DEBORA. T.D. Amrein
hatte. Von Wespen wollten sie jedoch ebenfalls nichts bemerkt haben.
„Schluss für heute, mon Cherié“, sagte Guerin schließlich, als die Zeuginnen gegangen waren. „Jetzt gehen wir schön essen, und dann gleich ins Bett.“
„Ich bin noch nicht so sehr, müde“, antwortete Michélle lächelnd.
„An Schlafen hatte ich eigentlich nicht gedacht“, antwortete Guerin.
„Gibt es hier denn kein Tanzlokal oder so was Ähnliches?“, fragte Michélle zurück.
„Natürlich gibt es das, aber ich bin ein lausiger Tänzer“, antwortete Guerin leicht verlegen.
„Dann musst du dringend üben“, stellte sie fest. „Ich gebe dir dann heute Abend gleich die erste Stunde!“
„Schwachstelle gefunden und sofort darin herumstochern, so seid ihr Frauen“, seufzte Guerin.
„Ja, wenn du nicht möchtest?“
„Doch natürlich, ich würde es gerne lernen, ich hatte nur bisher wenig Gelegenheit. Und vermutlich werde ich dir dabei ab und zu auf deine hübschen Füßchen treten.“
„Da bist du keineswegs der Einzige, der das auch schon versucht hat“, antwortete sie schelmisch. „Mach dir deswegen um mich keine Sorgen.“
Während des Essens fiel Guerin plötzlich ein, woher er den Namen der ersten Zeugin kannte. Der unbekannte tote Motorradfahrer hatte eine Rechnung von einem oder einer namens Nagel in der Tasche gehabt. Allerdings nicht von einem Zahnarzt, da war er sich sicher.
Um die Stimmung nicht zu stören, ließ er sich nichts anmerken. Das konnte bis Montag warten.
2. Kapitel
Samstagnachmittag in Hausen im Wiesental. Matthias Brändle gönnte sich ein Bier. Schließlich hatte er gerade die letzte Schubkarre geleert, die in der Wechselmulde vor dem Haus noch Platz fand.
Monate hatte es gedauert, bis er mit dem Aushub für die Erweiterung des Hauses beginnen konnte. Die Baugenehmigung hatte er im Wohnzimmer eingerahmt aufgehängt.
Hinter dem Haus, das seine Eltern kurz nach dem Krieg gekauft hatten, lag ein sehr steiler Abhang mit einer dünnen Humusschicht auf dem rötlichen Sandstein, der sich weiter oben ab und zu zeigte.
Nur deshalb hatte er die Behörden schließlich überzeugen können, dass keinerlei Rutschgefahr bestand.
Matthias war in diesem Haus aufgewachsen. Soweit seine Erinnerung zurückreichte, hinter dem Haus wucherte schon immer diese absolut undurchdringliche Brombeerhecke. Die hatte ihn die letzten zwei Samstage beschäftigt. Seine Frau hatte ihn die ganze Zeit damit geneckt, dass er dahinter wohl ein Dornröschen vermutete.
Ganz zu Ende war der Kampf noch nicht, die Wurzeln der Brombeeren würden ihn noch eine Menge Schweiß kosten. Für eine Baumaschine reichte der Platz einfach nicht aus.
Matthias rechnete damit, dass er auch noch ein Stück Sandstein von Hand abbrechen musste. Jedoch solange er das selbst machte, kostete es schließlich auch nicht viel.
Mit frischer Kraft griff er nach dem Pickel. Es zeigte sich, dass er an den Seiten des Ausbruches, bald auf Stein stieß. Jedoch in der Mitte drang das Werkzeug leicht bis zum Stiel ein. Also begann er dort, die Erde herunterzukratzen. Die herabhängenden Wurzeln bildeten praktisch einen Vorhang, hinter dem er immer weiter eindringen konnte.
Bis zum Abend hatte er so viel Erde gelöst, dass es für eine weitere Wechselmulde ausreichen würde. Zufrieden betrachtete er sein Werk. Wenn man so davorstand, sah es wie ein Höhleneingang aus, ging ihm durch den Kopf.
Nach dem Abendessen, die Sache ließ ihm keine Ruhe, obschon er hundemüde war, versuchte er mit einer langen dünnen Eisenstange, die Tiefe bis zum Fels zu messen. Die Stange fand kaum Widerstand, sie ließ sich einfach immer weiter einschieben bis zu ihrem Ende. Hinter der Erde musste sich ein Hohlraum oder nur noch ganz lockeres Material befinden.
