NACHT ÜBER DUNKELHEIT. M.D. Redwood
ganz mir«, entgegnete Sonnenorden Junior. »Für ihn sehen die Jungen sowieso alle gleich aus.«
»Trotz des außergewöhnlichen Falles nicht?«
»Nein, auch jetzt nicht. Zwischenfälle kommen vor.«
Sonnenorden Junior wollte sich die Sache gar nicht erst von seinem Vater streitig machen lassen. Am Ende würde der vielleicht einzige ungewöhnliche Fall seiner Verantwortung entzogen. Schließlich tat sich der alte Magier sehr schwer, irgendetwas aus der Hand zu geben. Sonnenorden Junior bemühte sich also, das Interesse seines Vaters so wenig wie möglich zu wecken.
»Was geschieht eigentlich mit dem Waffenlager? Wird es wieder aufgebaut.«
»Ja, und zwar genauso wie es war.«
»Nicht verstärkt, es sollte doch Zaubersprüchen standhalten können, sonst passiert vielleicht Schlimmeres.«
„So etwas ist noch nie passiert und wird auch nicht nochmal passieren. Die Konstruktion war magiesicher und hielt auch dem Gewaltwortzauber stand.“
»Aber es wurde dem Erdboden gleich gemacht.«
»Weil die Struktur bereits angegriffen und verschlissen war.«
Der Arzt nickte und drehte sich um. »Er ist wach.«
Sonnenorden Junior wandte sich zu Vigor. »Endlich.«
Er zog die Decke des Jungen zurück. Vigors Kopf und bloßer Oberkörper kamen zum Vorschein. Vigor kroch auf die andere Seite der Matratze und warf einige schnelle Blicke durch den Raum, seinen Zauberstab suchend.
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sprach Sonnenorden Junior. »Ich werde dir nichts tun.«
Vigor sah ihn misstrauisch an. Er entdeckte seinen Zauberstab hinter dem Nachttisch an die Wand gelehnt und streckte sich danach. Seine Finger versuchten das Holz zu erhaschen.
»Wo bin ich?«, fragte Vigor, um Zeit zu gewinnen.
»Du bist im Krankenflügel«, erklärte der Arzt.
»Was ist denn passiert?«
»Du hattest einen Unfall«, erwiderte der Arzt und sah Sonnenorden Junior fragend an. Vigor griff seinen Stab, niemand schien einen Versuch zu unternehmen, ihn zu entwaffnen.
»Versehentlich hast du eine Explosion ausgelöst und damit eine Kettenreaktion in Gang gesetzt«, ergänzte Sonnenorden Junior, »die ziemlich viel kaputt gemacht hat.«
»Oh.« Vigor klang betroffen. Er wollte seine Schule doch nicht am ersten Tag schon klein schlagen.
»Aber keine Sorge, wir kümmern uns bereits darum. Es ist allerdings ein sehr großer Schaden, weswegen es viel Zeit und Arbeit in Anspruch nimmt.«
»Das tut mir Leid.«
»Es ist alles kein Problem«, erwiderte Sonnenorden Junior, »solange du mit uns und insbesondere mit mir zusammenarbeitest.«
Vigor nickte. Der Magier wandte sich an den Arzt. »Danke, das wäre im Moment alles.«
Der Arzt verbeugte sich und verließ die Raum. Sonnenorden Junior winkte mit drei Fingern zur Tür, diese schlug zu.
»Zum einen erwarte ich von dir, dass die Geschehnisse geheim bleiben.« Der Magier sah ihn mit Nachdruck an. »Zum anderen will ich mit dir über deine Eltern reden.«
»Ihr wisst wer sie sind?«, platzte Vigor heraus. »Leben sie noch? Wo sind sie? Kann ich sie sehen?«
»Nein, ich will von dir wissen, wer deine Eltern waren und was sie taten.«
»Aber ich kenne sie nicht.«
»Was heißt du kennst sie nicht? Jeder kennt seine Eltern.«
»Ich aber nicht.«
»Das lässt sich einfach überprüfen.«
Vigor sah ihn fragend an. Sonnenorden Junior legte seine Hand Vigor auf den Kopf. Er lächelte. »Revelarus.«
Vigor hatte ein flatterndes Gefühl im Kopf. Der Magier drang in Vigors Gedächtnis ein. Er durchsuchte die Erinnerungen des Jungen; Waisenhaus, viele Reisen und diverse Freizeitspiele waren alles. An einigen Stellen schien gähnende Leere zu herrschen. Letztendlich fand der Magier nichts über Vigors Eltern.
