Stargeflüster. Ava Lennart
die Augen.
„Was nicht ist, kann ja noch werden.“ Allegra verschwand summend in ihrem Zimmer.
„Habe ich dir nicht gerade erzählt, dass er vergeben ist?“, rief Salomé hinterher.
„Papperlapapp!“
Salomé schüttelte lächelnd den Kopf und nutzte die Wartezeit, um die Chanelrobe gegen eine bequeme Jogginghose und einen Schlabberpulli zu tauschen.
Als die beiden Frauen wenig später wieder beim Sofa zusammenfanden, beäugte Salomé misstrauisch die etikettlose Flasche in Allegras Hand.
„Ich wusste gar nicht, dass es in Nepal Wein gibt.“
Allegra grinste über das Ablenkungsmanöver.
„Gibt es eigentlich auch nicht. Also, zumindest nicht da, wo ich war. Man muss nur die richtigen Leute kennen.“ Allegra goss die bernsteinfarbene Flüssigkeit in die Küchengläser. „Cheers! Auf muskelbepackte Sexgötter und wahre Freundinnen auf dem Sofa.“
Salomé grinste über den für Allegra typischen Trinkspruch und stieß an. Nach dem ersten Schluck blieb ihr allerdings die Luft weg.
„Was zum Teufel ist das denn?“, konnte sie gerade noch mit brennendem Hals krächzen.
Allegra lachte wieder schallend. Gott, wie hatte Salomé die ungebändigte Lebensfreude Allegras vermisst.
„Okay, ich geb’s zu: Es ist eher Schnaps als Wein. Und vielleicht auf einer Basis vergorener Ziegenmilch. Aber er wärmt und desinfiziert. Vor allem, wenn man nach einem Erdbeben zwischen Schuttbergen hausen muss, ist das mehr als praktisch.“ Einen Moment runzelte Allegra die Stirn und war auf einmal innerlich sehr weit weg.
Salomé brannten die Fragen auf der Zunge, wie vorher der Schnaps. Aber heute Abend war nicht der geeignete Moment, Allegra über das Elend auszuhorchen, das sie erlebt hatte. Erfahrungsgemäß würden die kommenden Tage einzelne Informationshappen von ihr kommen.
Salomé stellte das Glas beiseite und dachte sehnsüchtig an den Champagner, den sie vor nicht mal einer Stunde auf der Gala zu sich genommen hatte. Womit sich ihre Gedanken wieder auf Nate konzentrierten. Wie klug seine Ansprache gewesen war. Seine Ausstrahlung ließ auch sie nicht kalt: diese Mischung aus Mann und Charmeur, Stärke und Humor. Und diese samtene Stimme mit dem schottischen Akzent. Und wie sexy sein muskulöser Körper in dem edlen Smoking ausgesehen hatte. Und wie er roch.
Ihr wurde ganz flau bei der Erinnerung daran. Sie gestand sich ein: Sie war genauso verrückt nach ihm wie die anderen Frauen. Wie gerne sie mit ihm getanzt hätte. Aber er war doch vergeben! Sie musste sich ihn aus dem Kopf schlagen.
Allegra hatte sich wieder gefangen. Sie unterbrach Salomés Tagträume, indem sie die Hände laut zusammenschlug.
„Hallo, hier bin ich. Jetzt schieß endlich los! Wie hast du ihn noch mal kennengelernt?“
Als Salomé Stunden später etwas schwindelig in ihrem Bett lag, grübelte sie über Allegras Ratschläge nach. Typisch Allegra, hatte diese ihr geraten, den Stier bei den Hörnern zu packen.
„Man lebt nur einmal und das nur sehr kurz. Du triffst dich noch mal mit ihm und fragst einfach, wer diese Frau war, mit der er telefoniert hat und was er mit dem Model am Laufen hat. Dann hast du wenigstens was getan. So passiv kenne ich dich gar nicht. Tz, tz. Wird Zeit, dass ich mal wieder in deinem Leben aufräume.“
Wie froh Salomé war, dass Allegra ihr den Kopf zurechtgerückt hatte. Mit einem Mal schien alles möglich. Sie knuffte ihr Kopfkissen und sank in unruhigen Schlummer.
„Hey, Bigmouth, lebst du noch? Dachte schon, weibliche Fans haben dich als Sexsklaven verschleppt “, fragte Sean in seiner direkten Art.
Nate hatte ihn vermisst. War es wirklich schon Wochen her, dass er mit seinem besten Freund telefoniert hatte?
