An den Ufern des Nebraska. Lennardt M. Arndt

An den Ufern des Nebraska - Lennardt M. Arndt


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sogenanntes und praktiziertes, Gottesurteil, also einen Kampf auf Leben und Tod, überstanden.

      Seinen Namen Firehand hatte er bei den Assiniboin erworben. Dort hieß er „Mann-mit-der-Feuerhand“. Diesen Namen gab man ihm, weil er mit Feuerwaffen so gut umzugehen wusste, dass er angeblich nie sein Ziel verfehlte.

      Nun würde ich ihn also bald kennenlernen. Ich freute mich darauf. Insgeheim hoffte ich, dass ich von ihm einiges lernen und in Erfahrung bringen konnte, was mich dazu befähigte, auf eigene Faust auf die Suche nach meiner Familie und den Mördern Etters und Thibaut zu gehen.

      Mr. Wallace sollte von diesem, meinem Wunsch aber zunächst nichts erfahren. Er sollte keine Gelegenheit bekommen, mich von diesem Vorhaben abzubringen.

      Nun hieß es also zunächst -- warten! Firehand kam in der Woche darauf in Jefferson an. Er suchte Mr. Wallace aber erst einmal in dessen Kantor in der Bank auf, mit der Absicht, ihm dort in aller Ausführlichkeit zu berichten.

      Mr. Wallace, der wusste, wie sehr ich darauf brannte, zu hören, was der Scout zu sagen hatte, komplimentierte ihn in unser Haus. Er führte ihn in die Stube und bat ihn Platz zu nehmen. Mrs. Pittney hatte einen Wink bekommen, mich dazu zu holen.

      Firehand nahm also auf der Sitzbank am Kamin Platz. Mrs. Pittney informierte mich, dass ich in die Stube kommen solle, Mr. Wallace habe nach mir geschickt. Ich ahnte, dass der Prairiemann angekommen war. Es war schließlich mehr als ungewöhnlich, dass Mr. Wallace um diese Tageszeit im Haus war und mich sehen wollte. Außerdem war bereits fast eine Woche vergangen, seit er mir erzählt hatte, dass er Old Firehand nach Taos geschickt hatte.

      Ich stürzte daher förmlich die Treppe hinunter und stürmte in die Stube.

      „Ho, ho! Nicht so stürmisch, Junge!“, meinte Mr. Wallace. „Ruhig Blut!“.

      Ich lief wohl ein bisschen rot an und empfand Scham, weil ich mich so wenig beherrscht hatte. Mr. Wallace lächelte mich aber freundlich an und stellte nun Firehand und mich einander vor:

      „Mr. Firehand, dies ist mein Ziehsohn Leo, von dem ich Euch berichtet habe, der Sohn von Emily Bender oder auch Tehua, der Schwester des Padre Diterico, … Leo, dies ist der berühmte Scout Old Firehand!“

      Firehand stand von der Bank auf, um mir die Hand zu reichen. Dabei schaute er mich lächelnd an und sagte:

      „Nun weiß ich auch, weshalb Ihr wolltet,“ dabei schaute er zu Mr. Wallace, „dass ich Euch in Euer Haus begleite. Ich soll wohl meinen Bericht nicht zweimal erstatten müssen, was natürlich sinnvoll ist, mir aber keine Umstände gemacht hätte. Freue mich dich kennenzulernen, Leo.“

      Ich erwiderte seinen kräftigen Händedruck und jetzt hatte ich Gelegenheit, mir diesen außergewöhnlichen Mann näher anzusehen.

      Er war ein wahrer Riese von Gestalt und trug einen Anzug aus Büffelleder. Der Rock war an den Ärmelnähten ausgefranst und wurde von einem breiten Navajo-Gürtel aus Leder zusammengehalten, woraus der Griff eines großkalibrigen Colts ragte. An dem Gürtel hatte er einige Beutel befestigt. Ich nahm an, dass er darin jene notwendigen Utensilien aufbewahrte, die einem jeden Prairiemann unersetzlich waren.

      Außerdem befand sich an diesem Gürtel eine lederne Messerscheide, aus der der Griff eines Bowie-Messers herausragte. Um den Hals trug er eine Kette aus den Zähnen des grauen Bären. Seine Füße steckten in kniehohen Schaftmokassins, die, wie ich heute weiß, auch die Apachen trugen. Sein Gewehr, eine langläufige Hawken-Rifle, lehnte an der Seite des Kamins. An dessen Mündung hing eine Waschbärenfellmütze, die er wohl abgenommen hatte, als er eingetreten war.

      Dies also war Old Firehand, der berühmte Savannen- und Prairiejäger. Genauso hatte ich ihn mir vorgestellt, wenn bei Mother Thick‘s über ihn erzählt wurde.

