Flug in den Weltraum. Dominik Hans

Flug in den Weltraum - Dominik Hans


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sie einen so kläglichen Schrei aus, daß ihr Gatte ihr erschreckt nacheilte. Noch ehe er etwas fragen konnte, jammerte sie los.

      »Unser schöner Apfelbaum! Der große Kalvill-Apfel! Sieh nur das Laub, Georgie. Ganz welk, wie verbrannt, hängt es an den Zweigen. O Gott, wie ist das nur gekommen?«

      Die Klage von Mrs. Atwater war berechtigt, denn traurig nahm sich die Krone dieses einen Baumes zwischen dem saftgrünen Frühlingslaub der anderen aus. Fast schwarz und zusammengerollt waren seine Blätter, wie von einer Art von Brand schien er befallen zu sein.

      Mr. Atwater konnte sich nicht entsinnen, jemals etwas Ähnliches gesehen zu haben. Entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, schleppte er die Leiter heran und stand im Begriff, sie zwischen den Beerensträuchern, die unter diesem Baum wuchsen, aufzurichten, als er mit einem Leiterholm gegen ein Hindernis stieß. Er stutzte. Lag da ein Stein? Ein Feldstein in dem gepflegten Obstgarten! Das war doch ausgeschlossen.

      Er warf die Leiter beiseite und bog die Zweige eines Strauches, die ihm die Sicht versperrten, auseinander, und dann ging sein Stutzen in ein Staunen über. Da lag, zum Teil in den Boden hineingetrieben, ein runder blinkender Metallbrocken von fast kugelförmiger Gestalt. Er stieß mit dem Fuß dagegen, aber das Gebilde rückte und rührte sich nicht von der Stelle. Auch als er mit beiden Händen zupackte und es mit aller Gewalt vorwärtszuschieben versuchte, blieb es unbeweglich, als ob es mit dem Boden verwachsen wäre.

      Der Farmer zerkaute einen Fluch zwischen den Zähnen, während er sich nach einer letzten vergeblichen Anstrengung den Schweiß von der Stirn wischte. Dann holte er sich einen Spaten.

      »Wäre ja gelacht, wenn ich das Ding nicht loskriegen könnte«, brummte er vor sich hin und begann den Metallbrocken von der einen Seite her zu untergraben. Ohne besonderen Widerstand zu finden, drang das Eisen des Spatens in den Boden ein, und immer unerklärlicher wurde es Mr. Atwater, während er weitergrub, daß diese wunderliche Kugel vorher seinen Versuchen, sie zu bewegen, solchen Widerstand geleistet hatte.

      Jetzt hatte er sie schon zur Hälfte unterhöhlt. Dann fuhr er mit dem Spaten noch einmal tief in das Erdreich und holte eine kräftige Schaufel Erde heraus, da begann die Metallmasse sich ganz plötzlich und unerwartet zu bewegen. Weil ihr jetzt die Unterstützung durch unter ihr befindliches Erdreich fehlte, geriet sie ins Rollen, rollte bis zur tiefsten Stelle der Grube und dann – Mr. Atwater ließ den Spaten fallen und riß vor Staunen den Mund auf –, dann hob sich die Metallkugel, im ersten Augenblick noch langsam, doch gleich darauf schnell und immer schneller vom Erdboden ab und stieg schräg in die Höhe.

      Der Farmer riß den Kopf zurück, als das rätselhafte Projektil an seinem linken Ohr vorbeischwirrte.

      By Jove! Hätte was geben können, wenn ich das Ding an den Schädel gekriegt hätte, schoß es ihm durch den Sinn, während er dem fliegenden Etwas nachschaute.

      Sein Haus war ein solider Holzbau von der Art, wie sie im amerikanischen Mittelwesten allgemein üblich sind. Auch das Dach war mit hölzernen Schindeln gedeckt. Das einzige Steinerne an dem ganzen Haus war der Schornstein. Der mußte wohl oder übel aus einem unverbrennbaren Stoff hergestellt werden, weil sonst keine Gesellschaft in den Staaten eine Feuerversicherung für das Anwesen abgeschlossen hätte. In leuchtendem Rot hob sich der starke gemauerte Schornstein von dem braunen Schindeldach ab.

      Eben noch ruhten die Augen von Mr. Atwater darauf. Im nächsten Moment sah er den Schornstein splittern und brechen, denn mit der Gewalt einer Bombe war die Metallkugel dagegengesaust. Einem kurzen scharfen Krach folgte das Poltern und Rasseln der niederstürzenden Trümmer. Über das Schrägdach rollten sie nach unten, dabei hier und dort Dachschindeln herausreißend und mit sich nehmend.

      Der Schornstein war zum Teufel. Mr. Atwater hatte sich die Sache seinerzeit etwas kosten lassen, hatte die besten Hartbrandsteine dafür gekauft, und nun lag der Schornstein in Trümmern. Es dauerte eine Weile, bis der Farmer wieder einen klaren Gedanken zu fassen vermochte, und der lautete ganz kurz und einfach: Dafür muß die Versicherung aufkommen.

