An den Ufern des Nebraska. Lennardt M. Arndt

An den Ufern des Nebraska - Lennardt M. Arndt


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hohen Prairiegras hielten wir uns gebückt, um von weitem nicht sofort gesehen zu werden, sollte sich jemand unserem Wäldchen nähern. Als wir unsere Runde vollendet hatten, war die Dämmerung schon weit fortgeschritten. Wir kehrten jetzt um, um uns dem Wäldchen wieder zu nähern. Nach einigen Schritten blieb Firehand stehen, hielt mich am Arm zurück und bat mich, ebenfalls stehen zu bleiben. Er fragte:

      „Kannst du dir denken, weshalb ich hier stehen bleibe?“

      Ich antwortete:

      „Habe gesehen, wie Ihr die Nase in den Wind hieltet, bevor Ihr stehen bliebt, Mr. Firehand. Ich denke daher, dass auch ich jetzt einmal Witterung aufnehmen sollte.“

      „Nun, was witterst du?“

      „Ich rieche Rauch. Da der Wind von Nordwest kommt, also aus der Richtung unseres Lagerplatzes, denke ich, dass es sich um unser Feuer handelt.“

      „Denke es auch. Da wir den Rauch bereits hier wahrnehmen können, muss es sich um ein größeres Feuer handeln. Also hat Korner, das alte ‘Coon, ohne unsere Rückkehr abzuwarten, das größere Kochfeuer bereits entzündet. Werde ihm dazu wohl noch Bescheid geben.“

      Bei diesen Worten machte er auf mich aber nicht den Eindruck, als sollte dieser Bescheid allzu deutlich werden. Dann sagte Firehand:

      „Hast übrigens eine gute Nase, mein Junge. Habe den Rauch tatsächlich auch erst an dieser Stelle bemerkt. Musst nur noch lernen, deinen Sinnen zu vertrauen und auf dieselben zu hören. Soll heißen, sie zu deiner Vorsicht zu nutzen.“

      „Werde es mir merken“, sagte ich „und bei Gelegenheit meine Schlüsse ziehen.“

      „Und welche wären das, in dem Falle, dass du Rauch bemerkst?“

      „Nun, das liegt auf der Hand. Im Zweifel muss ich voraussetzen, dass der Rauch nicht von einem Feuer herrührt, das meine Kameraden unterhalten. Ich würde mich also vorsichtig und möglichst leise dem Feuer nähern und dabei versuchen, zu erkunden, welches die Ursache desselben ist oder wer das Feuer unterhält.“

      „Schön und gut,“ meinte Firehand, „ob dies allerdings so gelingen würde, wie du dir das zu denken scheinst, möchte ich doch bezweifeln. Das Annähern oder, notwendigen Falles, das Anschleichen sind dann doch Fertigkeiten, zu denen viel Übung und Erfahrung erforderlich ist.“

      „Mr. Firehand,“ unterbrach ich ihn, „mir ist klar, dass ich diese Fertigkeiten noch nicht besitze, aber Ihr wolltet wissen, welche Schlüsse ich ziehen würde. In meiner jetzigen Situation, würde ich also einen Kameraden auf meine Beobachtung aufmerksam machen und ihn bitten, der Quelle nachzugehen.“

      „So ist‘s richtig, Junge. Leichtsinn kann hier leicht ins Verderben führen, aber wie ich mir bereits dachte, verschwende ich meine Ermahnungen an den falschen Mann. Es ist immer gut, wenn man seine Möglichkeiten und Fähigkeiten richtig einzuschätzen weiß. Scheint mir bei dir der Fall zu sein. Werde also meine Ermahnungen künftig sparsamer austeilen.“ Er lächelte mich an. „Heute Abend scheinen sie bei Korner auch angebrachter.“

      Wir gingen weiter in Richtung des Wäldchens und konnten auch bald das Feuer sehen, das doch weit in die Ebene hineinschien, also tatsächlich recht groß sein musste.

      Wir gingen vollends heran und als die Pferde unsere Annäherung bemerkten, schnaubte der Rappe Old Firehands vernehmlich. Clinton, der die Pferde beaufsichtigte, hielt sofort sein Gewehr schussbereit und schaute sich um. Als er uns sah, wollte er uns zunächst zum Stehenbleiben auffordern, konnte aber bereits erkennen, wen er vor sich hatte und ließ das Gewehr wieder sinken.

      „Wenigstens einer ist hier wachsam“, meinte Firehand zu Clinton gewandt.

