An den Ufern des Nebraska. Lennardt M. Arndt
Tasche gesteckt, überlegte ein paar Sekunden und schlug dann in die von Firehand dargebotene Rechte ein.
„Der Handel gilt, kommt mit in mein Office wo wir das Geschäft noch bei einem Drink besiegeln.“
Er machte ein zufriedenes Gesicht, fühlte sich also nicht übervorteilt. Firehand schien mit dem Preis auch zufrieden, so dass der angedachte faire Preis wohl bei dem Geschäft herausgekommen war.
Ich für meinen Teil war auch glücklich, da ich sicher war, dass Firehand wusste, was er tat, indem er den Morgan für mich ausgesucht hatte. Außerdem gefiel mir das Tier auch selbst sehr gut. Ich hatte zwar keinen „Pferdeverstand“, dachte aber, dass er ein schönes, gutmütiges Tier sei.
Als wir Masterson, nun mit unserer Neuerwerbung, verließen, meinte Firehand, ich solle doch einmal aufsitzen, er werde neben mir hergehen. Weit müsse er nicht laufen, da Mr. Heintz, der Gunsmith auf der Highstreet, gleich um die nächste Ecke, bereits auf uns warte.
Er wollte dort, ohne Zeitverzug, zunächst die Schussprobe machen und dann meine Bewaffnung vornehmen. Nachmittags wollte er dann den bereits erwähnten Ausritt unternehmen. Bei Masterson hatte ich, gemäß der Absprache mit Mr. Wallace, dessen Namen für die Begleichung des Rechnungsbetrages angegeben. Wie erwartet, stellte das kein Problem dar. Masterson wünschte mir viel Glück mit dem Tier.
Auf dem Weg zum Gunsmith bedankte ich mich bei Firehand für die Hilfe beim Kauf meines neuen Gefährten. Firehand winkte ab und sagte:
„Für Selbstverständlichkeiten ist kein Dank notwendig, Leo. Wir sind jetzt Kameraden und unter solchen brauchen keine überflüssigen Worte gemacht werden. Ich habe Freude daran, aus dir einen Jäger und Pfadfinder zu machen und werde daher ein Auge auf dich haben und dich solange wie nötig unterstützen.“
Dazu gab es nichts weiter zu sagen und so fragte ich nach einer kurzen Weile:
„Welchen Namen soll ich meinem Pferd geben? Es muss doch einen Namen tragen. Mir fällt aber nichts Passendes ein.“
„Ich würde einfach noch ein wenig warten. Irgendwann wird sich ein Name von selbst ergeben. Die meisten von uns geben ihren Tieren Namen nach deren Eigenschaften.“
Dabei ließ ich es bewenden. Gelegenheiten, die Eigenschaften meines Pferdes kennenzulernen, würden sich wohl noch einige ergeben.
Jetzt hatten wir den Store22 des Gunsmith erreicht. Ich band den Morgan an und wir betraten das Geschäft. Mr. Heintz war nicht zu sehen. Man hörte in einem Nebenraum ein Geräusch wie von einer Feile, was ja auch naheliegend war. Firehand rief nach dem Inhaber:
„Mr. Heintz? Seid Ihr da? Ich bin’s, Old Firehand! Habe den Jungen dabei!“
Jetzt hörten wir einen quietschenden Drehstuhl und Mr. Heintz kam durch die Tür, hinter der sich offenbar seine Werkstatt befand. Dem Mann sah man den Tüftler auf einhundert Schritt an. Er war einen ganzen Kopf kleiner als ich und leicht untersetzt. Bis auf einen grauen Haarkranz war sein Kopf kahl. Auf seiner Nase befand sich eine Halbbrille mit sehr starken Gläsern, über deren Ränder er uns freundlich ansah. Nun sprach er mit einer dunklen Stimme, die man bei dem Männchen gar nicht erwartet hätte:
„Mr. Firehand, ich hatte Euch schon erwartet, habe die Zeit aber genutzt, um noch ein wenig Hand an den Karabiner zu legen, den Ihr Euch zum Probeschießen ausbedungen habt.“
Und als hätte er mich nun erst bemerkt, sprach er weiter: „Ah ja, und das ist euer neuer Kamerad, dem Ihr ein bisschen auf den Zahn fühlen wollt, … Leo nicht wahr?“
„Auf den Zahn fühlen trifft es nicht so ganz, Mr. Heintz. Weiß schon, dass der Junge richtig ist. Es geht mehr darum, zu sehen, ob er schon Anlagen zu einem guten Schützen hat und darum, die richtige Waffe für ihn zu finden.“
„Schon gut, schon gut, wollte gar nicht in Zweifel ziehen, dass der junge Mann das Herz am rechten Fleck hat. Wenn Ihr Euch für jemanden verwendet, Mr. Firehand kann es ja auch gar nicht anders sein. Freue mich darauf, meine Werkstücke einem Test zu unterziehen und einen Eurer Männer mit einem guten Gewehr zu versehen.“
Er verschwand wieder in seiner Werkstatt um den Sharps-Karabiner, von dem Firehand bei Mr. Wallace gesprochen hatte, zu holen. Dann nahm er aus einer Schublade eine Schachtel, offenbar mit der passenden Munition und ging voraus zur Tür. Wir folgten ihm hinaus und er verschloss den Store sorgfältig.