      Er ging in das Haus an seinen altertümlichen Schreibtisch und kramte in dessen Fächern, bis er seine Versicherungspapiere gefunden hatte. Dann schob er sich eine mächtige Hornbrille auf die Nase, begann in den Dokumenten zu studieren und konnte schnell feststellen, daß seine Vermutung ihn nicht getäuscht hatte. Nicht nur gegen Feuer, sondern auch gegen Schädigungen durch Elementarereignisse verschiedener Art hatte er vor Jahren eine Versicherung abgeschlossen. Weniger seiner eigenen Voraussicht war dieser Umstand zu verdanken als der unwiderstehlichen Beredsamkeit des Agenten, und öfter als einmal hatte sich Mr. Atwater in der Zwischenzeit über die nicht niedrigen Prämien geärgert. Jetzt freute er sich, daß er die Police hatte.

      Sorgsam las er sie Zeile für Zeile durch und stieß dabei auf einen Passus, laut dem Schäden von mehr als hundert Dollar der Gesellschaft sofort telegrafisch zu melden seien. Daß dieser Schaden – das Dach würde bei dieser Gelegenheit auch gründlich repariert werden müssen – mehr als hundert Dollar ausmachte, stand außer Zweifel. Hier galt es also schnell zu handeln.

      Mr. Atwater zog sein Auto aus dem Holzstall, setzte sich ans Steuer und rollte fünf Minuten später auf der Landstraße nach Omaha dahin. Dort hatte die Versicherungsgesellschaft eine Agentur. So wollte er alles gleich mündlich ins reine bringen.

      Ungläubig hörte sich der Leiter der Versicherungsagentur, Mr. Yenkins, die Erzählung an, die George Atwater vorbrachte, denn allzu unwahrscheinlich erschien ihm diese Geschichte. Erst als er im Garten des Farmers stand und mit eigenen Augen den verdorrten Baum, das Loch zwischen den Sträuchern und den Schaden am Haus sah, bequemte er sich zu dem Zugeständnis, daß hier möglicherweise eins der in der Police vorgesehenen Elementarereignisse stattgefunden haben könnte, und nahm an Ort und Stelle ein genaues Protokoll über den Vorfall auf. Mit dem Versprechen, daß seine Gesellschaft bald etwas von sich hören lassen würde, empfahl er sich dann. Von Omaha aus gab er die Meldung an die Generaldirektion der Gesellschaft in St. Louis weiter. Dort wurde sie nicht so skeptisch aufgenommen, denn inzwischen waren durch den Rundfunk bereits die Vorfälle auf den Neufundlandbänken bekannt geworden, bei denen eine ganz ähnliche Kugel eine Rolle gespielt hatte.

      Noch waren die Spalten der amerikanischen Zeitungen voll von mehr oder weniger wahrheitsgetreuen Berichten über das Abenteuer der kanadischen Fischereiflotte, und schon erkannte Mr. Fox, der Chiefmanager der Versicherungsgesellschaft, mit sicherem Blick, daß sich hier Gelegenheit zu einer großartigen Reklame für seinen Konzern böte. So entschied er denn: Wir werden diesem Farmer seinen Schaden sehr großzügig ersetzen, und so erhielt Mr. Atwater zu seiner freudigen Überraschung seine ziemlich gesalzene Rechnung ohne jeden Abstrich ausgezahlt.

      Gleichzeitig aber begann das Propagandabüro der Versicherungsgesellschaft zu arbeiten. Bereitwillig veröffentlichten die Zeitungen seine Berichte über das neuerliche Auftauchen der geheimnisvollen Kugel in Nebraska und ließen sogar die Zeilen, die im Anschluß daran das Lob der Gesellschaft sangen, ungestrichen. Selbstverständlich ließ sich auch der Rundfunk diesen neuen Fall nicht entgehen, und über Ätherwellen verbreitete sich die Kunde davon in allen Richtungen hin über den Erdball.

       * * *

      In einer starkwandigen Bleibüchse sorgsam verwahrt lag jenes Stückchen Metall, das Watson und Jones bei ihrem Picknick so rücksichtslos gestört hatte, im Carnegie Building in Washington und verursachte dem Professor O'Neils täglich neues Kopfzerbrechen. Vergeblich hatte er Nachforschungen angestellt und Erkundigungen eingezogen, nirgends in Washington und seiner Umgebung hatte es zu der kritischen Zeit so etwas wie eine Explosion gegeben. Ungelöst blieb nach wie vor die Frage nach der Herkunft des merkwürdigen Stückes, und die Meinung Jones', daß es aus dem Weltraum stamme, schien ihm nicht mehr so abwegig, obwohl manche Gründe dagegen sprachen.

      Schon die einfache Untersuchung auf der Waage, die Professor O'Neils alle vierundzwanzig Stunden vornahm, ließ keinen Zweifel darüber, daß der anfangs so starke Gewichtsunterschied dieses Brockens von Tag zu Tag geringer wurde; Messungen ergaben auch eine starke Abnahme der Strahlung, O'Neils konnte aus den erhaltenen Werten eine Halbzerfallszeit von nur wenigen Wochen errechnen, und das versetzte der Hypothese


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