An den Ufern des Nebraska. Lennardt M. Arndt

An den Ufern des Nebraska - Lennardt M. Arndt


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      Eine Verfolgung der Spur war nicht notwendig gewesen, da die Beobachtungen, die wir gemacht hatten, lediglich bestätigten, dass Weiße nach Plattsmouth gegangen waren, um dort Waren an den Mann zu bringen. Eine Gefahr für uns war deshalb nicht zu besorgen und so konnten wir unseren Ritt ohne Unterbrechung fortsetzen.

      Bei der Furt gab es ein größeres Zedernwäldchen, nach welchem der Cedar-Creek, der hier in den Nebraska mündete, wohl benannt worden war. In der Nähe dieses Wäldchens machten wir für heute halt.

      Firehand hatte eine Stelle zum Lagern ausgesucht, die besser gar nicht geeignet sein konnte. Wir hatten Wasser aus dem Nebraska und jenen Fluss direkt im Rücken. Nach Süden schloss unser Lagerplatz mit einem kleinen Buschwerk ab. Sodass wir nur eine Wache vor diesem Gebüsch abzustellen brauchten, um uns völlig sicher fühlen zu dürfen. Das Buschwerk musste ein von uns angefachtes Feuer weithin gegen Sicht abschirmen. Wir lagerten nicht an der Furt, sondern ein gutes Stück flussaufwärts derselben. Der Nebraska hatte hier eine größere Tiefe und Strömung. Es hätte wohl, zumal bei Nacht, kein Mensch gewagt, den Fluss hier zu durchschwimmen.

      Nachdem wir jetzt neun Tage unterwegs waren, waren heute Firehand und ich an der Reihe, die Gesellschaft mit etwas Essbarem zu versorgen. Während unseres heutigen Rittes hatten wir keinerlei Wild oder Geflügel zu Gesicht bekommen. Hier in dieser Gegend konnten wir aber sicher sein, noch erfolgreich bei der Jagd zu sein. Firehand hatte deshalb und wegen des guten Lagerplatzes heute schon früher zum Lagern geraten. In der näheren Umgebung unseres Lagerplatzes hatten wir, außer ein paar Wasservögeln, keinerlei Tiere bemerkt. Es würde noch gute drei Stunden Tageslicht geben und so stiegen wir wieder in die Sättel, um noch ein wenig weiter westlich nach jagdbaren Tieren zu suchen.

      Wir waren ungefähr eine halbe Stunde geritten, als Firehand sein Pferd anhielt und das Fernrohr, das er in einer seiner Satteltaschen mitführte, zur Hand nahm. Er richtete es auf eine Baumgruppe, die in südöstlicher Richtung vor uns lag. Als er einige Sekunden hindurchgesehen hatte, reichte er es mir mit den Worten herüber:

      „Habe mir doch gedacht, dass wir hier auf größeres Wild treffen würden. Weiß noch von früher her, dass es hier Hirsche gibt. Handelt sich um White-Tails32. Geben einen saftigen Braten ab, denke ich. Sieh mal in Richtung des Wäldchens dort hinten. Wenn du den Rand absuchst, wirst du einen ausgewachsenen Hirsch beim Äsen sehen.“

      Ich nahm das Fernrohr vor das Auge und suchte den Waldrand ab. Und …, ja da sah ich den Hirsch. Ich fragte:

      „Wie kommen wir an ihn heran, um sicheren Schuss zu haben?“

      „Der Wind geht nach wie vor von Osten. Wir kommen von Norden, er wird uns also nicht winden. Werden sicherheitshalber noch einen Bogen nach Südwest schlagen, dass wir gegen den Wind herankommen. Go on!“

      Bei diesen Worten gab er seinem Rappen die Fersen in die Weichen und galoppierte in der angegebenen Richtung davon. Ich tat es ihm gleich und holte schnell auf.

      Als wir gut eine halbe Meile westlich des Wäldchens an einem Gesträuch hielten, dass uns davor schützte, selbst gesehen zu werden, sahen wir den Hirsch, wie er sich äsend weiterbewegte. Wir waren jetzt in seinem Rücken. Firehand stieg ab, hobbelte seinen Rappen hinter dem Gesträuch an und mahnte mich, das Gleiche zu tun. Wir nahmen unsere Gewehre zur Hand und Firehand sagte:

      „Kriegt uns nicht in die Nase das Tier, wollen aber nun vorsichtig sein. Wir werden noch ein gutes Stück zu Fuß herangehen und sehen, wie weit wir uns wagen können. Möchte, dass du ihn dann aufs Korn nimmst. Will doch sehen, ob du heute auch noch Jagdglück hast.“

      Mit jedem Schritt, den wir uns dem Hirsch näherten, merkte ich, dass mein Puls schneller ging. Ich spürte, dass mich das Jagdfieber packte und muss gestehen, dass es mir schwerfiel, Ruhe zu bewahren. Firehand schritt voran und setzte näherkommend, immer vorsichtiger und geräuschloser einen Fuß vor den anderen. Als er hielt, wäre ich ihm fast in den Rücken gelaufen. Er drehte sich um und raunte mir zu:

