Game over. Elmer Eleonor Krogomo

Game over - Elmer Eleonor Krogomo


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      Uslar grunzte unzufrieden.

      »Soll das heißen, der Mann kungelt mit keinem Staat, keiner Organisation, keiner Partei und keiner anderen Firma, und trotzdem ist er nach oben gekommen? So was gibt es doch nicht.«

      »Ganz recht, so eine Karriere fordert genaues Hinsehen. Tatsächlich haben unsere Analytiker nach langer Analyse da etwas gefunden. Er hat spekuliert, Aktien gekauft und verkauft, sehr viel und sehr rasch. Begonnen hat er mit vier Millionen Dollar, heute bewegt er an normalen Tagen zweihundert Milliarden.«

      »Wow. Da hat er aber selten verloren.«

      »Nicht ganz, Drusus, nicht ganz. Bei genauem Hinsehen lässt sich feststellen, dass er nie verloren hat. Kein einziges Mal. Er gewinnt immer. Als ob er vor einem Spielautomaten steht, für den er eine Fernbedienung besitzt.«

      Johimbe und Uslar ließen die Worte des Chefs sacken. Sie wussten alle, dass es so etwas nicht geben konnte, jedenfalls nicht ohne Betrug. Uslar spuckte ungnädig seine Erkenntnis aus: »Ein Komplott. Entweder manipuliert er direkt, oder er verfügt über die entsprechenden Informationen.«

      Mit einem hintergründigen wissenden Lächeln schüttelte der Chef sachte seinen Kopf.

      »Das wäre zu einfach, um wahr zu sein. In der Vergangenheit haben wir solche Betrügereien stets zügig aufdecken können. Außerdem ist die neidische Konkurrenz in der Regel so freundlich, geheime Verbindungen an uns zu melden, in der Hoffnung, der Blitz schlüge für dieses Mal woanders ein. Aber wer weiß? Die Analytiker haben alles umgedreht, jede Einzelheit genauestens untersucht, und nichts dergleichen gefunden.«

      »Aber es muss doch einen Anhaltspunkt geben. Irgendetwas muss er doch tun, um immer richtig zu liegen.«

      Johimbe teilte langsam die dunklen Gedanken ihres Kollegen, dem der Sinn überhaupt nicht nach Rätselraten stand. Tatsächlich konnte der Chef nicht viel Erhellendes zum Besten geben. Er gab sich Mühe, immerhin.

      »Es gibt nichts. Na, sagen wir: fast nichts. Es lässt sich ein Muster feststellen, wenn auch ein sehr nebulöses. Sohns platziert seine Gelder für gewöhnlich breit gestreut und auch zeitlich nicht festlegbar. Allerdings konnten unsere Spezialisten eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür berechnen, dass der jeweilige Kurs innerhalb weniger Minuten nach Platzierung steigt. Seine Engagements sind mithin überwiegend äußerst kurzfristig. Kein einziges Mal hat er Aktien von Firmen gekauft, deren Wert in der Folge erst nach einigen Wochen stieg. Immer stieg er sofort. Sobald er verkauft, fallen die Kurse wieder.«

      »Aha«, brummte Uslar, der immer noch nicht erkennen konnte, wo der Ansatzpunkt für ihn stecken sollte, »vielleicht genügt sein Engagement für sich schon, um Trittbrettfahrer anzulocken, und quasi aus sich selbst heraus die Steigerung des Kurses zu bewirken.«

      »Nein, Drusus, das haben wir überprüft. Stutzig macht mich ein Versuch, den wir mit befreundeten Maklern durchgezogen haben. Wir haben die Aktien, die Sohns kaufte, massiv verkauft, um den Wert zu drücken.«

      »Und?«

      »Als ob er es gewusst hätte, verkaufte er sein Paket eine Minute vor uns. Er kam ohne Schaden aus der Aktion heraus.«

      »Und Sie nicht.«

      Uslar warf seinen Satz mit einem unterschwelligen Ton von subversiver Schadenfreude in die Runde, dachte aber gleichzeitig weiter. An dieser Stelle kristallisierte sich nunmehr ein Auftrag für ihn heraus. Er hasste Börsenmakler, und ganz besonders hasste er Börsenmakler, die immer reicher wurden, gerade weil die Menschheit gleichzeitig immer näher an den Abgrund ruderte. Er begann, sich auf die Begegnung mit diesem Sohns zu freuen.

      Er räusperte sich und meinte geschäftsmäßig: »Also das übliche Vorgehen. Ich schaue mir die Computer an und Johimbe macht sich an den Kerl ran.«

      Der Chef nickte zustimmend.

