GLOVICO. Ekkehard Wolf

GLOVICO - Ekkehard Wolf


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Sondereinsatzkommando bestand aus drei Abteilungen. Der „Konvoi“, bestehend aus vier Kleintransportern und zwei Sicherungsfahrzeugen, war dafür vorgesehen, die Festnahme am Ort des Treffens durchzuführen. Sollte der Zugriff nicht oder nicht vollständig gelingen, standen zwei weitere Gruppen mit Helikoptern bereit, um die Sache zum Abschluss zu bringen.

      „Die ganze Sache hat eben nur einen kleinen Haken,“ mokierte sich die mittlerweile auch in den Besprechungsraum zurückgekehrte Frau mit dem amerikanischen Pass, „der genaue Aufenthaltsort der Gesuchten ist den Fahndern nicht bekannt.“

      Das stimmte natürlich. Selbst die Fahrzeugtypen hatten bisher nicht näher bestimmt werden können. Deren Kennzeichen waren ebenfalls immer noch nicht bekannt. Der gesamte Einsatz glich also der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

      Inzwischen war es fast siebzehn Uhr, aber von den vereinbarten Kontrollpunkten, über welche die Zufahrtsstraßen gesichert werden sollten, waren bisher noch keine „zielführenden“ Rückmeldungen erfolgt.

      Nur wenige Stunden zuvor

      Nur wenige Stunden zuvor hatte sich in einem nahe gelegenen Ferienhaus eine informelle Gruppe von Menschen getroffen, deren gemeinsames Interesse den Gefahren galt, die von den neuen globalen Informations- und Kommunikationsstrukturen ausging.

      Neben dem leicht schrulligen Kriminalrat vom deutschen BKA, Günther Rogge, hatten sich zu dem konspirativ anmutenden Treffen der britische Staatsbürger Jonathan Bird und dessen deutsche Frau Regine eingefunden. Offiziell war „Mr. Bird“ bei einer namhaften Elektronikfirma im Raum Burmingham beschäftigt. Vor der Wende bestand seine Haupttätigkeit darin, Verstöße gegen die Ausfuhrbestimmungen gemäß COMCOM - Liste aufzuspüren. Mr. Bird war zu seiner Zeit mehrere Jahre offiziell bei der Royal Army in Deutschland stationiert gewesen. Dass sein eigentlicher Brötchengeber das GCHQ war, ließ er mit britischem Understatement unerwähnt.

      Kurz vor 17.00 Uhr hatte sich den im Ferienhaus Wartenden schon von weitem das Herannahen einer kleinen Fahrzeugkolonne angekündigt.

      Da alle brav vorschriftsmäßig mit eingeschalteten Scheinwerfern unterwegs waren, gelang es den beiden Beobachtern in dem Ferienhaus nicht zu erkennen, wer sich nähert.

      Die Autos waren in Richtung Lönstrup abgebogen. „Vermutlich Touristen, die ihre Ferienhäuser nicht gefunden haben,“ gab sich der Deutsche beruhigt.

      Die anderen Beteiligten an dem Treffen waren ebenfalls für 17 Uhr angemeldet. Es wurde also tatsächlich Zeit, sich um deren Ankunft zu kümmern.

      „Na gut, dann machen wir uns mal auf den Weg,“ schlug Rogge vor und schlüpfte in den gelben „Friesennerz“, den er stets mit auf Reisen nahm, wenn mit Regen zu rechnen war.

      Der einzige Unterschied zu sonst bestand darin, dass die Seitentasche heute durch eine Pistole ausgebeult wurde.

      Anschließend verließen die beiden Männer das Haus und begaben sich zum Strand.

      Sie hatten hier ihre PKW geparkt. Als Rückzugsoption lagen zwei Metzlerboote mit PS starken Außenbordern bereit.

      „Denken Sie bitte an Sicherheit,“ hatte ihn Mr. Bird freundlicherweise zum Abschluss des Gesprächs ermahnt, in dessen Verlauf sich beide über die Modalitäten des Treffens verständigt hatten.

      Nach Meinung des Deutschen war die Erinnerung zwar so überflüssig gewesen wie ein Kropf, aber im Laufe der Zusammenarbeit hatte er sich an die Macken seines Gesprächspartners „von der Insel“ gewöhnt und die Vorgabe deshalb lediglich mit den Worten „wird gemacht“ bestätigt.

      Am Strand mussten die beiden Sicherheitsexperten nur wenige Minuten warten.

      Aus Richtung Nörlev-Strand näherten sich zwei Fahrzeuge. Sie waren am Ende der kleinen Sommerhaussiedlung nach links auf den breiten Strand gefahren.

      „So können wir uns gar nicht verfehlen,“ hatte Günte Rogge seinem Bekannten aus England geraten und der hatte diesen Anfahrtsweg sowohl seiner polnischen Kollegin, wie auch seinem französischen Freund weitergereicht.

