Stargeflüster. Ava Lennart
wahrgenommen hatten. Dabei glitten sie auch noch mühelos über das Parkett. Ein schönes Paar! Nate konnte ein Knurren gerade noch unterdrücken. Mit wenigen Schritten war er bei ihnen.
„Doktor Hagopian, darf ich Ihre charmante Tanzpartnerin für den nächsten Tanz entführen?“
„Selbstverständlich, Mister Hamilton.“
Hagopian nickte Salomé kurz zu und übergab ihre Hand an Nate. Sein höflicher Blick konnte nicht über den Missmut hinwegtäuschen, sie einem anderen Mann zu überlassen.
Salomé lächelte ebenfalls freundlich, selbst noch, als sie Nate in die Augen schaute. Also war sie doch böse darüber, sie nicht über sich aufgeklärt zu haben. Nate nahm sich vor, alle Register seines Charmes zu ziehen, um ihr wieder das Funkeln in die Augen zu zaubern, das ihn auf Mirabel bereits so fasziniert hatte.
Er spürte ihre Hüfte an seiner Hand. Ihr zartes Parfum stieg ihm in die Nase, und ihr Duft löste eine ganze Kaskade von Begehren aus. Gerade wollte er dieses himmlische Wesen näher an sich ziehen, als die Band unerklärlicherweise das Stück unterbrach und ein Gong ertönte. Die tanzenden Paare wandten sich neugierig dem Podest zu, auf dem ein strahlender Howard Bench stand und wartete, bis das Stimmengemurmel abebbte. Frustriert entließ Nate Salomé aus seinen Armen. Als Howard die volle Aufmerksamkeit des Saales hatte, neigte er seinen Kopf über das Mikrofon. Sämtliche Augen waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet.
„Meine Damen und Herren. Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung. Sie dürfen gleich weitertanzen. Soeben wurde ich informiert, dass die Spendensumme des heutigen Abends die Summe von zehn Millionen Dollar erreicht hat. Das ist doch einmal einen Zwischenapplaus wert, finden Sie nicht?“
Die Gäste brachen in begeisterten Beifall aus. Zehn Millionen waren auch für die anwesenden High Networth Individuals eine ordentliche Summe, vor allem wenn man bedachte, dass der Abend noch andauerte und weiter gespendet werden konnte.
Nate allerdings biss sich vor Ungeduld auf die Lippe. Er konnte es kaum abwarten, den Tanz wieder aufzunehmen und allein mit Salomé zu reden. Endlich erklangen Howards erlösende Worte: „Das wollte ich nur mitteilen – und nun viel Spaß noch.“
Die Band stimmte die ersten Takte eines Cole-Porter-Songs an, und Nate wandte sich charmant lächelnd zu Salomé um, die Arme bereits halb geöffnet. Sein Lächeln gefror, als neben ihm nicht Salomé, sondern Howard Benchs Frau stand. Diese interpretierte Nates Geste in ihrem Sinne und begab sich sogleich begierig in seine Arme. Verzweifelt blickte Nate sich um und machte Salomé am Rand des Parketts aus, wo sie gerade von Howard Bench zum Tanzen geführt wurde. Nate seufzte. Was nicht ist, kann ja später noch werden, versuchte er, sich aufzumuntern.
Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Es wurde spät, und Nates Einsatz bei der Damenwelt fand kein Ende. Irgendwann bemerkte Nate, wie Salomé, Philippe und Dominique vor Howard Bench und seiner Gemahlin standen. An ihren Gesten erkannte er, dass das Trio sich verabschiedete. Salomé wandte sich suchend Richtung Tanzfläche, und als sie ihn entdeckte, hob sie die Hand, um ihn zum Abschied zu grüßen.
In diesem Moment wurde es Nate zu bunt. Galant führte er seine Tanzpartnerin an den Rand der Tanzfläche. Selbst ihm kam die Ausrede, die ihm auf die Schnelle einfiel, fadenscheinig vor, aber es war ihm egal. Leider hielt ihn Howard Bench, von dem er sich verabschieden musste, länger auf, als ihm lieb war. Er riss sich zusammen, nicht im Laufschritt aus dem Saal zu stürmen.
In der Eingangshalle erhaschte er gerade noch einen Blick auf Salomés Schmetterlingsrobe, bevor die Eingangstür hinter ihr ins Schloss fiel.
„Zaza!“, rief Nate laut, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte.
Einige der umstehenden Ballbesucher beäugten ihn neugierig.
Entgegen jeder Vernunft lief er los und durchmaß die Halle mit langen Schritten. Als er die Glastür passierte, setzte sofort ein ohrenbetäubendes Gekreische ein. Nate nahm es nicht wahr. Er war ganz auf die anfahrende Limousine konzentriert.
„Zaza!“, rief er nochmals.
