DEBORA. T.D. Amrein

DEBORA - T.D. Amrein


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es wird schon für uns drei eng.“

      Matthias antwortete nicht darauf. Etwas unheimlich war das schon, aber deshalb alles aufgeben? Die letzten Jahre hatte er das Gebäude Stück für Stück renoviert, alles, was vom Verdienst übriggeblieben war, steckte in diesem Haus. Der Anbau sollte noch der Höhepunkt werden, fast eine Villa, hatte er immer gescherzt.

      Und jetzt! Wer würde ihm die Bude abkaufen, mit dem gruseligen Leichenkeller?

      Alles war umsonst gewesen! Die Erkenntnis trieb auch ihm die Tränen in die Augen.

      „Ich brauche das Auto“, murmelte Margarethe. „Ich muss ja nun jeden Tag die Kinder in die Schule bringen, bis wir wieder einen festen Wohnsitz haben.“

      „Nimm es“, antwortete er gleichgültig. Was scherte er sich überhaupt noch um irgendetwas. Er konnte sich dann gleich ein wenig hinlegen, dachte er. Das Einzige, wonach ihm wirklich zumute war.

      ***

      Am nächsten Tag fand im Präsidium in Freiburg die Einsatzbesprechung statt. Sieber hatte auf der Ortsverwaltung in Hausen doch noch einige Informationen auftreiben können. Das Haus war bis kurz vor Kriegsende an eine Familie Wallner vermietet gewesen. Zugezogen aus Berlin, war in der Akte vermerkt. Die letzte Mietzinszahlung war im April fünfundvierzig geleistet worden, noch in bar an die Ortsverwaltungskasse. „Das war damals so üblich, nicht jeder hatte ein Bankkonto“, führte Sieber aus, was ihm von Polizeirat Vogel ein Stirnrunzeln eintrug. Danach hatte noch jemand handschriftlich vermerkt, Familie verschollen. Die Personalien: Vater Ewald Wallner, Frau Anette, genannt Anne, Töchter, Helene und Hildegard. Die Familie lebte von einer Rente der Kriegsopferversorgung, deshalb war die Miete tiefer als üblich, auch dazu gab es einen Eintrag in der Akte. „Der Archivar der Ortsverwaltung hat mir versprochen, weiterzusuchen“, schloss Sieber seinen Bericht.

      Krüger hatte sich schon gestern und die halbe Nacht damit beschäftigt, wie er vorgehen wollte. „Ich denke“, begann er, „dass wir systematisch im Dorf die Senioren befragen, jemand sollte sich doch noch erinnern. An die Familie, diese Wallners. Sicher hat doch jemand als Kind dort gespielt und weiß noch von diesem Keller. Den zuzuschütten, war eine ziemliche Arbeit, hat das eventuell jemand mitbekommen? Damit möchte ich Michélle betrauen. Ich gehe davon aus, dass sich, äh, ältere Herren am ehesten einer jungen Frau öffnen.“

      Den Blick, den er dafür von Vogel erhielt, ließ sich nicht so einfach einordnen, er konnte Erstaunen oder Empörung ausdrücken.

      „Sie beginnen auf der Ortsverwaltung, Michélle!“, fuhr Krüger ungerührt fort. „Lassen Sie sich eine sortierte Liste der ältesten Einwohner geben, welche Sie dann aufsuchen und befragen können. Viele andere Möglichkeiten sehe ich zurzeit nicht, bis wir Laborergebnisse und die DNA der Opfer haben.

      Oder hat jemand einen Vorschlag?“, gab er in die Runde.

      Sieber meldete sich. „Wir könnten doch auch in den Archiven der Wehrmacht nachforschen?“

      „Ja natürlich, Sie und Grünwald übernehmen das. Mit den anderen Möglichkeiten hatte ich nur die Ermittlungen vor Ort gemeint, die internen Sachen laufen so wie immer“, wehrte Krüger ab.

      Krüger wandte sich an Michélle. „Haben Sie irgendwelche Fragen?“

      Dazu im Moment noch nicht. Aber ich hätte Sie gerne in einer anderen Sache kurz allein gesprochen, Chef.

      „Kommen Sie nach der Besprechung in mein Büro!“

      „Und Sie, Herr Polizeirat?“

      „Viel Glück, kann ich da nur noch sagen. Da der Fall solange zurückliegt, wird die Öffentlichkeit kaum mit schnellen Ergebnissen rechnen.

      Also können wir den Aufwand begrenzen. Wir ermitteln selbstverständlich gründlich, jedoch ohne Eile. Neue Fälle haben jederzeit Vorrang. Nach fünfzig Jahren kommt es auf einen Tag mehr oder weniger schließlich auch nicht mehr an.“

      „Das bleibt natürlich unter uns“, fügte Krüger an.

