An den Ufern des Nebraska. Lennardt M. Arndt

An den Ufern des Nebraska - Lennardt M. Arndt


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hatte, die zwei könnten ernsthaft Schaden nehmen. Aber sie hielten sich wacker und schlugen kräftig zurück. Dann nahmen sie rechts und links von Firehand Platz und tauschten auch mit den anderen Jägern kurze Begrüßungen und Handschläge aus. Nun schauten sie auf und suchten offenbar jemanden, der ihnen etwas zu trinken bringen konnte.

      Ich ging also zu dem Tisch hinüber, um die Bestellung entgegen zu nehmen. Firehand kam meiner Frage aber zuvor und stellte mich seiner inzwischen auf acht Mann angewachsenen Runde vor:

      „Mesch‘schurs10“, das hier ist Leo, der Ziehsohn eines alten Bekannten von mir. Dieser hat mir einmal aus einer Misere geholfen, die größer gar nicht hätte sein können. Ohne ihn wäre mein erstes Jagdabenteuer in den Mountains wohl nicht möglich geworden. Aber genug davon …!

      Leo hat noch einiges zu lernen, wenn er, wie ich vermute, demnächst in den Westen will. Ich schlage also vor, er setzt sich erst einmal zu uns und wir unterhalten uns ein wenig.“

      Hier fiel ihm Korner in die Rede,

      „Firehand, alter Waschbär, Bill und ich hätten jetzt gerne erst einmal etwas zu trinken. Leo, bring uns beiden doch einmal etwas gegen die Trockenheit hier drin. Haben tagelang im Sattel gesessen und nur Wasser getrunken, aber jetzt, wo wir hier in der Zivilisation angekommen sind, hätten wir gegen ein gutes Glas Brandy nichts einzuwenden.“

      Ich machte mich also daran, die Bestellung zu erledigen. Als ich zum Tisch zurückkam, um die Gläser vor Bulcher und Korner abzustellen, zog Firehand einen freien Stuhl vom Nachbartisch heran und forderte mich auf, mich zu setzen. Bulcher und Korner hoben die Gläser und alle anderen am Tisch taten es ihnen gleich.

      „Halt!“, ließ sich eine weibliche Stimme aus der Richtung des Tresens vernehmen. „Ihr könnt doch nicht anstoßen, wenn Leo noch gar nichts zu trinken hat!“, sagte Mrs. Thick.

      „Ich übernehme dann wohl mal selbst wieder die Bedienung, da der junge Herr ja hier zu den Prairiejägern aufgerückt ist.“, sie zwinkerte mir vergnügt zu. „Da einige der Herren hier ja sowieso nur noch Reste in den Gläsern haben, mache ich Euch gleich eine neue Runde fertig. Die beiden Neuankömmlinge können den Brandy ja schon hinunterbringen, ich werde indes für ein vernünftiges Glas Bier für alle sorgen. Geht dann aufs Haus, will ich meinen!“

      Und so machte sie sich daran, die Runde zu zapfen. Korner und Bulcher „brachten den Brandy hinunter“ und freuten sich schon auf Mrs. Thick’s deutsche Spezialität, die sie ja schon von früheren Besuchen her kannten und schätzten.

      Korner sprach mich an:

      „So, so, du willst also ins Indianerland gehen. Wie kommt so ein junger Bursche denn auf diesen Gedanken? Scheinst zu glauben, dass man da draußen so mir nichts dir nichts herumstolzieren und Abenteuer erleben kann, ohne dabei Angst haben zu müssen, sein Leben zu riskieren.

      Ist aber leider nicht so einfach, mein Junge. Bei den Indianern weiß man nie, woran man ist. Zumal wenn man keinerlei Erfahrung hat, kann man schon bei ersten Kontakt mit den Roten seine Haut zu Markte tragen. Selbst wir, als erfahrene Prairieläufer und Jäger, haben da schon das eine oder andere Mal mehr Glück als Verstand gehabt, wenn ich das so sagen darf, oder Männer?“

      Bei den zuletzt gesprochenen Worten schaute er seine Kameraden an, die ihm auch sofort zustimmten. Firehand lächelte nur und ersparte mir, dadurch, dass er nun selbst sprach, eine wahrscheinlich peinliche Antwort.