Der Wagen hielt. Mit einem Surren öffnete sich die abgedunkelte Scheibe. Salomé blickte ihn fragend an. Nicht nur, dass die Dinge, die er ihr soeben noch dringend hatte sagen wollen, ihm nicht über die Lippen kamen. In diesem Moment wurde ihm bewusst, wie viele Augen ihn beobachteten.
„Ich wollte mich noch von dir verabschieden“, sagte er deshalb nur.
Salomé reichte ihm wortlos ihre Hand, die er fast verzweifelt ergriff. Die Limousine fuhr an, und ihre Hand entglitt ihm. Nate starrte wie in Trance den Rücklichtern des Fahrzeugs hinterher. Dann begann er blinzelnd wahrzunehmen, dass um ihn herum die Hölle ausgebrochen war. Die Ordner hatten alle Hände voll damit zu tun, die ekstatische Masse hinter der Absperrung zu halten. Ein Blitzlichtgewitter regnete auf ihn nieder.
„Nate, Nate! … Hierher! … Nate, ich lieeeebe dich!“, rief die wogende Menge ihm zu.
Obwohl ihm überhaupt nicht danach zumute war, setzte er sein lausbubenhaftes Lächeln auf, ergriff ihm entgegengestreckte Hände, ließ sich für Selfies umarmen und fand sogar einige charmante Worte gegenüber den aufdringlichen Reportern, die ihm ihre Mikrofone unter die Nase rammten.
Innerlich allerdings war er ganz woanders. Er konnte das Bild von Salomé, wie sie mit dem Arzt getanzt hatte, nicht abschütteln. Was dieses für ihn bis dahin unbekannte Gefühl zu bedeuten hatte, darüber wollte er allerdings lieber nicht nachdenken. Fakt war: Diesen Abend hätte er sich anders gewünscht. Ganz anders.
Das unterschwellige Brennen der Eifersucht hielt an, als ihm einfiel, dass seine heutige Begleiterin noch irgendwo sein müsste. In diesem Moment trat Ivana lächelnd nach draußen und hängte sich bei ihm ein. Es hatte schon Vorteile, wenn man einen Profi für eine solche Veranstaltung dabeihatte. Keine Fragen, keine Vorwürfe, keine Diskussionen. Zusammen posierten sie noch eine Weile für die Journalisten und Fotografen, bevor er seinen Fans ein letztes Mal zuwinkte, in seine eigene Limousine stieg und ins Hotel zurückfuhr.
ALLEGRA
Noch bevor Salomé die Haustür zu ihrem Apartment geschlossen hatte, kickte sie gedankenverloren die hohen Schuhe von den schmerzenden Füßen. Mit einem erleichterten Seufzer schaltete sie das Licht an.
„Wurde Zeit, dass du endlich aufkreuzt, du Rumtreiberin!“
Erschrocken fuhr Salomé herum, und sie stieß einen freudigen Schrei aus, als sie erkannte, wer sie da angesprochen hatte.
„Allegra!“
Als sie das schiefe Grinsen ihrer lang vermissten Mitbewohnerin und besten Freundin sah, war Salomés Müdigkeit wie weggeblasen. Blitzschnell lagen sich beide in den Armen und quietschten wie vierjährige Mädchen.
Salomé hatte eine Mitbewohnerin gesucht, weil sie es überdrüssig gewesen war, abends in eine leere Wohnung zu kommen. Diese Rechnung war nicht ganz aufgegangen. Salomé hatte die Bitte ihrer ehemaligen Klassenkameradin Allegra, mit der sie schon auf dem Schweizer Internat innig befreundet gewesen war, ihr ein Zimmer zu vermieten, jedoch nicht abschlagen wollen. In den seltenen Phasen, in denen Allegra in Manhattan war, kam Sonne in Salomés New Yorker Leben. Die beiden Freundinnen redeten dann unablässig, klebten aneinander und genossen das Leben als junge, ungebundene Frauen. Leider waren diese Phasen viel zu selten und meist zu kurz. Wenn Allegra wieder abreiste, kam Salomé ihre Wohnung umso einsamer vor.
„Wer ist hier die Rumtreiberin? Seit wann bist du da? Wo kommst du überhaupt her? Und wie lange kannst du bleiben?“ Erschrocken bemerkte sie, wie mager ihre Freundin geworden war und wie abgekämpft sie wirkte. Einzig das Strahlen der braunen Augen lenkte davon ab, dass selbst Allegras sonst so blonder Lockenkopf stumpf und schlaff am Kopf klebte. Salomés Herz zog sich vor Sorge zusammen.
Allegra erwiderte fest die Umarmung, bevor sie sich aus ihr löste und mit einen anerkennenden Pfiff Salomés Kleid kommentierte. „Die Frage ist doch eher, wo du herkommst, du Schmetterlingswesen?“
Salomé