Trotz der Spannung, heute konnte er nicht mehr weitermachen. Gähnend schlurfte er ins Haus zurück. Dornröschen würde bis Montagabend warten müssen.
***
Am Montagabend, Matthias hatte etwas früher Feierabend gemacht, räumte er erst die gelockerte Erde weg, bis ihn ein Gewitter zwang, die Arbeit zu unterbrechen.
Am Dienstagabend war es dann endlich so weit. Schaufel für Schaufel aus der lockeren Mitte landete auf einem Haufen zwischen dem Haus und dem Abhang. Die Neugier verlieh ihm eine Ausdauer, die ihn selbst erstaunte. Die Erde rutschte stets von oben nach, bis sich plötzlich eine Rundung abzeichnete.
Ein Gewölbe aus Sandstein. Das war trotz der schwarzen Schicht deutlich zu erkennen. War es möglicherweise eine Art Dorfbackofen gewesen, ging Matthias durch den Kopf.
Enttäuschung machte sich breit, was sollte in einem alten Ofen schon zu finden sein? Er hatte insgeheim doch auf einen veritablen Schatz gehofft.
Oder zumindest auf verborgene Räume, die seine Nutzfläche zum Beispiel um einen Weinkeller, in dem man auch Partys mit Freunden feiern konnte, erweitert hätten. Nur gut, dass er Margarethe noch nichts davon gesagt hatte. Er wusste, dass sie es nicht böse meinte, aber es traf ihn trotzdem jedes Mal, wenn sie ihn wegen seiner blühenden Fantasie auslachte.
Schluss für heute! Außerdem wollte er zuerst den nervigen Vorhang aus diesen Wurzeln weghaben, die ihm dauernd im Weg hingen. Dazu musste er sich jedoch irgendwo eine Leiter borgen. Und eine kräftige Maschine mit flachem Spitzmeißel besorgen, um dem Wurzelwerk gründlich zu Leibe zu rücken …
Bis Freitag hatte er immerhin die Leiter organisiert, dabei war es jedoch geblieben.
Jetzt, am Samstag, hieb er mit einer alten Axt die Wurzeln, die ihn so lange geärgert hatten aus den Ritzen. Schlag für Schlag legte er den Sandstein bis auf gute zwei Meter Höhe völlig frei. Mühsam war es schon. Die Axt wurde rasch stumpf, die Leiter half zwar aufzusteigen, stand jedoch gleichzeitig auch im Weg.
Trotzdem, bis zum Mittagessen war der Sandstein oben sauber, unten war ein respektabler Wall entstanden. Am Nachmittag würde er eine weitere Mulde mit Erde, Sandsteinstücken und Wurzeln füllen können.
Für den Rest und den Inhalt des "Ofens" würde er noch eine Letzte brauchen, dann waren die Erdarbeiten endlich beendet, schätzte er.
Die Rückwand des neuen Anbaus, eine Mauer aus Zementsteinen, würde auf dem Sandstein guten Halt finden. Zuvor galt es jedoch, eine Entwässerungsrinne in den Stein zu schlagen. Die nächste Knochenarbeit, die auf ihn wartete.
Kurz nach drei, die Mulde war gefüllt, ein Bier getrunken, machte er mit dem Ausschaufeln des Ofens weiter. Schnell wurde die Öffnung oben größer, das Gewölbe schien doch einige Meter in den Fels zu reichen. Außerdem zeigte sich, dass das Loch nicht einfach mit Erde gefüllt war, sondern eher nur an der Außenseite zugeschüttet.
Matthias stellte die geborgte Leiter noch einmal auf, um besser einen Blick ins Innere werfen zu können. Viel war nicht zu sehen, ein dunkles Loch. Matthias warf einen Stein in die Öffnung, deutlich hörte er ein Glas klirren.
Also wohl doch ein Keller.
Mit einer Taschenlampe bewaffnet stieg er abermals auf die Leiter. Jetzt wollte er es genau wissen.
Der Raum maß sicher vier mal vier Meter, stellte er fest. Viel war zwar nicht zu erkennen, an der Rückwand standen Regale, die unter einer dicken Staubschicht lagen. Matthias war trotzdem begeistert. Ein Felsenkeller. Was konnte man da alles aufbewahren. Käse, Bier, Wein und zur Not auch noch Kartoffeln.
Mit neuer Kraft grub er weiter. So schnell wie möglich wollte er in den Raum.
Er brauchte nur genug Platz, um oben durchzukriechen, den Rest der Erde konnte er später noch wegräumen.
Mit den Füssen voran ließ er sich auf der Rückseite des Erdhügels hinuntergleiten.