Stargeflüster. Ava Lennart
einem Mal ergab sein ganzes geheimnisvolles Verhalten von gestern Abend einen Sinn. Seine Vermummung, dass er nicht zu den Menschenmassen in den Central Park wollte und sie die einzigen Gäste in dem japanischen Lokal gewesen waren. Wie peinlich! Sicherlich hatte er das gesamte Lokal gebucht und sich köstlich über ihre dummen Sprüche amüsiert. Stöhnend verbarg Salomé ihr Gesicht in den Händen.
„Zaza, was tust du? Du zerstörst dein Make-up“, hörte sie Dominique leise murmeln.
Salomé schluckte. Sie brauchte einen Moment für sich. Als sie sich gerade erheben wollte, um die Damentoilette aufzusuchen, fasste Philippe sie am Arm.
„Zaza, das geht nicht. Dein Einsatz kommt gleich.“ Salomé schaute ihn panisch an. Kaum hatte Philippe geendet, erscholl auch bereits Howard Benchs dröhnende Stimme im Raum.
„Meine Damen und Herren! Es ist mir eine besondere Ehre die entzückende Vertreterin des diesjährigen Hauptsponsors dBB zu begrüßen. Salomé de Bertrand, die Präsidentin der de Bertrand-Bank New York!“
Nate sog scharf die Luft ein. Was hatte Howard gesagt? Zaza war hier?
Er blinzelte gegen die Scheinwerfer in die Richtung, in die Howard deutete, und entdeckte sie, halb erhoben an einem der nahen runden Tische. Sie wirkte geschockt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Nate an. Dann schien sie sich zu besinnen. Sie richtete sich auf, zeigte ein strahlendes Lächeln und schwebte wie ein Engel auf Nate zu. Er schluckte.
Wow. Sie sah aus wie eine Göttin. Benommen starrte Nate auf die unzähligen goldschillernden Schmetterlinge, die ihre durch das Kleid betonten Hüften umschwirrten. Irgendetwas war mit ihren Augen. Sie wirkten so groß und klar.
Howard Bench hatte Salomés Hand ergriffen und schien von ihr eine Begrüßung des berühmten Hollywoodstars zu erwarten.
Nate blickte verwirrt auf die von Salomé dargebotene Hand, die er automatisch ergriff. In dem Moment, in dem ihre kleine, warme Hand seine berührte, überkam ihn ein heftiger Impuls, dem er instinktiv nachgab. Er zog sie an sich und küsste erst die eine, dann ihre andere Wange. Im Saal war erneut ein Raunen zu vernehmen, gespickt mit vereinzelten Lachern. Wie gerne hätte er Salomé den erstaunten Ausdruck vom Mund geküsst, der leicht offen stand und ihm verlockend nah war.
Ganz der Showman, neigte er sich erklärend zum Mikrofon und hauchte mit seiner sinnlichsten Stimme, garniert mit seinem weichen schottischen Akzent:
„Bei uns in Schottland habe ich gelernt, dass man Französinnen zur Begrüßung zweimal küsst.“
Er perfektionierte die Rolle des frechen Schuljungen, indem er die Achseln hob und offen in die Menge grinste. Plötzlich fühlte er sich am Revers seines Smokings gepackt. Salomé verpasste ihm nun ihrerseits drei Küsse auf seine Wangen. Zwischen den Küssen blickte sie ihn mit ihren hellen blauen Augen so herausfordernd an, dass ihm ganz schwindelig wurde. Das Publikum johlte bereits.
Dann beugte sich Salomé vor und sagte in ihn perfekt imitierender Stimmlage ins Mikrofon: „Tja, ich bin überhaupt keine Französin. Da musste wohl jemand Mister Hamilton mal beibringen, dass man Schweizerinnen sogar dreimal küsst.“
Der Saal brüllte vor Lachen. Und auch Howard Bench neben ihnen konnte sich kaum gerade halten.
„Köstlich, köstlich!“, wieherte er, während er sich die Lachtränen aus den Augen tupfte.
Beschwichtigend hob Salomé ihre Arme und stellte sich erhobenen Hauptes an das Stehpult. Sie wartete einen Moment, bis sich die Gäste beruhigt hatten, und begann mit ihrer Rede.
„Wie viel schöner ist es, wenn wir sogar lachen, während wir helfendes Geld aufbringen.“ Sie zwinkerte Howard Bench zu, der sie bewundernd ansah. Salomé setzte in gewohnter Souveränität ihre Rede fort und stellte den Anwesenden, ohne auch nur ein einziges Mal Notizen zu bemühen, die Projekte und Errungenschaften der Organisation vor. Unaufdringlich gelang es ihr dabei, das selbstlose Engagement von dBB einfließen zu lassen.