      „Harry, das stimmt natürlich. Aber auch von uns kann keiner sagen, er habe seine ersten Schritte hinter der Grenze allein unternommen. Um Erfahrung zu sammeln, mussten auch wir erst einmal das Gehen lernen. Greenhorns11 waren wir alle mal, der eine wird schneller das nötige Rüstzeug erwerben, als der andere. Manch einer hat‘s versucht und es in unserem Metier zu nichts gebracht. Wenn er Glück hatte, hat er‘s noch rechtzeitig gemerkt. Weniger Glückliche wachten eines Morgens auf, um festzustellen, dass sie tot waren, hatten sie doch wieder einen ihrer unverzeihlichen Fehler gemacht.“

      Er schmunzelte über seinen eigenen schlechten Witz. Die anderen taten es ihm gleich. Dann fuhr er fort:

      „Deshalb habe ich es mit diesem jungen Mann hier auch anders vor, als du zu denken scheinst. Ich beabsichtige, ihn auf unserem nächsten Jagdzug mitzunehmen und ihm die Grundausbildung zu verpassen, wenn ihr versteht, was ich meine!“

      Rums! Da war es raus! Nun kam auch Mrs. Thick und lächelte von einem Ohr zum anderen. Sie hatte alles gehört und stellte das erste Bier vor meine Nase, von den Worten begleitet:

      „Wohl bekomm‘s, Leo. Auf den Schreck brauchst du sicher einen Schluck!“

      Die anderen lachten aus vollem Halse und nachdem Mrs. Thick die Biere verteilt hatte, prosteten sie mir zu, womit sie wohl auch ihre Zustimmung zu Firehands Plänen erteilten.

      Da hatte ich also, ohne etwas sagen oder tun zu müssen, erreicht, was ich nicht zu hoffen gewagt hatte. Ja, ich hatte vor, genau das, was Firehand nun selbst vorgeschlagen hatte, zu erbitten, war aber sicher gewesen, abgewiesen zu werden.

      Ich war glücklich. Mein Vorhaben konnte also beginnen. Nur Mr. Wallace musste ich noch überzeugen. Aber der musste einfach zustimmen, es durfte jetzt nicht scheitern. Firehand strahlte mich förmlich an und fragte leise, so dass die anderen am Tisch davon nichts mitbekamen:

      „Ich kann wohl annehmen, dass ich mit meinen Plänen deinem Ansinnen zuvorgekommen bin?“

      „Mr. Firehand, Ihr ahnt ja nicht, wie glücklich ich bin, dass Ihr mich mit Euch nehmen wollt. Ich kann so vieles von Euch und Euren Kameraden lernen. Mich treibt meine Geschichte, die Ihr ja genau kennt.

      Ich muss meine Familie und die Mörder finden und diese ihrer gerechten Strafe zuführen. Das alles bringe ich nur mit Eurer Hilfe fertig. Ich bin Euch also zu Dank verpflichtet und weiß doch nicht, wie ich diesen Dank abstatten soll.“

      „Leo, rede bitte nicht von Dankespflichten. Was ich tue, tue ich aus Anteilnahme und meine Kameraden werden dies nicht in Frage stellen, sondern im Gegenteil gerne unterstützen. Wer weiß, ob nicht eines Tages einer von uns Männern hier am Tisch, dir zu noch viel mehr Dank verpflichtet sein wird.

      Wie du soeben von Korner gehört hast, ist das Leben da draußen im Indianerland alles andere, als gemütlich und leicht kann der Stock verkehrt den Fluss hinab schwimmen12. Aber wir werden dich schon auf die richtige Fährte setzen und dir helfen, dein Vermächtnis zu erfüllen.“

      Jetzt hatte ich einen Kloß im Hals und wusste nicht, was ich sagen sollte. Firehand schaute auf, weil in diesem Moment die Türe ging und jemand eintrat. Ich saß mit dem Rücken dorthin und konnte deshalb nicht sehen, was vorging. Aber ich sah Mrs. Thick, deren Lächeln jetzt, soweit dies überhaupt möglich war, noch breiter wurde und daher drehte ich mich auf meinem Stuhl um.

      Und dort stand … Mr. Wallace und an seiner Seite … Mrs. Smith! Beide lächelten mich an. Ich war vor Staunen stumm und mochte wohl einen nicht gerade intelligenten Gesichtsausdruck gemacht haben.

      Bulcher klopfte mir fest auf den Rücken und bellte: „Verschluck dich nicht Junge! Stell‘ uns die Leute lieber vor, die du da so geistreich anstarrst!“

      Die Männer brachen erneut in Gelächter aus und Mr. Wallace kam auf mich zu, zog mich vom Stuhl zu sich heran drückte mich fest an sich und sagte:

      „Leo, mein Junge, diese Überraschung dürfte uns geglückt sein!“

      In seinem Rücken stand Mrs. Smith und als ich kurz zu ihr aufblickte, hielt sie ihren rechten Daumen in die Höhe.

      Ich antwortete ihm mit einer Frage:

      „Du hast das also angezettelt?“

      „Lass gut sein, Junge! Mrs. Smith möchte dir auch für deinen Weg alles Gute wünschen.“

      Daraufhin nahm auch sie mich einfach in den Arm und drückte mich fest. Sie sagte nichts aber ich konnte ihr ansehen, dass sie sehr bewegt war.

      Jetzt fragte ich wieder:

      „Habt


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