      Vogel nickte. „Genauso wie alles andere, was wir hier besprechen!“, ergänzte er laut.

      „Natürlich, Herr Polizeirat“, beeilte sich Krüger, zu sagen. Er würde trotzdem nicht auf die Meinung von Elisabeth verzichten. Gerade in einem solch komplizierten Fall. Ob Vogel wirklich nie mit seiner Frau über einen Fall sprach? Es konnte natürlich sein, dass sie davon lieber gar nichts hören wollte.

      ***

      Michélle suchte Krüger am Nachmittag auf, um das angekündigte persönliche Gespräch zu führen. Sie wollte ihn über den Vorfall vom Wochenende informieren. Seit dem gemeinsamen Abendessen im Winter wusste Krüger, dass sie mit Guerin eine Beziehung hatte. Er würde ihr deshalb kaum Vorwürfe machen, dass sie praktisch an einer polizeilichen Befragung in Frankreich teilgenommen hatte, hoffte sie. Dies war eine äußerst heikle Angelegenheit, wie jeder Polizist im Grenzgebiet wusste. Es war ja auch nicht ihre Absicht gewesen, sondern hatte sich eher so ergeben. Die Verantwortung dafür lag überdies klar bei Kommissar Guerin. Und der würde sie bestimmt nicht in Schwierigkeiten bringen. Michélle erinnerte sich noch genau an den Moment, als sie ihn ihrem Chef vorgestellt hatte. Krüger bestand darauf, nichts bemerkt zu haben, was Michélle damals zuerst nicht glauben wollte.

      Die beiden Kommissare hatten sich zuerst sehr bemüht, ein Gesprächsthema zu finden, das nichts mit dem Beruf zu tun hatte. Kennengelernt hatten sie sich schon früher, der Kontakt war allerdings bis dahin nur dienstlich gewesen.

      Ein leidenschaftlich geführtes Kartenspiel brach das Eis. Michélle und Elisabeth verstanden sich auf Anhieb. Sodass sich der Abend schnell zu einem Duell zwischen den Geschlechtern entwickelte. Krüger und Guerin, durch den weiblichen Frontalangriff augenblicklich zum Team zusammengeschweißt, verteidigten sich wacker und konnten ab und zu ein paar Punkte verbuchen. Den Sieg trugen allerdings die Damen davon.

      Der Gewinn war natürlich eher symbolisch. Krüger hätte Essen und Getränke ohnehin selbst übernommen. Der größere Erfolg bestand darin, dass man sich echt angefreundet hatte.

      Michélle berichte kurz, was am Samstag in Colmar vorgefallen war. Dass das Opfer aus Deutschland stammte und wie ungewöhnlich die Befragung dieser Frau Doktor Nagel verlaufen war.

      „Wie geht’s Eric?“, war trotzdem Krügers erste Frage.

      Michélle strahlte. „Danke, es geht ihm gut. Er wird einen Antrag auf gemeinsame Ermittlungen stellen. Außerdem fragt er auch ab und zu nach Ihnen. Sie sollten sich wirklich wieder einmal treffen!“

      „Dann könnte sich ja bald eine Gelegenheit ergeben“, stellte Krüger fest. „Ich würde mich freuen.“

      „Ich werde es ihm gerne ausrichten“, versprach Michélle.

      „Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie Sie die Ermittlungen im Einzelnen angehen wollen?“, fragte Krüger nach. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu sehr überrumpelt bei der Besprechung. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass Sie mehr erfahren können. Nicht bloß, weil Sie eine Frau sind, natürlich“, schwächte er ab. „Die Landbevölkerung tickt auch anders. Ich denke, dass Sie das am besten von allen hier erspüren und sich anpassen können.“

      „Auf jeden Fall werde ich es versuchen“, versprach sie. „Auch wenn ich nicht davon überzeugt bin, die Beste zu sein“, antwortete sie verlegen.

      „Doch, doch, Sie sind die Beste“, beharrte Krüger. „Höchstens vor einem Umstand muss ich Sie warnen. Das könnte einer dieser Fälle sein, den Sie bis zu Ihrer Pensionierung nicht lösen können.“

      Damit entlockte er ihr ein Lächeln.

      „Sie reagieren absolut richtig“, stellte er fest. „Es ist wichtig, dass Sie diese Möglichkeit nicht zu schwernehmen. An solchen Geschichten sind schon einige Kollegen zerbrochen, weil sie den ausbleibenden Erfolg mit den Jahren einfach nicht mehr ertragen haben. Vor allem, wenn auch noch Kinder involviert sind. Also zögern Sie nicht, wenn es Ihnen zu viel wird. Sagen Sie es mir, dann übergeben wir die Sache an einen anderen Beamten.“

      „In


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