Ich nahm die Zügel von meinem Morgan wieder auf und wir folgten Heintz aus der Stadt hinaus, wie es auch schon bei Masterson der Fall gewesen war. Heintz hatte am Rande eines Buschwerkes am Ufer des Missouri eine Zielscheibe aufgestellt und circa einhundert Schritt Entfernung zu diesem Ziel abgemessen. Wir befanden uns hier ein gutes Stück außerhalb der Stadt, so dass ein Probeschießen möglich war, ohne die Bewohner aufzuschrecken.
Heintz blieb an der Einhundert-Schritt-Marke stehen und hielt mir die Waffe hin. Ich schaute Firehand fragend an und er sagte:
„Schon gut Junge, greif zu. Schließlich sind wir hier, um zu sehen, ob diese Waffe für dich passt. Ich habe sie mir schon näher angesehen und denke, sie tut es. Aber wir werden ja sehen.“
Ich nahm die Waffe also entgegen und sah, dass der Verschluss noch offen, die Waffe also ungeladen war. Ich legte sie probeweise auf das Ziel an und stellte fest, dass sie leichter war, als ich erwartet hatte. Ich konnte das Schwarze in der Zielscheibe über die von mir aufgeklappte Zieleinrichtung gut sehen und bemerkte kein Schwanken oder Zittern. Ich nahm die Waffe wieder herunter und sagte zu Mr. Heintz:
„Scheint mir gut zu liegen die Waffe, könnte ich bitte die Munition haben, um die Waffe zu laden?“
Er zwinkerte Firehand zu und meinte:
„Hat schon erkannt der Junge, dass die Waffe noch ungeladen war. Bin gespannt, ob du dahinterkommst,“ wandte er sich wieder an mich, „wie sie geladen wird. Ist eine relativ neue Konstruktion. Ein Ingenieur namens Christian Sharps hat sie ´48 konstruiert und ich habe hier einen verbesserten Nachbau gefertigt. Musste die Gasabdichtung noch ein bisschen verbessern. Kann es Euch noch zeigen. Die echte Sharps ist für Zivilisten kaum zu bekommen. Derzeit wird die Armee der Vereinigten Staaten damit ausgerüstet. Wird also jetzt in großen Stückzahlen gebaut, da geht aber die Präzision des Büchsenmachers verloren.“
Ich nahm von ihm die Papiermunition entgegen und hatte keine Mühe, die Konstruktion der Waffe zu erkennen und die Patrone somit in das dafür vorgesehene Lager zu schieben. Ich zog den verlängerten Abzugsbügel hoch, sodass die Waffe geladen war.
Firehand gab mir ein Beispiel, wie ich mich bei Schuss hinstellen sollte und mahnte mich, den Kolben tief in die Schulter zu ziehen, um den Rückschlag abzufangen.
„Ansonsten bekommst du einen tüchtigen Slap in the face23, hat schon viele erwischt.“ Er lächelte.
Ich nahm Aufstellung, wie Firehand es mir gezeigt hatte und visierte das Ziel an. Dabei konzentrierte ich mich so sehr auf das Zielen, dass ich vergaß, mir den Gewehrkolben, wie Firehand mir geraten hatte, an die Schulter zu drücken. Ich drückte ab, und … bekam die angekündigte Ohrfeige. Der Karabiner hatte doch einen ordentlichen Rückschlag, den ich nicht, wie geheißen, abgefangen hatte. Firehand und Heintz konnten sich einer gewissen Heiterkeit nicht entziehen und, obwohl der Slap ziemlich weh getan hatte, musste ich selbst auch lachen.
„Okay“, sagte ich, „da muss ich wohl meinem Lehrmeister zukünftig besser folgen. Hab‘ ich verstanden und soll nun besser werden.“
Ich nahm eine neue Patrone, schob sie in die Ladekammer, zog den Bügel hoch und machte mich für den nächsten Schussversuch fertig.
Firehand und Heintz wurden auch wieder ernst und schauten mir zu. Dieses Mal hatte ich an den Rückschlag gedacht und das Gewehr dicht an die Achsel gedrückt. Wieder stellte ich fest, dass ich das Ziel gut im Visier hatte, ohne zu schwanken. Ich drückte ab, und … der Schuss ging an den äußersten rechten Rand der Scheibe.
Obwohl ich selber meinte, einen schlechten Schuss abgegeben zu haben, nickte Mr. Heintz anerkennend und sagte: