Game over. Elmer Eleonor Krogomo
mich nicht. So ein Aufstieg ist ohne die Sektierer-Attitüde nicht zu bewerkstelligen, ob nun mit Tricks oder ohne. Dann darf ich also zusammenfassen, dass du nichts Wesentliches gefunden hast. Deine Jüngelchen vermögen nichts zu erzählen. Mithin ist er nicht schwul.«
»Das habe ich doch noch gar nicht ausgeschlossen, oder?«, warf Johimbe ein, ergötzte sich einen Augenblick lang an dem erstaunten Gesicht ihres Partners und fuhr dann fort: »Allerdings scheint er wirklich nicht schwul zu sein. Mit der dortigen Homo-Bruderschaft hat er auch in der Tat keine Berührungspunkte. Allerdings pflegt er ein Hobby, das ihn uns näher bringen wird.«
»Ah ja?« Uslar beendete seine Mahlzeit und eine Beendigung dieses Gespräches lag für ihn nun auch nahe.
»Ja, auch ein Sektierer benötigt dann und wann eine Frau. In seinem Fall ist es so, dass er sie sich in einem Harem hält.«
Nun wurde es für Uslar doch noch interessant.
»Aha, er verlässt also seinen Bau für erotische Abenteuer? Dann schnappe ich ihn mir.«
Johimbe schüttelte nur den Kopf.
»Uslar, du denkst mal wieder eine Kante zu schlicht. Wir sollen etwas herausfinden. Wenn du den Mann umlegst, haben wir nichts gewonnen. Ein Nachfolger wird die Firma und die Methode erben und der wird dann gewarnt sein. Also machen wir es auf die weibliche Art.«
Für die große Frau bestand gar kein Zweifel, bei Bedarf würde niemand sie aufhalten können, Sohns zu töten. Noch nie hatte sie jemand aufhalten können, allein wegen dieses Umstandes lebten die vom T73 Bevollmächtigten noch. Zurzeit lautete der Auftrag aber anders, die Tötung des Konzernchefs würde der Erfüllung ihrer Aufgabe im Gegenteil sehr entgegen stehen, was auch ihr verschrobener Partner einsehen musste. Bevollmächtigter Uslar sah sie dennoch trübe an, verzog die Mundwinkel noch weiter nach unten und schnaubte sachte: »Die weibliche Art, wie schön. Du wirst den Mann also beschlafen, ja? Abgesehen von dem Problem, erst einmal seine Favoritin zu werden: Wie kommst du eigentlich auf das schmale Brett, dass er nur darauf wartet, dir alles zu erzählen?«
Nun lachte Johimbe böse auf und strich sich aufreizend über den Körper.
»Welcher Mann hat mir jemals widerstehen können?«
»Ich.«
»Du bist kein Mann. Du bist ein kleiner, verschrobener Zwerg ohne Ahnung vom richtigen Leben, der bösartig wurde, weil er nie eine Frau abbekam. Die Verhaltensforscher nennen so etwas Übersprungsreaktion. Die sexuelle Energie schlägt mangels Sex in Gewalttätigkeit um. Ziemlich leicht zu durchschauen, mein Herr.«
Er grinste nur falsch zurück.
»Deshalb passen wir so gut zusammen. Nur jemand wie ich ist in der Lage, mit einer sexsüchtigen Schlampe zusammenzuarbeiten, ohne sie aus Eifersucht oder gesunder Überzeugung zu erschlagen.«
Sie griff zum Teller, nur um enttäuscht festzustellen, dass er aus Granoplast bestand, eine Substanz, die von selbst zerbröselte, wenn man sie gegen etwas warf. Einer der völlig untauglichen Versuche des EU-Direktorats, häusliche Gewalt zu verhindern. Uslar nutzte die Sekunde, um erstaunlich behände aufzustehen und sich in sein Zimmer zurückzuziehen. Johimbe sah noch eine kurze Weile den Teller an. Dann beschloss sie, noch ein paar Telefonate zu führen.
*
Gar nicht so weit weg von Bad Godesberg fand ein Treffen statt. In einem reichlich vergammelten Hochhaus im Norden von Bonn wohnten mehr schlecht als recht etwa neunzig Studenten und allein lebende Beamte in Einzelzimmern. Sie bildeten in diesem Viertel den Rest dessen, was einmal die untere Mittelschicht gewesen war. Unter den augenblicklich in Europa herrschenden Bedingungen bedeutete dies, dass die Mieter einerseits nicht mittellos waren und ergo nicht betteln gehen oder sich einer militanten Organisation anschließen mussten, um an Nahrung zu kommen.
