Game over. Elmer Eleonor Krogomo

Game over - Elmer Eleonor Krogomo


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der gar nicht perfekte Troll hat schneller reagiert als die gnadenlose Killer-Queen. Somit warst du zu langsam und damit nicht perfekt. Tor für Luxemburg.«

      Er machte eine verächtliche Siegergeste und traf Anstalten, den Zug zu verlassen. Gerade fuhren sie an der richtigen Haltestelle vor und aus dem hinteren Eingang quoll ein Trupp glatzköpfiger Schläger und rannte, was das Zeug hielt. Uslar und Johimbe traten aus dem am weitesten entfernten Ausgang am anderen Ende des Zuges und kümmerten sich überhaupt nicht um die Fliehenden. Im Gehen stritten sie weiter, Johimbe wechselte langsam zu grundsätzlicheren Themen.

      »Zu schnell sein, das Hauptübel von euch Kerlen. Gleich nach der Unsitte, Gespräche nicht bis zum Ende durchstehen zu können. Würdest du die Güte haben und deinen Job machen, anstatt hier patzige Vorträge zu halten?«

      Uslar blieb stehen, drehte sich um und fauchte: »Ich mache meinen Job. Wenn nur ganz wenige Leute ihren Job so machen würden wie ich, säße die Menschheit heute nicht bis zu den Nasenlöchern in der Scheiße. Abgesehen davon haben sich die Nazis so verhalten, wie man es von ihnen erwartet: Sie sind beim ersten Anzeichen von ernsthaftem Widerstand geflohen und haben ihren Freund zurückgelassen. Und ganz unter uns: Ich habe Zeit gewinnen wollen. Wenn man sich auf die wirklich wichtigen Ziele beschränkt, erreicht man damit einen unfassbar großen Zeitvorteil. Ein Zeitvorteil, den du in typisch weiblicher Manier durch heilloses Gesabbel soeben verspielt hast.«

      Die letzten Worte spuckte er vor ihre Füße und wandte sich danach endgültig ab, um im Sturmschritt die Unterwelt zu verlassen. Sie knirschte mit den Zähnen, und bevor sie ihm folgte, knurrte sie vor sich hin: »Häng mir noch einmal typisch weibliche Fehler an und ich schneide dir die Ohren ab und verspeise sie zum Frühstück.«

      *

      

      Nicht weit von der U-Bahn-Station entfernt befand sich ihr Ziel. Die Seniorenwohnanlage Sonnenstift lag zwischen Rhein und ehemaliger Bundesstraße mitten im Bettler-Viertel. In diesen harten Zeiten befanden sich alle Altenheime in Bettler-Vierteln, zum einen, weil dies angesichts des allgemeinen Verfalls schlicht sehr wahrscheinlich war, zum anderen wegen der Abneigung der verbliebenen gut situierten Bürger, hilfebedürftige Personen in ihren Vierteln zu dulden. Bettler jeden Alters prägten denn auch das Straßenbild, von ihren persönlichen Müllhaufen streckten sie teils barmend, teils aggressiv den beiden ihre offenen Hände entgegen.

      Die Häuserzeilen befanden sich im Endstadium des Verfalls, keine intakten Fenster weit und breit, kein Wasser, hie und da eine Fassade bereits zusammengebrochen, überall Spuren gewalttätiger Auseinandersetzungen. Niemand aus den besseren Stadtteilen wagte sich in die Gegend, wenn es keinen guten Grund hierfür gab, und den gab es eigentlich nur einmal: Um die eigene Oma abzuliefern.

      Entsprechend aufgeregt verhielten sich die Bettler, die rigoros um die besten Plätze entlang des Weges rangelten. Die zerlumpten Gestalten konnten sich offenkundig nicht einmal auf einheitliche Plätze zur Verrichtung der Notdurft einigen, es stank höchst einheitlich, öfters gab es am Wegesrand auch den Grund hierfür zu besichtigen. Aus diesem Bild des Schreckens ragte das Hochhaus der Seniorenwohnanlage wie ein schmutzig-grauer Leuchtturm heraus. Wachmänner mit Schrotflinten und E-Schockern bewachten mit grimmigen Mienen die Zufahrt.

      Johimbe und Uslar zeigten ihre Ausweise und wurden durchgelassen. Im Gebäude angelangt achteten sie nicht auf die verstörte Ansammlung halbwegs gut gekleideter, aber sehr alter Menschen, die durch die großen Scheiben fassungslos auf das Treiben auf der Straße blickten, sondern durchmaßen zielstrebig die Eingangshalle und das angrenzende Bistro und betraten schließlich einen Fahrstuhl mit der Aufschrift Privat! Zutritt streng verboten.

