An den Ufern des Nebraska. Lennardt M. Arndt

An den Ufern des Nebraska - Lennardt M. Arndt


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müsste man hier ansetzen, wenn man die Spur wiederaufnehmen wollte.“

      Er schaute mich bei diesen Worten eigentümlich an. Ahnte er, dass ich selbst genau das tun wollte?

      „Nun,“ sagte Mr. Wallace, „ich bin Euch jedenfalls sehr dankbar, Mr. Firehand, dass Ihr uns diesen Dienst erwiesen habt. Sicher war die Reise beschwerlich. Immerhin musstet Ihr durch die Gebiete verschiedener Indianerstämme reisen. Hoffentlich hatte es keine Gefahr dabei?!“

      „Nein, gar nicht. Die Cheyenne, deren Jagdgebiete ich eigentlich durchqueren musste, habe ich gemieden. Das bedeutete zwar mehrere Tagesreisen Umweg, aber es wird besser so gewesen sein. Da bekannt ist, dass ich mit den Assiniboin auf guten Fuße stehe, ist anzunehmen, dass mich die Cheyenne als Feind betrachten würden. Die Ho-He, wie die Cheyenne die Assiniboin nennen, sind deren Todfeinde.“

      „Wenn ich geahnt hätte, in welche Gefahr Ihr Euch da begeben habt, hätte ich Euch nicht nach Taos geschickt, Mr. Firehand.“

      „Wie ich bereits sagte, hatte es keine Gefahr für mich. Da ich die Fährnisse auf diesen Wegen kenne, konnte ich ihnen leicht ausweichen. Wie Ihr seht, bin ich ja auch in Jefferson City angekommen, ohne dass mir ein Haar gekrümmt wurde.“

      Mr. Wallace kam nun darauf zu sprechen, dass er Firehand die in Aussicht gestellte Entlohnung ausbezahlen wollte. Der lehnte dieses Ansinnen jedoch entschieden ab. Er wies Mr. Wallace darauf hin, dass dieser ihm vor einiger Zeit einen Dienst erwiesen habe, der die Annahme einer Bezahlung unmöglich mache.

      Mr. Wallace wollte das nicht zugeben und so ging es noch eine ganze Weile hin und her, bis Firehand sagte, dass er in seiner Ehre gekränkt werde, wenn Mr. Wallace weiter auf der Bezahlung beharre. Das wirkte!

      Mr. Wallace gab kleinlaut auf und entschuldigte sich, er habe Firehand nicht beleidigen wollen. Firehand gab hierauf zurück, dass eine Entschuldigung nicht notwendig sei, weil er wisse, dass Mr. Wallace es nur gut mit ihm meine, er aber nun einmal seine Grundsätze habe.

      „Was werdet Ihr nun beginnen, Mr. Firehand?“, war meine nächste Frage, weil es mich natürlich brennend interessierte, ob ich Gelegenheit haben würde, mit ihm über meine Pläne zu sprechen. Er antwortete:

      „Ich werde noch ein paar Wochen in Jefferson bleiben müssen, weil ich hier mit einigen Jägern verabredet bin, die mit mir in den Westen wollen, um auf Pelze zu gehen.“

      Diese Antwort befriedigte mich natürlich sehr und Mr. Wallace fragte dazu:

      „Fein, habt Ihr schon Quartier genommen?“

      „Ich habe, bevor ich Euch in der Bank aufsuchte, bereits bei Mother Thick‘s ein Zimmer bestellt.“

      „Aber Mr. Firehand, so tut uns doch die Ehre an, und bleibt bei uns. Ich werde Euch unverzüglich ein Zimmer bereiten lassen.“

      „Mr. Wallace, nichts für ungut, so gern ich Euer Angebot annehmen würde, möchte ich für dieses Mal doch darauf verzichten. Mother Thick‘s ist zwischen den besagten Jägern und mir als Treffpunkt ausgemacht worden und ich würde gerne zur Stelle sein, wenn meine Kameraden dort eintreffen. Ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür.“

      „Nun, wenn Ihr es so darlegt, kann ich Euch nicht böse sein. Aber seid wenigstens von Zeit zu Zeit unser Gast. Gerne würde meine Mrs. Pittney für Euer leibliches Wohl sorgen. Wollt Ihr?“

      „Gut, hierzu kann ich wiederum nicht Nein sagen. Ich danke Euch und werde sicher über Leo in Kontakt mit Euch bleiben. Mrs. Thick hat mir schon gesteckt, dass Leo bei ihr aushilft.“

      Wie sich denken lässt, war ich über diese Entwicklungen sehr erfreut. Ich hatte gehört, dass die Möglichkeit bestand, dass meine Mutter noch lebte. Da sie damals erst nach so langer Zeit nach uns geforscht hatte, musste ihr wohl Schlimmes wiederfahren sein. Ob der Padre noch lebte, war allerdings mehr als fraglich.