      „Machst ja einen Lärm, wie eine ganze Büffelherde.“ Er schaute mich an. „Hast einen knallroten Kopf! Sollte dich etwa das Jagdfieber gepackt haben? Atme einmal tief durch, Junge und dann folge mir weiter. Von jetzt an aber, werden wir uns langsam weiter heranrobben. Das Gras ist hier nicht so hoch, dass wir den Hirsch nicht sehen würden.“

      Ich versuchte, wieder ruhiger zu werden und hielt mich neben Firehand. Als wir wieder eine ganze Strecke zurückgelegt hatten, konnten wir sehen, wie der Hirsch den Kopf hob und windete. Wir blieben jetzt liegen, wo wir waren und beobachteten weiter. Der Hirsch hatte nichts gewittert und fuhr fort, das Gras abzufressen.

      „Sollten uns jetzt nicht mehr weiter heranwagen.“, meinte Firehand, „könnten uns sonst alles verderben. Ist ein vorsichtiger Bursche der Hirsch. Die Entfernung scheint mir auch passabel.“

      Mein Puls ging immer noch schneller als gewöhnlich, aber seltsamer Weise merkte ich nun, wie ich immer ruhiger wurde, je näher der Moment kam. Ich nahm also meinen Karabiner vor und lud die Waffe durch. Auch Firehand lud seine Waffe und sagte:

      „Liegend hast du hier keine gute Sicht. Ich würde ihn kniend anvisieren. Versuche einen Schuss in die Flanke. Leicht rechts oberhalb des Vorderbeines.“

      Ich ging also in die kniende Schussposition und war nun sicher, das Tier nicht zu verfehlen. Als ich soeben den Abzug betätigen wollte, passierten zwei Dinge gleichzeitig. Aus den Wipfeln der Bäume des Wäldchens stoben ein paar Vögel auf, der Hirsch hob den Kopf und schnellte fast augenblicklich vorwärts. Ich versuchte, der Bewegung zu folgen und zog den Hahn durch. Der Schuss knallte und der Hirsch sprang weiter.

      Jetzt hob Firehand das Gewehr und schoss. Der Hirsch knickte in den Vorderläufen ein und fiel ins Gras. Ich wollte schon aufspringen und hinübereilen, da hielt Firehand mich zurück und raunte mir zu:

      „Wieder runter, Junge. Wollen abwarten, was nun passiert. Da drüben im Wäldchen gibt‘s Besucher. Jedenfalls hat irgendetwas die Vögel aufgestöbert und damit den Hirsch erschreckt. Also erst einmal liegen bleiben und beobachten.“

      Wir blieben also liegen, wo wir waren und beobachteten das Wäldchen scharf. Aber es tat sich eine gute Viertelstunde nichts weiter. Die Vögel hatten sich auch wieder niedergelassen und man konnte ihr Gezwitscher vernehmen.

      Firehand gab mir zu verstehen, dass er zum Wäldchen hinüberschleichen werde, um nachzusehen, ob nicht doch etwas oder jemand darin sei. Er gab mir sein Gewehr und einen seiner Colts. Nur mit dem anderen Revolver und seinem Messer bewaffnet, schlich er sich weiter an das Wäldchen heran. Als er den Waldrand erreicht hatte, konnte ich beobachten, wie er vorsichtig, jede plötzliche Bewegung vermeidend, in den Wald eindrang.

      Ich blieb liegen, wo ich war und wartete mindestens eine halbe Stunde. Dann sah ich Firehand wieder auf dem Wege, den er für den Hinweg genutzt hatte, zurückkommen. Er ging aber aufrecht, zwar langsam und Geräusche vermeidend, aber doch, ohne darauf zu achten, ob er gesehen werden könnte. Ich stand also auch auf und er winkte mich herbei. Ich nahm unsere Waffen und ging ihm entgegen.

      Er lächelte von einem Ohr zum anderen und sagte:

      „Gibt Besuch dort drinnen. Aber keinen menschlichen. Schauen uns diesen noch einmal zusammen an und sehen dann, dass wir uns unseren Hirsch schnappen und zum Lager zurückkehren.“

      Ich wunderte mich, was für ein nicht menschlicher Besuch dort im Walde stecken sollte, sah aber davon ab, danach zu fragen, weil ich mir dachte, dass Firehand mir nichts sagen würde, bevor wir nicht wieder dort wären.

      Wir drangen also wieder in den Wald ein und näherten uns dessen Mitte. Je näher wir kamen, desto vorsichtiger wurden wir nun doch, bis wir uns endlich, wieder auf dem Boden liegend, vorwärts schlichen. Ich beobachtete Firehand, der voran schlich, genau, wie er es geschickt vermied, kleinere Ästchen oder loses Gestein mit dem Körper zu berühren, um kein Geräusch zu verursachen. Er räumte mir den Weg von diesen Dingen fast vollständig frei, so dass ich keine Mühe hatte, ihm genauso lautlos zu folgen. Jedoch merkte ich, wie sehr diese Körperhaltung mir Brennen in Arm-, Bein- und Rückenmuskeln verursachte --- und wir waren gerade


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