„Ja, sorry. Strengt halt an, wenn jede Nacht drei Frauen befriedigt werden wollen. Und dann noch tagsüber die lästigen Dreharbeiten. Da bleibt keine Zeit zum Telefonieren mit schottischen Schafhirten.“ Er liebte das Geplänkel mit Sean.
Es tat gut, dessen Lachen so nah bei sich zu hören, obwohl dieser am anderen Ende der Welt saß. Sean wusste, dass Nate kein Typ für einen One-Night-Stand war. Schon gar nicht, seit es Liz gab. Er gehörte zu den wenigen Menschen, denen Nate voll vertraute.
„Jetzt mal ehrlich, wie geht es dir?“
„Wie man’s nimmt. Durch die Premiere von Highlander-Resurrection bin ich für die Öffentlichkeit wohl noch interessanter geworden. Meine Agentin hat mir jetzt sogar einen persönlichen Leibwächter verordnet. Leo ist beeindruckend. Er hat mich heute Morgen vom Privatjet abgeholt und steht seitdem vor meiner Tür.“
Seans Grinsen am anderen Ende der Leitung war fast hörbar. Nate wusste, dass Sean es nicht lassen konnte, weiter zu sticheln.
„Bigmouth hat also einen Babysitter bekommen. Wie rührend. Meinst du, er wird dich auch in den Schlaf singen?“ Sean konnte sich kaum mehr halten vor Lachen.
Nate gab ein grunzendes Geräusch von sich, ging aber nicht auf ihn ein.
„Zu deiner Frage: Alles ist immer noch sehr faszinierend. Ich hetze von Talkshow zu Pressetermin. Gestern wurde mir ein Amandas-Secrets-Model als Begleitung aufgedrückt, und ich musste mit zwei Dutzend Omas auf einer Gala tanzen, während mir die einzig aufregende Frau im Saal von Ferne zuwinkte. Das war ungefähr so wie im Traum, wenn man durch zähe Masse läuft und nicht zu seinem Ziel kommt.“
„Also, wenn du mal keinen Bock mehr auf den Job als Hollywoodstar hast, übernehme ich gerne. Schließlich verdienst du mit einem Film so viel wie unsereiner in zehn Jahren nicht. Und ein Topmodel als Begleitung – darüber kannst auch nur du dich beschweren. Welches denn eigentlich? Die Blonde mit dem Bauchnabelpiercing?“
„Also sie war brünett. Ivana irgendwas.“
„Doch nicht etwa die Kalinka!“
„Ja, mag sein. Ist mir egal. Ich habe kaum drei Sätze mit ihr gewechselt.“ Nate ignorierte Seans Stöhnen. „Ich hätte jedenfalls nicht gedacht, dass berühmt sein so einsam macht.“
Einen Moment war es still in der Leitung. Nate war verblüfft, wie automatisch dieser Satz über seine Lippen gekommen war. Fühlte er sich wirklich einsam? Er räusperte sich.
„Aufregende Frau, eh?“
Nate seufzte. War ja klar, dass Sean zu gut zugehört hatte. Er war ihm trotzdem dankbar, dass er seine letzte Bemerkung überging. Nate fuhr sich durch die Haare.
„Ja, sehr aufregend.“
„Aus New York?“
„Wie man’s nimmt. Das erste Mal habe ich sie vergangene Woche in Südfrankreich gesehen. Dort haben wir uns kennengelernt und zusammen getanzt.“
„Und was macht die auf einer Gala in New York mit lauter Omas?“
Nate schnaubte belustigt.
„Sie ist die Tochter einer Schweizer Bankiersfamilie und leitet die New Yorker Filiale. Die Bank war Schirmherrin der Gala.“
Sean pfiff anerkennend.
„Bankierstochter. Klingt nach ziemlich großer und kluger Nummer.“
Nate hörte leise Glas klirren. Er kannte Sean so gut, dass er wusste, dieser goss sich gerade ein Glas Whisky ein. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass es in Schottland schon Abend war, während hier in L. A. gerade mal der Vormittag begann.
„Ja, klug ist sie. Leider so klug, dass sie sich instinktiv von mir fernhält. Das Schlimmste kam zum Schluss. Ich sah, wie sie die Gala verlässt, und bin schreiend hinter ihr hergerannt. Am Auto hat sie mich dann kalt abserviert. Und die Presse mutierte zu einer blutrünstigen Bestie. Es war grausam, so stehen gelassen zu werden.“
Nate