Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe). S. G. Felix

Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe) - S. G. Felix


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      »Du musst! Denke an das Skelett, das du erledigt hast. Es hat sich nicht gewehrt.«

      »Aber diesmal hört sich das sehr lebendig an.«

      »Dann lass mich schauen.«

      Zittrig hielt sich Antilius den Spiegel über die Schulter, während das Ding hinter ihm wieder knurrend seinen widerlichen Odem entgegen blies.

      »Da ist nichts. Ich sehe nichts. Moment mal! Jetzt verstehe ich es. Du darfst dich davon nicht ängstigen lassen. Das ist das Geheimnis. Der Korridor spielt mit deinen Ängsten. Nichts hier drin ist real. Das Grauen der Dunkelheit kann sich nur von deiner Angst ernähren. Daraus schöpft es seine Energie. Du musst deine Angst überwinden und dir vorstellen, dass hier nichts ist. Beim Skelett hat es auch funktioniert.«

      »Aber ich spüre doch seinen Atem!«, stöhnte Antilius.

      »Vertraue mir. Das bildest du dir nur ein. Nur durch deine Vorstellungskraft kannst du das Monster verschwinden lassen. Es kann nur durch deine Angst existieren. Wenn du dich nicht umdrehst, wirst du es weiter hinter dir hören. Und es wird dich weiter schwächen.«

      »Wie soll ich das machen?«, schrie Antilius verzweifelt.

      »Konzentriere dich! Sag dir, dass dort nichts ist. Es ist nur deine Einbildung. Und dann drehst du dich um.«

      Antilius ballte seine Fäuste, kniff die Augen zu und wiederholte innerlich die Worte von Gilbert. Er versuchte, sich nur darauf zu konzentrieren.

      »Es ist nicht real. Es ist nicht real.«

      Immer wieder wiederholte er die Worte, bis er begriff, dass das Atmen und das Knurren hinter ihm aufgehört hatten.

      Er öffnete wieder die Augen und horchte. Dann drehte er sich um. Es war weg. Er hatte es besiegt.

      »Sehr gut! Du hast es verschwinden lassen«, freute sich Gilbert und machte einen Luftsprung in seinem Zimmer, sodass er fast an die Decke gestoßen wäre.

      Antilius wollte sein Glück nicht herausfordern. Verkrampft ging er weiter zum anderen Ende des Korridors und mit einem Mal stand er mit einem einzigen Schritt in einem beleuchteten Raum, obwohl er überzeugt war, dass er noch mindestens hundert Meter hätte laufen müssen.

      Es war eine riesige Halle. Endlich.

      Vor Schwäche schwindelte ihm. Er setzte sich auf den Boden aus Stein und lehnte sich an eine Wand.

      »Sieh doch! Wir haben es gefunden«, rief Gilbert aufgeregt.

      Antilius drehte seinen Kopf nach rechts und schaute auf ein würfelförmiges Gebilde, das nur aus dünnen Streben bestand und keine Wände besaß. Er hatte sich bis dahin das Tor ganz anders vorgestellt und war sich zunächst nicht sicher, ob es auch wirklich das Tor war, nach dem sie suchten. Aber er fühlte, dass es das Tor war.

      Kein Zweifel.

      Es war das Zeittor.

      Gilbert ließ seinem Freund eine Weile Zeit, sich wieder zu erholen. Er selbst hatte den Dunklen Tunnel nur durch die Spiegelwand mitbekommen und konnte nur erahnen, welche Ängste Antilius in der Finsternis durchlitten haben musste.

      »Geht es dir jetzt besser?«, fragte er.

      »Ja, ja.« Antilius sammelte sich wieder. Er steckte Gilberts Spiegel in seinen Gürtel und begann, das Würfelgerüst, das anscheinend das Zeittor war, zu untersuchen. Es befand sich in der Mitte des Saales. Der Würfel war fast so groß wie das Haus, in dem Brelius Vandanten lebte.

      Im Würfelinneren gab es allerdings nichts Interessantes zu sehen, außer dem Fußboden. Er wies Rußspuren auf.