      Zudem gab es einen Anknüpfungspunkt für die Suche nach den Mördern meines Vaters, Etters und Thibaut. Denn als solche betrachtete ich diese beiden Verbrecher. Etters, der auf Rache gesonnen hatte und auch Thibaut, der ihm dabei geholfen hatte, meine Eltern hinter Gitter zu bringen; beide waren verantwortlich für den Tod meines Vaters. Sie hatten sich damals in Taos zwar getrennt, jedoch stand bei mir fest, dass dies nicht von Dauer gewesen sein würde.

      Und jetzt hatte ich hier einen Prairiemann und Jäger vor mir, der diese Spuren ausfindig gemacht hatte, und der noch eine ganze Weile hier in Jefferson sein würde. Dadurch, dass ich in seiner Herberge arbeitete, bestand die Möglichkeit, ihm von meinen Plänen zu berichten und vielleicht sogar, ihn zu bitten, mich in den Westen mitzunehmen.

      Firehand verabschiedete sich von Mr. Wallace und mir und drückte uns beiden noch einmal kräftig die Hände, wobei er mir zuzwinkerte und sagte:

      „Alright, junger Mann, wir sehen uns.“

      Mr. Wallace machte einen sehr zufriedenen Eindruck, als Firehand gegangen war und wollte von mir wissen, was ich von der Sache hielt. Konnte ich ihm sagen, was in mir vorging? Lag es nicht sowieso auf der Hand? Ich überlegte, ob ich meine Wünsche und Pläne heute schon offenbaren sollte, entschied mich letztlich aber zunächst noch dagegen. So sagte ich also nur:

      „Ein guter Mann, den du da auf die Fährte gesetzt hast. Hat jedenfalls zwei wichtige Erkenntnisse gebracht.“

      „Ja, zum einen, dass deine Mutter vielleicht doch noch lebt und zweitens, dass Etters und Thibaut sich zunächst getrennt haben und Thibaut mit deinem Bruder und Ellen in einer Kutsche Taos, vorgeblich in Richtung Santa Fé, verlassen hat.“

      „Genau, doch nun bin ich müde und werde zu Bett gehen. Ich möchte über das Gehörte nachdenken und werde hoffentlich bald schlafen. Ich wünsche dir eine gute Nacht.“

      Wie immer wollte er mir übers Haar streichen, bevor ich das Zimmer verließ. Ich wandte mich aber vorher ab. Diese Angewohnheit meines Ziehvaters war mir, genauso wie das Umsorgen Mrs. Pittneys, inzwischen unangenehm. Ich war schließlich kein Kind mehr! Mr. Wallace nahm mir das nicht übel, wie ich an seinem Blick erkannte und so ging ich zu Bett und grübelte lange darüber nach, wie ich ihm erklären sollte, was ich vorhatte. Würde er es zulassen? Würde er mich verstehen?

      Nun, ich würde es bald erfahren. Allzu lange ließ sich dieses Gespräch nicht mehr aufschieben. Doch vorher musste ich Old Firehand davon überzeugen, mich mitzunehmen. Das würde sicher das schwerste Stück Arbeit werden. Mit der Überzeugung, dass mir dies letztlich gelingen würde, schlief ich dann doch noch ein.

      Die nächsten Tage verliefen, wie zuletzt immer. Morgens machte ich mich, nach Mrs. Pittneys Frühstück, auf zum Unterricht, wo es mir nun aber doch von Tag zu Tag langweiliger wurde. Alles von Interesse für mich und wovon Mrs. Smith zu berichten wusste, hatten wir nun durchgenommen und meine Mitschüler waren froh, nun endlich etwas zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu hören. Auch Mathematik langweilte mich jetzt zusehends, weil ich dort einen großen Wissensvorsprung gegenüber den Anderen hatte. Mrs. Smith mochte mir dies anmerken, sagte aber nichts dazu.

      Nachmittags konnte ich es kaum erwarten, meine Arbeit bei Mother Thick‘s aufzunehmen. Gab es hier doch immer wieder Gelegenheit, mit Old Firehand ins Gespräch zu kommen. Ein paar von seinen Kameraden waren inzwischen eingetroffen und so gab es an dem Tisch, den die Jagdgesellschaft besetzte, interessante Gespräche. Man hatte dort auch gar nichts dagegen, dass andere diesen Gesprächen lauschten. Im Gegenteil, wurden die Männer des Öfteren aufgefordert noch weitere Begebenheiten aus ihrem gefährlichen aber doch auch abenteuerlichen Leben zu erzählen. Ich war also beileibe nicht der Einzige, der neugierig war und immer neue Berichte von jenseits der Grenze hören wollte.

      Ungefähr eine Woche nach der Ankunft Old Firehands in Jefferson City, stießen Bill Bulcher und Harry Korner zu der Gesellschaft. Als diese ankamen, war ich gerade im Schankraum und durfte die Gesellschaft


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