      Als sich die beiden Fahrzeuge näherten, begaben sich Günther Rogge und Mr. Jonathan Bird verabredungsgemäß ans Wasser und ließen ihre Taschenlampen aufs Meer leuchten. Auf dieses Erkennungszeichen hielten beide Wagen in Höhe der Schlauchboote.

      Die Polin war Anfang Vierzig

      Die Polin war Anfang Vierzig. Sie war in Begleitung von zwei Männern gekommen, die offenkundig als ihre Bodyguards fungierten.

      Mr. Bird hatte sie 2001 im Rahmen einer Dienstbesprechung in Warschau kennen gelernt. Marcel, der Franzose stammte aus Saumur. In seiner Jugend hatte er an gemeinsamen Pfadfinderlagern mit Gruppen aus der Partnerstadt Saumurs in Deutschland teilgenommen. Die Partnerstadt war das niedersächsische Verden/Aller. Dieses Städtchen hatte Bird und ihm einen gemeinsamen Gesprächsstoff geliefert, als sie sich Ende 1989 auf einer gemeinsamen britisch-französischen Tagung im belgischen Gent kennen gelernt hatten, bei der es darum ging, die Folgen der Ereignisse in der DDR zu analysieren und die Vorgehensweisen beider Dienste aufeinander abzustimmen. Marcel hatte keinen weiteren Kollegen mitgebracht.

      Gemeinsam erklommen sie die Dünung zum Haus, wo Regine Bird mit den Hunden vom Spaziergang zurückgekehrt war.

      Erst hier erfolgte die gegenseitige Vorstellungsrunde. Da der Deutsche der einzig Neue in der Runde war, galt ihm die besondere Aufmerksamkeit der Hinzugekommenen.

      Günter Rogge war nicht besonders groß gewachsen, aber trotz seines fortgeschrittenen Alters schlank geblieben. Der kurze Haarschnitt ließ seine ohnehin eher markanten Gesichtszüge noch härter erscheinen.

      Agnieszka fiel zunächst der prüfende, durchdringende Blick auf, mit dem sie der Deutsche überflog. Danach war es der Klang der Stimme, der sie aufhorchen ließ. „Militär!“ konstatierte die Polin überrascht für sich.

      Der Franzose hatte es bei einem kurzen Händedruck belassen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich stärker auf Mrs. Bird. Beide kannten sich aus ihrer gemeinsamen Pfadfinderzeit. Es war immer wieder ein großes Hallo, wenn sie einander begegneten. „Ich denke, ich mache uns erst einmal was zu trinken,“ warf Regine gutgelaunt in die Runde.

      Kurz darauf stellte sie mit einem „puh“ einen Kasten „Flensburger“ auf die Ablage neben der Spüle. „Greift zu Leute,“ forderte sie die Umstehenden auf. Nach dem Begrüßungsbier widmete sich die kleine Gesellschaft dem Büffet, das Regine in dem Restaurant der Ferienhaussiedlung hatte zubereiten lassen. Erst danach wurde es dienstlich.

      „Unser gemeinsames Sorgenkind beginnt sich zu einem echten Problem zu mausern,“ leitete die Polin die Unterredung ein.

      „Ich denke, wir wissen jetzt in etwa, was die vorhaben. Seit Anfang Juni greifen sie über die e-Mail Konten auf den internen Schriftverkehr schwachgeschützter Netze zu und recherchieren so personenbezogene Daten der Mitarbeiter der infizierten Unternehmensdatenbanken. Außerdem verfügen sie über die Fähigkeit Buchhaltungsdaten einzusehen und Kontobewegungen zu manipulieren. Sie alle kennen sicherlich diese Meldung: „Sicherheitslücken lassen sich auf vielfältige Weise ‚nutzen’.“ Die Polin blickte kurz auf ihr Manuskript und zitierte dann weiter den bekannten Internetinformationsdienst des Spiegel Verlages, ‚Der Tag’: „Das führen unbekannte kriminelle Spam-Versender zurzeit vor: Sie hinterlegen Trojaner auf bekannten Webseiten, die die PCs der Website-Besucher zu Spam-Versende-Relays machen. Ein neuer Internet-Virus spioniert nach Ansicht von Experten Kreditkartennummern und andere persönliche Finanzdaten aus: Der Virus verbreitet sich über infizierte Web-Sites und nutzt Sicherheitslücken in Produkten von Microsoft aus’. Agnieszka Malik sah prüfend in die Runde.

      Rogge hatte das Gefühl, als ob ihr Blick eine Spur länger auf ihm haften blieb, aber das konnte auch Einbildung sein.

      „Das, was sich da abspielt,“ so fuhr die Kriminalbeamtin


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