Nate tat, als würde er ihren Worten zuhören. Während er äußerlich den aufmerksamen Filmstar mimte, versuchte er, die Stürme, die diese Frau in seinem Innern ausgelöst hatte, zu bändigen. Er hatte oft gelesen und sogar gemimt, wie es sein würde, aber noch nicht am eigenen Leib erfahren.
Dieser Moment brannte sich für immer in sein Gedächtnis. Salomés kontrollierte Gestik, die sanften Fältchen um ihren Mund, eine vorwitzige Haarsträhne, die sich während des Kusstausches aus ihrer Frisur gelöst hatte und nun ihre hohen Wangenknochen streichelte, das Blitzen ihrer Augen. Sein Blick wanderte unmerklich tiefer und versank im Spiel ihrer zarten Halsmuskeln, streifte die Linie ihrer perfekten Schlüsselbeine und verharrte bei der weichen Wölbung ihrer Brüste, die vom Dekolleté dieses atemberaubenden Kleides sanft nach oben gedrückt wurden.
Nate schluckte. Ihm wurde heiß, und unbewusst griff er sich an seinen Kragen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er soeben unter den Blicken des ganzen Saales Salomés Brüste angestarrt hatte. Er riss sich zusammen und fixierte stattdessen ihre gepflegten Hände, die sanft über das Pult strichen und in kontrollierten Gesten ihre Rede untermalten. Als sie sich mit ihrer Hand während eines Zwischenapplauses strahlend die Haarsträhne hinters Ohr schob, war es gänzlich um Nate geschehen.
Er hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt, sie begehrt und unbedingt wiedersehen wollen. Als er sie jetzt beobachtete, potenzierten sich diese Gefühle und etwas veränderte sich unmerklich und unwiderruflich in ihm. Er schluckte trocken.
Wie sollte er das nur Liz beibringen?
Der offizielle Teil der Preisverleihung war überstanden. Salomé schmerzte der Kiefer nach dem anstrengenden Dauerlächeln. Howard Bench hatte sie nach ihrer Rede nicht vom Podest lassen wollen. Und so stand sie während der Ansprache von Nate weiterhin im Scheinwerferlicht.
Sie musste zugeben, Nate machte seine Sache mehr als gut. Sie hatte schon befürchtet, er werde den gesamten Abend die Rolle des schottischen Lausbuben beibehalten. Zu ihrer Verblüffung hatte er mit ernster Miene seine Ehre zum Ausdruck gebracht, eine wichtige Rolle an diesem Abend zu spielen, der ihm „ein Herzensanliegen“ sei. Die Worte, mit denen er dem Preisträger den recht klobigen Tower verlieh, ließen durch geschickt platzierte Details darauf schließen, wie gut Nate vorbereitet war.
Nach Nates Rede stürmten die Fotografen und Journalisten zum Podium. Das Publikum, das sich inzwischen erhoben hatte und den Rednern und dem Preisträger mit Standing Ovations zujubelte, verursachte einen solchen Lärm, dass Salomé kaum verstand, was die hektischen Fotografen riefen. Sie stellte sich in Pose, und Nate rückte an ihre Seite. Im ersten Moment wollte sie sich vor ihn schieben, bis ihr wieder bewusst wurde, dass die Fotografen wohl eher ihn als sie ablichten wollten. Daran musste sie sich erst gewöhnen. Welch ein Trubel!
Nate stellte sich ganz dicht neben Salomé und musste ein Grinsen unterdrücken, denn er hatte Salomés Impuls, sich vor ihn stellen zu wollen, deutlich gespürt. Er legte seinen Arm sanft um ihre Schulter, und sofort wurde ihm wieder heiß. Er musste sich extrem beherrschen, um sie nicht hier vor allen Zuschauern und der versammelten Presse filmreif in seine Arme zu ziehen und mit einem besitzergreifenden Kuss zu markieren. Was löste diese Frau nur in ihm aus?
Als Salomé nach ein paar gnädigen Minuten der Besinnung in den Waschräumen an ihren Tisch zurückkehrte, hatte ihr Bruder Nate bereits jovial unter seine Fittiche genommen und dem Star zur Freude der weiteren Tischgäste einen Platz freigeschaufelt.
Auch Nates Freundin saß bereits neben Dominique und unterhielt sich mit ihr. Wie hieß sie noch gleich? Salomé hatte bei ihrem Namen an einen russischen Tanz denken müssen, „Kalin-kakalin-kakalin-kakala“. Wenn ihre Freundin Julia jetzt