      »Siehst du das, Gilbert? Sieht fast so aus, als wäre hier etwas verbrannt. Oder jemand.«

      Das Würfelgestänge sah äußerst stabil aus. Wahrscheinlich war es auch aus Amedium gefertigt. Die Streben, aus denen das Gerüst bestand, waren so dick wie eine Faust. Zusätzlich waren sie über und über bedeckt mit eingravierten Texten. Es schien sich um eine Symbolsprache zu handeln, die auch Gilbert nicht kannte. Antilius betrachtete die Schrift genauer. »Was da wohl geschrieben steht?«

      »Sieht irgendwie nicht wie ein Tor aus«, sagte Gilbert.

      »Das muss es aber sein.« Der Meister schlich einmal um das Tor herum, wurde dadurch aber auch nicht schlauer.

      »Nun mach schon!«, drängte Gilbert.

      »Hmm?«

      »Geh in das Tor! Stell dich hinein!«

      »Ich weiß nicht. Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache. Und das nicht nur wegen des Rußes auf dem Boden.« Den Gedanken, dass das kleine Häufchen Ruß einmal Brelius gewesen sein könnte, verdrängte Antilius rasch.

      »Das sagst du jetzt? Das hättest du mir mal vorhin im Tunnel sagen sollen. Das Schlimmste hast du doch überstanden.«

      »Und was ist, wenn es nicht funktioniert?«

      »Das wirst du erst herausfinden, wenn du dich in das Tor stellst.«

      Antilius fiel keine Ausrede mehr ein. Nur widerwillig bewegten ihn seine Beine näher an das symmetrische Objekt heran.

      Zunächst berührte er vorsichtig das Gerüst. Es war warm. Sehr warm. Ganz im Gegensatz zur unterkühlten Raumtemperatur.

      »Es ist ganz warm, Gilbert.«

       Es ist warm. Es weiß, dass du kommst. Es erwartet dich.

      Er atmete noch einmal die kalt-feuchte Luft des Jetzt in seine Lungen. Dann trat er in das Innere des Würfelgebildes und verharrte dort angespannt. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde. Schmerzen? Der Tod?

      Nichts tat sich. Antilius seufzte. Gilbert stierte gebannt durch den Spiegel. »Warum tut sich nichts?«, wunderte er sich.

      »Wir müssen einen Fehler gemacht haben. Vielleicht brauchen wir den Schlüssel, den Brelius benutzt hat.«

      »Das glaube ich nicht. Wenn das Tor warm ist, bedeutet das, dass es vor Kurzem benutzt wurde oder zumindest aktiv ist, so wie es Brelius in seinem Tagebuch gesagt hat.«

      Antilius kam eine Idee. »Wir erwarten immer, dass ein Licht auftaucht, eine Tür sich öffnet oder ein unheimliches Geräusch ertönt. Vielleicht dürfen wir das aber nicht. Wir sollten uns einfach hindurch tragen lassen, ohne irgendwelche Erwartungen zu haben.«

      »Wie meinst du denn das? Und wie kommst du darauf.«

      Antilius versuchte, seinen Kopf freizumachen von Ängsten, Hoffnungen oder Erwartungen.

      Zu seiner eigenen Überraschung fiel ihm dies nicht sonderlich schwer. Der Schalter der Rationalität in seinem Kopf funktionierte ganz hervorragend. Es war ein Teil einer besonderen Gabe, die er besaß und über die er noch nichts wusste. Die gleiche Gabe, die ihn das Eingangstor zum Hauptgebäude unbewusst hatte öffnen lassen.

      Und tatsächlich geschah es. Das würfelförmige Gerüst begann zu zittern. Zuerst leicht und danach immer heftiger. Mit einem Schlag stießen schwarze Energiestrahlen aus allen vier Innenkanten des Würfels und durchdrangen Antilius’ Körper. Sie bereiteten ihm keine Schmerzen. Das schwarze Licht konzentrierte sich auf seinen Bauch und nahm immer stärkere Intensität an. Es blendete ihn nicht. Es war weder bedrohlich noch freundlich. Es war einfach nur schwarz. Ein Knall wie bei einem Blitzschlag erschallte. Antilius wurde schwarz vor Augen. Er war aber noch bei Bewusstsein. Instinktiv hatte er bei dem Knall die Augen geschlossen.

      Als er sie wieder öffnete, waren die Energiestrahlen weg. Er befand sich immer noch in demselben Raum. Nichts schien sich verändert zu haben. Das schwarze Licht war verschwunden.

      »Hat es geklappt?«, fragte Gilbert.

      Antilius schaute sich


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