»Hm, Gedächtnisverlust. Eines Tages wird es dir vielleicht wieder einfallen«, bemerkte Sonnenorden Junior. »Du findest dich heute Nachmittag in meinem Büro ein, damit wir die organisatorischen Angelegenheiten vor der Ausbildung regeln können.«
»Wo finde ich das?«
»Raus aus der Burg, rüber ins Schloss am See. Dort im Flügel zwischen Innenhof und Nordbucht. Ein Pförtner am Schloss wird dir den Weg erklären.«
Mit diesen Worten verließ Sonnenorden Junior den Saal. Zwei Wachleute in gelben Uniformen kamen dafür hinein. Volker stürmte an ihnen vorbei. »Vigor, du bist wach.«
»Hallo, Volker wie geht es?«
»Mir jetzt besser. Man wollte mich ewig lang nicht zu dir lassen. Und selbst?«
»Gut, habe ich viel verpasst?«
»Nein, knappe zwei Wochen, also für dich eher zwei Tage.«
»Ha ha«, erwiderte Vigor. »Ernsthaft, weil ich muss nachher schon zur Ausbildung.«
»Prima, dann kannst du gleich richtig mitmischen. Aufgemischt hast du ja schon alles.«
»Was meinst du?«
»Na ja, da war schon was los, nachdem du die Bude mal so richtig platt gemacht hattest. Schlechte Laune gehabt oder so?«
»Nein, es war ein Unfall. Die Steine waren porös und daher ist das Gebäude zusammengebrochen.«
»Zusammengebrochen?«, lachte Volker. »Du untertreibst. Das war ein Schleifen aller erster Güte und die Fetzen in alle Richtungen verteilt.«
»Das war ein Versehen.«
»Klar, man sprengt mal eben so ein Gebäude aus Versehen. Hoppla. Das war der Nachbar.« Volker grinste. »Oh, Mist, das war die Burg. Wem willst du das erzählen?«
»Dir.« Vigor streckte die Zunge heraus. »Wen sollte ich sonst für dumm verkaufen können?«
»Du warte, sonst mach ich dich in deinem Bett so platt, wie du ein massives Gewölbe. Also erzähl mir keinen Stuss.«
»Doch es war wirklich ein Unfall«, beharrte Vigor. Volker verschränkte die Arme. Vigor deutete mit den Augen Richtung Tür. Volker runzelte die Stirn.
»Das ist wie bei der ersten Nacht bei der Floßfahrt. Man muss sich in der Wortwahl immer an den Gegenüber anpassen.«
»Sonst führt es zu Missverständnissen mit jeder Menge Ärger«, erwiderte Volker. Er hatte verstanden und wechselte aus dem Stand das Thema.
»Du kannst mir auch helfen, meinen neuen Freund aufzumuntern. Er ist ein wenig niedergeschlagen.«
»Warum das?«
»Du weißt doch das übliche, Mutterverlust und so.«
»Da sind wir ja Experten drin.«
»Genau, in seinem Fall sind ein Paar Spinnen heiß auf die Braut gewesen. Also dann bis nachher und lass dich nicht von den Dämonen beißen.«
Volker verließ den Saal.
Knappe zwei Stunden nachdem Volker gegangen war, tauchte der Arzt wieder auf. »Wie fühlst du dich?«
Vigor zuckte die Achseln. »Gut, denke ich.«
»Dann kannst du gehen«, erwiderte der Arzt. »Am besten sucht du zunächst seine Eminenz im Schloss am See auf.«
»Werde ich tun.«
Vigor rappelte sich auf, schob die bloßen Füße aus dem Bett und setzte sich auf die Kante. Seine Kleidung lag säuberlich auf einem Nachttisch neben