      „Komm mit zum Feuer, Frank. Für die nächsten Stunden, ist keine Annäherung irgendwelcher Leute zu befürchten. Unser Freund hier und ich haben die Umgebung eine halbe Meile breit abgesucht. Innerhalb des Kreises waren keine verdächtigen Spuren zu bemerken und, soweit die Sicht reichte, auch keine Annäherung von Menschen.“

      Clinton schloss sich uns an, und wir setzten uns zu den anderen an das Feuer. Firehand setzte sich neben Korner und ich sah, dass er diesem etwas zuraunte. Korner senkte ein wenig den Kopf und machte einen etwas betretenen Eindruck. Ich nahm also an, dass Firehand ihn wegen des zu früh entfachten Feuers zurechtgewiesen hatte. Dass er dies aber nicht vor der versammelten Kameradschaft tat, nahm mich noch weiter für ihn ein. Korner machte auch eher einen dankbaren, als einen gekränkten Eindruck.

      Als wir die Hühner verspeist hatten, wurden die Wachen verteilt und das Feuer in der vorhin von Korner erklärten Weise weiter unterhalten. Firehand meinte, dass ein solches Feuer in dieser Gegend vertretbar sei. Außerdem seien genug Leute anwesend, um Wachen auszustellen und dennoch einen tüchtigen Schlaf tun zu können.

      Diese Voraussetzung erwies sich als richtig. Nachdem meine Wache, die ich zusammen mit Bulcher hielt, vorüber war, legte ich mich schlafen und wurde früh am Morgen vom Kaffeeduft geweckt. Die Nacht war ohne Zwischenfälle verlaufen. Wir frühstückten ein wenig von den Resten des Huhns vom gestrigen Abend, tranken unseren Kaffee und machten uns fertig zum weiteren Ritt, bei dem wir den Bogen, den der Missouri hier nach Westen machte, abzuschneiden gedachten.

      Am Abend des Tages hatten wir, nach einem ebenso weiten Ritt, wie am Vortag, die Gegend von Booneville erreicht. Hier waren wir an einem der letzten Vorposten der Zivilisation angekommen. Es gab hier Salzquellen, die vor allem die Brüder Nathan und Daniel Morgan Boone, Söhne des legendären Pioniers und Waldläufers Daniel Boone, einige Jahre ausgebeutet und das gewonnene Salz nach St. Louis verbracht hatten.

      Wir machten an einer der inzwischen verlassenen Salzquellen halt und verbrachten hier die Nacht. Firehand wollte, weiter über Arrow Rock, den nächsten Bogen des Flusses abschneiden, und bei Carrolton am anderen Ufer, an einer ihm bekannten Furt, den Missouri überqueren. Von dort sollte es weiter nordwestlich durch die Prairie in Richtung Saint Joseph gehen. Hier wollten wir dann dem Lauf des Missouri weiter bis zur Mündung des Quicourt29 in den Missouri folgen. Firehand schätzte, dass wir für diesen Ritt ungefähr zwei Wochen brauchen würden.

      Über den weiteren Weg entlang des Missouri gibt es im Grunde nicht viel zu berichten. Firehand führte uns durch die Prairie und Flusslandschaften und ich staunte über die Schönheit der Natur entlang der Strecke.

      Tagsüber wechselten wir uns mit der Jagd ab und abends wurden am Feuer die erlegten Tiere zubereitet. Waren es zu Beginn unseres Ritts häufig Hühnervögel und Kaninchen, kamen wir später in Gegenden, in denen wir auch auf Elks30 und anderes Wild gehen konnten.

      Firehand nutzte jede Gelegenheit, mich weiter zu unterweisen. So nahm er mich jedes Mal zur Seite, wenn wir auf eine Fährte stießen. Dann erklärte er mir, wie solche Fährten zu lesen waren.

      Als wir nach ungefähr einer Woche den Nebraska31, einen der größeren Zuflüsse des Missouri überqueren wollten, hielten wir uns weiter westlich des Missouri und befanden uns damit mitten in der hier sanft hügeligen Prairie. Firehand kannte am Nebraska eine Furt. Die Ebene wurde hier durch einen Bach, den Cedar Creek, durchschnitten, der an der Furt in den Nebraska mündete.

      Wir waren noch gute vier bis fünf Meilen von der Furt entfernt, als Firehand mich wieder einmal zu sich winkte. Er deutete in Richtung Norden und fragte mich, ob ich dort etwas Auffälliges bemerken würde. Ich sah in die angegebene Richtung und stellte, ungefähr einhundert Schritt voraus, eine Linie im Gras fest, die fast genau von Ost nach West verlief oder umgekehrt.

      Ich sagte also:

      „Ich sehe dort drüben eine deutliche Linie im Gras, die quer zu der von uns eingehaltenen Richtung verläuft.“

      „Und was hältst du davon?“ fragte er.

      „Ich denke, dass es sich um eine Fährte handelt.“

      „Okay, damit wirst du wohl recht haben. Was für eine Fährte wird das sein?“

      „Das kann ich nicht wissen, ohne dass ich sie mir angesehen habe.“

      Die


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