      »So in etwa. Ich muss Sie außerdem bitten, ein wenig auf die Geschwindigkeit zu achten. KroGiTec ist kurz davor, das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Konzernen zu zerstören. Es herrscht erhebliche Unruhe in den Vorständen. Knapp gesagt gilt es, eine durchaus mögliche feindliche Auseinandersetzung der Konzerne untereinander zu verhindern. Die Bürgerkriege, Terror-Anschläge und Wirtschaftskriege unter den Rumpf-Staaten genügen mir vollauf. Wenn die Konzerne persönlich zu den Waffen greifen und nicht mehr nur Stellvertreter ins Feuer schicken, blicken wir nicht mehr durch. Dann kommen wir dem Ende ein gutes Stück näher. Also geben Sie Ihr Bestes.«

      Die beiden Bevollmächtigten verstanden und erhoben sich, grüßten so knapp wie nachlässig und verließen den Raum. Im Aufzug schüttelte Uslar einigermaßen ungläubig den Kopf.

      »Jetzt muss ich also den Konzernen den Hintern retten. Den gleichen Konzernen, die seit Jahren versuchen, mir das Licht auszublasen. Ich fasse es nicht. Ich lebe in einem Film, der in einem Zoo aufgeführt wird. Was für eine Zeit.«

      Johimbe wusste, was er an dieser Stelle immer sagte und mit rollenden Augen näselte sie im Chor mit, als er das Wort mit Abscheu ausspuckte: »Psychozoikum!«

       *

      Johimbe und Uslar hatten kaum den Raum verlassen, da öffnete sich die Vertäfelung der Wand und ein sehr weise und unglaublich alt aussehender Mann trat heraus und setzte sich wie selbstverständlich mit erstaunlicher Leichtigkeit auf die Kante des Schreibtisches. Mit leiser Stimme, dabei prüfend auf seine Finger schauend, gab er seine Bedenken bekannt. »Glauben Sie wirklich, mit diesem schrägen Pärchen die Richtigen beauftragt zu haben? Sie scheinen sich aufgrund ihrer vollständigen Gegensätzlichkeit nicht besonders zu mögen. Konflikte dieser Art führen erschreckend häufig zu Fehlschlägen.«

      Der Chef zupfte gemächlich nicht vorhandene Stäubchen von seinem Designer-Anzug, trank die Tasse aus und drehte sie langsam in den Händen, als er sich endlich zu einer Antwort bequemte.

      »Sie übersehen, dass Uslar und Johimbe bereits seit zwei Jahren zusammenarbeiten. In dieser Zeit gab es keinen einzigen Fehlschlag, obgleich sie sich von Anfang an so benahmen.«

      Der Mann auf der Schreibtischkante blickte spöttisch lächelnd ein an der Wand hängendes Bild an.

      »Nun, da kann man sicherlich unterschiedlicher Ansicht sein. Vor vier Monaten beispielsweise, die Ermittlungen gegen DigiTransMed. Ihre beiden Elitekrieger haben das gesamte Management liquidiert.«

      Der Chef lächelte hintersinnig. Er wusste, worauf sein Besucher hinaus wollte, und dennoch erwiderte er leichthin: »Darin sehe ich noch nichts Nachteiliges.«

      Der uralte Mann fiel darauf herein und raunzte zurück: »Inklusive der halben Stadtteil-Bevölkerung, in dem diese Leute wohnten. Man kann das ohne Weiteres als terroristischen Akt definieren.«

      Der Chef stellte die Tasse weg und sah seinem Gegenüber ernst in die Augen.

      »Das ist immer noch kein Nachteil, im Gegenteil. Ich kann mir keine bessere Tarnung vorstellen. In diesen Zeiten werden täglich mehrere Anschläge gemeldet, und sogleich als üblich und wenig aufregend abgeheftet. Die Welt hat zu viele Probleme dieser Art, da fällt dieser eine Akt der Barbarei nicht weiter auf. Außerdem wissen Sie so gut wie ich, dass für unsere Arbeit nur der Erfolg zählt, sonst nichts. Die Zahl der Opfer spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Frage nach Rechtsstaatlichkeit oder der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Im Grunde liegt in der Vernachlässigung dieser Parameter die wesentliche Ursache für unsere Erfolge. Schließlich greifen wir erst ein, wenn die Staatengemeinschaft aufgegeben hat.«

      Der uralte Mann seufzte leise.

      »Was sie in letzter Zeit andauernd tut. Nun, ich möchte nicht, dass unsere Leute ihren Freiraum allzu bedenkenlos und selbstverständlich nutzen. Uns allen ist doch klar, dass die Angehörigen unserer Organisation schon aufgrund ihrer Vorgehensweise sehr plötzlich die Seite wechseln könnten. Die gleichen Methoden werden ohnehin bereits überall angewendet. Unversehens könnten wir schlimmer sein als das, was wir bekämpfen.«

      »Wir sind ganz sicher schlimmer als diejenigen, die wir bekämpfen. Ansonsten wären wir ähnlich erfolglos wie die Stellen, die mit rechtsstaatlichen


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