Andererseits ging es ihnen aber auch nicht wirklich gut, denn auf Heizung oder Strom musste man überwiegend verzichten und die Gefahr eines gewaltsamen Todes bestand zu jeder Zeit. Das Hochhaus lag an der Pariser Straße, die sich fest in der Hand türkischer Drogendealer befand, weil dieser Straßenzug aktuell von keiner Firma und keiner anderen Interessengruppe beansprucht wurde. Seit Jahren traute sich keine Polizeistreife mehr hierhin, was aber nicht als Verlust gesehen wurde, seit die Beamten Schutzsteuern erhoben und doch nie eingriffen.
Im siebten Stock des Hauses Nummer vierundfünfzig trafen sich drei Araber mit einem ebenfalls arabischen Neuankömmling in einer der kleinen Stundenwohnungen. Sie scheuchten die blonden Prostituierten fort und hockten sich gemütlich um eine Wasserpfeife. Sie ließen sich Zeit, rauchten zusammen, verspeisten größere Mengen scharf gewürzten Gebäcks und sprachen über Belangloses. Der Neuankömmling legte schließlich die Pfeife weg und eröffnete den offiziellen Teil der Besprechung. Er sprach sehr formell, als fände dieses Gespräch in einem Gerichtssaal statt, wobei er selbst die Rolle des Staatsanwaltes inne hatte.
»Jussuf, deine Männer haben versagt. Weil sie das Flugzeug nicht zum Absturz bringen konnten, haben wir den Angriff auf die Bank abbrechen müssen. Was ist deine Entschuldigung?«
Der Angesprochene duckte sich und wagte den anderen nicht anzusehen.
»Tarkan, mein Führer, ich bin untröstlich. Meine besten Männer habe ich mit dem heiligen Auftrag in dieses Flugzeug geschickt. Sie waren zu dritt, und sie haben alles richtig gemacht. Sie töteten die Piloten und waren bereit, für die Sache zu sterben. Doch dann wurden sie überwältigt.«
Tarkan schnaubte verächtlich. Seine Wut sprang ihm förmlich aus den schwarzen Augen.
»Die besten Männer, ha! Bewaffnete Männer lassen sich von einer Frau töten. Was hast du diesen Schwächlingen beigebracht? Sie trugen Waffen und keine Besen, warum also haben sie nicht geschossen?«
Jussuf wurde noch kleiner. Seine Stimme wurde vor Angst ganz hell.
»Herr, es war nicht nur die Frau. Ein Mann war bei ihr.«
Herrisch wischte Tarkan den Einwand beiseite.
»Das war kein Mann. Ein Zwerg war es, unbewaffnet und ungelenk, ein Niemand. Ein Zwerg und eine Frau haben den Stolz deiner Kampfgruppe besiegt. Das ist unverzeihlich.«
Jussuf quiekte fast, als er das magische Wort hörte. In seiner Not wagte er einen weiteren Einwand: »Herr, mein Führer, diese beiden waren keine normalen Menschen. Es geht das Gerücht, sie wären Bevollmächtigten des T73. Die besten Kämpfer unter der Sonne. Niemand konnte damit rechnen, dass zwei von ihnen an Bord waren und der Mann auch noch die Maschine fliegen konnte.«
Tarkan lachte böse auf.
»Jussuf, Du bist ein Narr! T73 gibt es nicht. Es ist nichts weiter als eine Legende, ein Mythos der Imperialisten, der herrschenden Geld-Clique, mit dem man uns Freiheitskämpfern Furcht einflößen will. Bei dir jedenfalls scheint es gelungen zu sein, und deine Kämpfer hast du allem Anschein nach ebenfalls mit dieser sinnlosen Furcht angesteckt. Genug davon. Ich gebe dir eine letzte Gelegenheit, dich zu rehabilitieren.«
Er erklärte Jussuf seinen Auftrag und entließ ihn anschließend mit einer unwirschen Handbewegung. Leichenblass und mit zitternden Knien verließ Jussuf die Studentenwohnung. Tarkan wandte sich den beiden verbliebenen Zuhörern zu.
»Nun? Was wisst Ihr von diesen beiden Gestalten?«
Einer antwortete zögernd: »Wir konnten keine Hinweise darauf finden, dass sie einer Organisation namens T73 angehören. Es handelt sich um Mitarbeiter der UNHCR. Die Frau ist Sozialarbeiterin, der Mann nur ein Buchhalter.«
Tarkan runzelte die Stirn.
»Diese Berufe befähigen niemanden dazu, unsere Kämpfer zu überwinden.«
»Nein«, gab ihm sein Gegenüber recht. »Allerdings sind beide vorbestraft. Die Frau wegen Mordes an ihrem Liebhaber.«
»Hure!«, entfuhr es Tarkan fast anerkennend. »Wo befindet sie sich jetzt?«
»In einer sicheren Wohnung. Zusammen mit dem Mann.«