      Wir nahmen nun alle am Tisch in der Raummitte Platz und Thomas brachte einige Erfrischungen. Firehand bekam ein, bereits vor meinem Eintritt geordertes, Bier und nahm erst einmal einen kräftigen Schluck. Anschließend sagte er:

      „Wie gut, dass in Eurem Haushalt die gute deutsche Gemütlichkeit geschätzt und daher auch ein kühles Bier angeboten wird. Obwohl Ihr selbst nicht aus den Deutschen Landen stammt oder irre ich mich?!“

      Mr. Wallace antwortete:

      „Nein, ich bin ein waschechter Amerikaner aus Boston. Meine Geschichte kennt Ihr ja zum Teil schon. Ich floh damals aus meiner Heimat im Osten. Haben es hier aber gut angetroffen. Vielleicht wisst Ihr, dass sich in Jefferson City und der Umgebung viele Auswanderer aus Eurer Heimat niedergelassen haben? Nun, ich verkehre überwiegend mit solchen deutschstämmigen Einwohnern und einen guten Teil davon kann ich wohl als meine Freunde betrachten. So kommt es dann, dass ich mir auch einige Angewohnheiten jener Freunde und Bekannten zu Eigen gemacht habe. So ein fein gebrautes deutsches Bier ist jedenfalls eine Annehmlichkeit, auf die ich ungern wieder verzichten würde.“

      Firehand gab zurück:

      „Na, das ist doch mal ein Wort! Ein Yankee, verzeiht den Ausdruck, der ein gutes Bier zu schätzen weiß. Das muss ein guter Mann sein, … Prost!“

      Er schmunzelte und hob sein Glas. Dann, ernster werdend, fuhr er fort:

      „Nun, Ihr wisst, ich bin kein Mann der großen Worte und weitschweifiger Reden. Ich komme daher gleich zur Sache.

      Ich war, Eurem Auftrag gemäß, in Taos, habe Erkundigungen eingezogen und versucht, eine Spur von Leos Familie oder vielleicht der Verbrecher Etters und Thibaut zu finden. Was ich in Erfahrung bringen konnte, war leider nicht sehr viel.

      Nachdem ich Euren damaligen Vermieter ausfindig gemacht hatte, fragte ich ihn danach, ob er sich an Euren Aufenthalt in Taos erinnern könne. Er konnte sich darauf besinnen, vor Allem, weil Ihr so plötzlich verschwunden wart.

      Nun fragte ich Ihn, ob später noch einmal nach Euch gefragt worden war. Als ich erwähnte, dass es sich bei den Personen, welche sich womöglich erkundigt hatten, auch um Indianer habe handeln können, erinnerte er sich an eine Indianerin, die bei ihm gewesen war. Seiner Erinnerung nach, muss das gut zwei Jahre nach Eurem Verschwinden gewesen sein.

      Hierbei wird es sich wohl um Tehua, deine Mutter, gehandelt haben.“, sagte er zu mir gewandt. „Tokbela wird es nicht gewesen sein. Der Mann meinte, die Indianerin habe ihren Namen nicht genannt. Sie habe aber so klares Englisch gesprochen, dass er trotz ihres indianischen Habits glaubte, sie müsse lange unter Weißen gelebt haben. Ein weiteres Indiz für die Annahme, dass es sich um ein Mitglied deiner Familie handelte, Leo. Außerdem liegt dieser Schluss sowieso nahe, weil eine andere Indianerin kaum Interesse an Euch gehabt haben dürfte.

      Dieser Hinweis führt mich aber auch zu der Annahme, dass es nicht Tokbela war. Wie wir wissen, war diese ja, in der Folge ihres Zusammenbruchs, zumindest damals kaum zu einem normalen Gespräch in der Lage.“

      „Da stimme ich Euch zu, Mr. Firehand!“, meinte Mr. Wallace. „Leo und ich haben das auch schon so beurteilt, als Ihr telegraphiert habt. Seid Ihr noch weiteren Hinweisen nachgegangen?“

      „Ja, wie Ihr Euch denken könnt, habe ich versucht, die Spur dieses Thibaut oder Lassalle aufzunehmen. Es ist mir dies aber nicht geglückt. Lassalle-Thibaut hatte auf den falschen Namen eine Kutsche gemietet und ist auch, nach Auskunft des Vermieters derselben, mit einer jungen Indianerin und einem Kind, mit der Kutsche vom Hof gefahren. Weitere Personen seien nicht dabei gewesen.

      Die Beschreibung zu Dan Etters oder John Bender, wie der ja damals auch genannt wurde, sagte ihm leider gar nichts. Lassalle-Thibaut hatte die Miete für die Kutsche und zwei Zugpferde im Voraus bezahlt, die übliche Pfandzahlung von einigen Dollars hatte er ebenfalls entrichtet. Das Gespann sollte in Santa Fé abgeliefert werden, was aber nie geschehen ist. Hier verliert sich also auch diese Spur. Immerhin könnte man versuchen, auf der Route zwischen Taos und Santa Fé auf die alte Fährte zu stoßen.“

      „Sie können da tagelang unterwegs gewesen sein,“ gab ich zu bedenken, „und irgendwo auf der Strecke von dem angegebenen Ziel abgewichen sein. Wahrscheinlich hatte Thibaut von Anfang an gar nicht vor, bis Santa Fé zu reisen“.


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