      Sie drückten keine Knöpfe, sondern warteten ab, bis sich die Tür schloss. Dann trat Johimbe vor die rückwärtige Glaswand, streckte ihren linken Arm von der Hüfte aus von sich weg, bildete mit kräftigem Druck eine Faust und ließ dann ruckartig den kleinen und den Zeigefinger aus der Faust herausschnellen. In diesem Augenblick entstand dicht über dem Handgelenk ein Hologramm. Grelle Farben wirbelten durcheinander und formten einen Buchstaben und zwei Zahlen. Johimbe sprach dazu in die Glaswand: »Selina Saskia Johimbe, Bevollmächtigte Nummer neun, T73, Code JP197.«

      Sie machte Platz für ihren Begleiter, der mit den gleichen Bewegungen das Hologramm produzierte und der Glaswand seine Identität erklärte: »Drusus Xerxes Ramses Uslar, Bevollmächtigter Nummer dreiundzwanzig, T73, Code JO196.«

      Mit einer ruckartigen Bewegung schlossen beide die Fäuste wieder, woraufhin die Hologramme verschwanden. Der Fahrstuhl setzte sich ohne weitere Umstände in Bewegung. Uslar nutzte die Zeit für einen mürrischen Einwand.

      »Ich hasse es, T73 auf Englisch auszusprechen. Da komme ich mir vor wie ein Vertreter für Gesundheitstee. Nehmen Sie Tee Nummer 73, und die Prostata kneift nie wieder. Alberner Mummenschanz.«

      Johimbe betrachtete den kleinen Mann mit distanzierter Nachdenklichkeit.

      »Sag mal, Uslar, gibt es eigentlich irgendetwas auf diesem verfluchten Planeten, was von dir nicht gehasst wird? Eine winzige Kleinigkeit?«

      Er sah zu ihr auf und zeigte ihr ein unehrliches Grinsen.

      »Nein, meine Schönste. Keine Chance. Ich halte Gott für einen Psychopathen und die Menschheit für sein absolut unterirdischstes Erzeugnis.«

      Die Tür öffnete sich und so verzichtete sie auf eine passende Antwort. Ein paar Bewaffnete erwarteten sie und sahen aufmerksam zu, wie ein grauer Mensch im Laborkittel ihre Identität nochmals mit einem tragbaren CT-Scanner überprüfte. Nachdem er den Daumen hob, entspannte sich die Szene und sie durften durch eine gepanzerte Tür treten. Ein großer Raum tat sich auf, an dessen anderem Ende eine Frau mittleren Alters auf sie wartete und ihnen eine weitere, diesmal aus massivem Holz bestehende Tür öffnete.

      Damit waren sie am Ziel. Sie befanden sich nun in einem relativ kleinen Raum, der von einem überaus großen und sehr alten Schreibtisch geteilt wurde. Vor dem Schreibtisch standen zwei bequeme Stühle bereit, hinter dem Schreibtisch pendelte ein Mann sachte in seinem schweren Ledersessel hin und her. Ungefragt nahmen die beiden Platz und Uslar ergriff das Wort: »Hey, Chef, was soll das eigentlich mit dieser Identitätsprüfung? Ich hasse diese Typen, die da vorne nur darauf warten, mich umzulegen, falls die Laborratte was falsch macht. Außerdem kann man mich ohnehin nicht fälschen.«

      Der Mann hinter dem Schreibtisch lächelte schmal. Nach Johimbes Maßstäben galt er als akzeptabel: Groß und schlank, fast muskulös, wirkte er trotz seiner fast fünfzig Jahre jugendlich und elastisch. Seine Haut glänzte makellos und gut gepflegt, dazu kleidete er sich teuer und nach der letzten Mode. Mit sanfter und fast gelangweilter Stimme erwiderte er: »Mein lieber Drusus, Sie wissen doch sehr genau, zu welchen Schandtaten die Konzerne fähig sind. Man könnte selbst Sie klonen, konditionieren oder in eine Humanbomb umwandeln. Wir haben in der Vergangenheit schon Beauftragte auf diese Weise verloren. Also zieren Sie sich nicht, es ist zu unser aller Schutz notwendig.«

      Uslar grummelte ein paar Worte in seinen nicht vorhandenen Bart und ließ es auf sich beruhen. Der Chef lächelte breiter und nahm einen vorsichtigen Schluck aus seiner Espresso-Tasse. Seinen Gästen bot er nichts an. Dann wandte er sich an Johimbe: »Nun, Selina, wie ich höre, war Ihr Einsatz in Cork von Erfolg gekrönt.«

      Sie nickte ernst und sagte mit einem Seitenblick auf ihren Kollegen: »Ja, wir konnten diese informelle Übereinkunft zwischen Chemie-Monopol und Drogen-Kartell beerdigen. Leider gab es durch die tätige Mithilfe dieses neben mir sitzenden hirnlosen Wurms etliche Tote unter der Zivilbevölkerung.«

      Der Angegriffene maulte zurück: »Wie lustig! Da waren fünfzehn Teilnehmer, jeder hatte ein Dutzend Leibwächter dabei. Dazu noch die komplett eingekaufte Staatspolizei, von den Schützenpanzern gar nicht zu reden. Warum sollte ich da leibhaftig durch die Hallen rennen und jeden einzeln erschießen? Die Zivilbevölkerung, die meine werte Kollegin da anspricht, bestand fast ausschließlich aus militanten Demonstranten von Greenfight. Die wären auch so von den Leibwächtern erledigt worden. Ich war nur etwas schneller, und habe sie alle mit der Neosit-Bombe erwischt. Kein Problem.«

      Der Chef nippte an der Tasse und meinte tadelnd:


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