uns ein Krieg mit ihnen erspart. Wir werden die Gorgens zur Festung schicken und nach dem Geheimgang suchen lassen, der in das Innere der Anlage führt.«

      »Aber wieso, Erster? Können wir jetzt nicht einfach bei den Largonen sozusagen einfach durch die Tür hereinspazieren? Jetzt, da sie nicht mehr dort sind.«

      »Wir sollten zuerst nach dem Geheimgang suchen, denn ich traue dem Frieden, der dort herrschen soll, nicht. Die Späher könnten mich reingelegt haben. Oder die Largonen sind schlauer, als sie aussehen. Vielleicht haben sie einen Hinterhalt vorbereitet. Der Geheimgang könnte uns daher einen taktischen Vorteil geben. Ich glaube zwar nicht, dass sie noch dort sind, aber ich wähle lieber den sicheren Weg. Jetzt, so kurz vor dem Ziel will ich keine Risiken mehr eingehen.«

      »Was hat es mit dem Zeittor auf sich, Erster? Was wollt Ihr damit anfangen? Welche Macht besitzt es, dass es Euch danach so sehr sehnt?«

      Koros lächelte seinen Diener sanftmütig an: »Das Tor ist nicht nur ein Pfad durch die Zeit. Es ist der Schlüssel zur Ewigkeit.«

      »Ihr sprecht in Rätseln. Wollt Ihr etwa eine Zeitreise mithilfe des Tores machen? Erster, ich muss Euch dringend davon abraten! Zeitreisen bringen Tod und Verderben. Das kennt man doch aus zahlreichen Gedichten und Kinderliedern.«

      Koros fasste Wrax an der Schulter und grinste selbstherrlich. »Nur keine Sorge, Wrax. Ich habe nicht vor, eine Zeitreise zu machen. Das würden die Späher nicht erlauben, denn sie sind es, die über die Zeit wachen.«

      »Aber was wollt Ihr dann mit dem Tor anfangen?«

      »Ganz einfach. Ich will es hierher zu mir holen. Jetzt, da die Largonen offensichtlich fort sind, und niemand mehr über das Zeittor wacht, können meine Truppen es ungehindert entfernen und hierher in meinen Palast bringen. Sollten die Largonen wider Erwarten doch noch dort sein, dann werde ich mir das Tor mit Gewalt holen«, sagte Koros ganz sachlich, als sei es das Normalste der Welt.

      Wrax wurde bei dem Gedanken an Gewalt, welche Form sie auch immer annehmen sollte, übel. »Aber wozu soll das gut sein, Erster? Es ist verboten, das Tor zu entwenden. Deshalb wurde es ja von den Largonen bewacht. Oder habt Ihr etwa vor, das Tor nun zu bewachen?«

      Koros grinste breit. »Nun, so könnte man es auch ausdrücken.«

      »Ich fürchte, ich verstehe nicht, Erster. Das einzige Tor auf der Welt, das in der Lage ist, Lebewesen durch die Zeit zu schicken. Das Tor, das seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt wurde und nicht benutzt werden darf.«

      »Das ist nicht ganz richtig, Wrax. Es ist nicht das einzige Tor.«

      Wrax schaute seinen Ersten fassungslos an. »Nicht das einzige Tor?«, wiederholte er ungläubig. »Ihr meint, es gibt noch eines?«

      Koros nickte feixend. In diesem Moment fühlte er sich über alles erhaben.

      »Wo ist es?«

      »Ratet, mein treuer Berater.«

      »Ihr seid in seinem Besitz?«

      Koros nickte wieder und sein Grinsen wurde immer breiter.

      »Aber, aber wozu? Wozu braucht Ihr zwei Tore, Erster? Und was hat dieses Buch damit zu tun?«

      »Das Buch wird mir helfen, die Tore zusammenzubauen. Die beiden Tore sind nur Fragmente. Zwei Fragmente, die zusammen wieder ein Ganzes bilden. Und wenn dies vollbracht ist, werden wir die beiden Tore an der Barriere von Valheel aufbauen, wo die Wirkung des Avioniums am stärksten ist.«

      Wrax’ Fassungslosigkeit nahm kein Ende.

      »An der Barriere? Aber Erster, was wollt Ihr dort? Die Bewohner der Ahnenländer werden das nicht dulden, was immer Ihr vorhabt.«

      »Ihr habt recht, Wrax. Das, was ich vorhabe, wird die Dreizehn Häuser der Ahnenländer auf jeden Fall aufschrecken lassen. Es wird sie erschüttern. Deshalb wird es Eure Aufgabe sein, Wrax, für mich eine Armee aufzustellen.«

      »Eine Armee, aber warum?«

      »Wrax, Eure Fragen nehmen ja kein Ende«, unterbrach ihn Koros und lachte selbstgefällig. »Wie ich schon sagte: Alles zu seiner Zeit. Kümmert Ihr Euch um die Aufstellung der Armee. Sammelt jeden ein, der bereit ist, für mich aus Überzeugung oder für Geld zu kämpfen. Ihr solltet auch kämpfende Tiere organisieren und Gedankenwandler, die sie kontrollieren. Außerdem sollen zwei Brücken gebaut werden, damit wir über die Schlucht zu den Ahnenländern gelangen können. Die Pläne dafür sind bereits ausgearbeitet, und das Material habe ich schon beschaffen lassen.

      Wir müssen uns jetzt beeilen. Die Zeit drängt.«

      Für Wrax ergab das alles immer noch keinen Sinn. Koros wollte das Zeittor der Largonen und ein zweites, das er schon besaß, zu etwas Neuem zusammenbauen. Was mochte das bewirken? Er wollte wieder nach dem ‚Warum’ fragen, aber er ließ es bleiben. Mehr würde Koros ihm nicht erzählen. Noch nicht. Mehr wäre für Wrax wahrscheinlich in diesem Moment auch zu viel gewesen.

      Doch eine Sache wollte er noch wissen: »Ich werde mich bemühen, Eure Wünsche zu erfüllen, aber gestattet mir noch eine letzte Frage.«

      »Ich höre.«

      »Als ich nach dem Menschen namens Antilius fragte, zeigtet Ihr mir daraufhin das Buch. Was hat es mit ihm zu tun?«

      »Der Name dieses Menschen kommt in diesem Buch vor, und zwar derart häufig, dass ich Grund zur Beunruhigung habe. Ich kann Euch aber noch nichts Genaueres sagen. Ich werde das Buch noch einmal befragen.«

      Koros ließ seine flache Hand sanft über das Buch streichen. Plötzlich bemerkte Wrax, dass irgendetwas in seinem Kopf zu


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