Lotta und ich. Nicole Kunkel

Lotta und ich - Nicole Kunkel


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helfe dir, wo ich kann. Das packen wir zusammen schon. Die vielen Zweifel sind völlig normal. Das legt sich, glaub mir«, hat sie im letzten Telefonat zu mir gesagt. Das liegt jetzt schon Wochen zurück und ich erreiche sie nicht mehr. Das ist ein Problem und gibt mir ein mulmiges Gefühl.

      Als ich den Kostenvoranschlag für den Antrag beim Fonds von ihr gebraucht habe, musste ich ihr auch ewig hinterhertelefonieren. Sie hat tagelang nicht reagiert, weder auf Anrufe noch auf Mails. Kein gutes Zeichen. Aber, wenn ich sie endlich einmal an der Strippe habe, dann ist sie immer nett und einfühlsam. Ich habe das Gefühl, dass sie mich und meine Probleme versteht.

      Noch dazu gibt es kaum Hundetrainer, die auf die Ausbildung von Assistenzhunden spezialisiert sind. Erst recht nicht bei einer komplexen PTBS, unter der ich leide.

      Es ist nicht leicht, einen guten Trainer zu finden. Teuer sind sie aber alle. Fast 10.000 Euro sollen die Stunden bei Sabrina insgesamt kosten, bis Lotta ein fertig geprüfter Assistenzhund ist. Dafür reicht das Geld vom Fonds gerade so aus. Nur für die Ausbildung. Alles andere muss ich anders finanzieren. Aber wie?

      Die vielen Unsicherheiten und Zweifel treiben mich in den Wahnsinn und schieben mich eher in die entgegengesetzte Richtung: Ich sollte mir besser keinen Hund anschaffen.

      Wenn überhaupt, dann wäre es besser, er würde in einer Patenfamilie großgezogen werden und dort die Ausbildung erhalten, wie es zum Beispiel in den USA Usus ist.

      Überall lese und höre ich, wie anstrengend die Welpenzeit ist und egal wie ich es drehe und wende, ich bin nicht belastbar.

      Ich sehe mich schon heulend allein mit dem Hund hier sitzen, einem Nervenzusammenbruch nahe und völlig überfordert, während das arme Fellbündel völlig verunsichert um mich herumspringt.

      Was, wenn ich es mit dem Hund nachher doch nicht raus vor die Tür schaffe? Wenn ich dem kleinen Würmchen nicht das bieten kann, was er oder sie braucht? Was, wenn ich als hundeunerfahrene, blutige Anfängerin Fehler mache und dem Hund schade?

      Was, wenn der die Prüfung nachher dann gar nicht schafft oder nicht mehr geeignet dafür ist?

      Was, wenn ich heillos überfordert bin und den Hund zurückgeben muss? Eine Horrorvorstellung.

      Also den Hund doch lieber in die Fremdausbildung oder bei einer Patenfamilie aufwachsen lassen?

      Nein, wenn ich es mir recht überlege, will ich meinen Hund gar nicht in eine fremde Familie oder in so ein Drill-Institut geben. Der gehört an meine Seite, von Anfang an. Wie soll er sich denn sonst auf mich und meine ganzen Baustellen einstellen?

      Wie soll ich mich an den Alltag mit Hund gewöhnen, wenn der gar nicht bei mir ist?

      Mal abgesehen davon, dass ich es mir gar nicht leisten könnte, den Hund fremdausbilden zu lassen. Das würde nochmal mindestens das Dreifache kosten als die Selbstausbildung mit Trainerunterstützung. Woher soll ich die mindestens 30.000 Euro dafür nehmen? Und will ich das überhaupt?

      Nein, ich will meinen Hund vom ersten Tag an begleiten und an meiner Seite wissen. Ich möchte keinen Tag mit ihm verpassen und er soll sich auf mich einstellen können. Oder besser gesagt: Wir wollen uns aufeinander eingrooven.

      Ja, das wäre der Optimalfall, aber bin ich dem Ganzen gewachsen?

      Das Vorhaben kann ich ohnehin abhaken, wenn mein Antrag beim Fonds abgelehnt wird.

      Ich habe nicht einmal das Geld für die Anschaffung, geschweige denn für die Ausbildung, die mehr kostet als ein neues Auto.

      By the way – ich hoffe, mein alter Toyota hält durch.

      Wie blöd bin ich eigentlich? Ich bin doch finanziell schon mit dem Unterhalt und der Pflege meiner Katzen heillos überfordert. Ist noch gar nicht lange her, da hat mich die Nabelbruch-OP meines blinden, kleinen Katzen-Neuzugangs Stevie über 500 Euro gekostet. Also mehr als das Doppelte an Geld, das mir monatlich zur Verfügung steht, um Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu bezahlen. Stevie hätte ich streng genommen erst gar nicht aufnehmen dürfen.

      Ich war und bin unvernünftig, was Tiere – vor allem Katzen – angeht, und verzichte für sie auf vieles.

      Das, was sie mir schenken, ist unbezahlbar.

      Neben unbeschwerten, glücklichen Momenten lassen sie mich durchhalten, geben mir eine Aufgabe und vor allem Liebe, die ich von Menschen nicht zulassen könnte. Tiere lieben bedingungslos.

      Bei Menschen frage ich mich immer, was dahintersteckt, was sie im Gegenzug dafür erwarten. Und die meisten erwarten nach meinen Erfahrungen immer etwas im Gegenzug. In solchen Dingen bin ich ein Totalversager. Freundschaften zu knüpfen und zu halten ist etwas, das ich letztlich fast immer vergeige.

      Ich bin gut darin, Leute zu vergraulen. Wo kein Vertrauen ist, kann leider keine Freundschaft wachsen, egal wie sehr ich mir die wünsche.

      Ohne meine Katzen wäre ich heute nicht mehr hier.

      In den Momenten, in denen ich verzweifle und das Gefühl habe, keine Sekunde länger durchzuhalten, sind sie wichtig.

      Wenn ich nicht mehr will und nicht mehr kann und überlege, wie ich es am besten anstelle, mein Leben zu beenden, ist der erste Gedanke, der mir in den Kopf schießt: »Was wird aus meinen Katzen?«

      Das reicht, um den lebensmüden Mist bleiben zu lassen, und ich mache weiter – mit dem stärkenden Schnurren und Liebesbekundungen meiner Fellnasen im Ohr.

      Nun ist aber so ein Hund um einiges teurer als eine Katze.

      Ich will ja keinen Handtaschenhund. Ich brauche einen Hund, der mir Sicherheit gibt, mich im Notfall beschützt und verteidigt.

      Am besten direkt einen Dobermann oder einen Rottweiler, aber an diese Rassen traue ich mich als Hunde-Anfänger nicht ran.

      Es soll daher, wenn überhaupt, ein Labrador werden.

      Ein Labrador-Retriever ist anfängerfreundlich, gutmütig und leicht zu trainieren, habe ich gelesen.

      Für Unterhalt und Futter nehmen wir also zum Vergleich den Labrador. Der wiegt locker das Zehnfache einer Katze und frisst entsprechend mehr. Beim Tierarzt fallen auch schnell mal ein paar Hunderter, im schlimmsten Fall sogar Tausender an, die genauso bezahlt werden müssen wie das teure Futter. Ganz zu schweigen von den Mehrkosten, wenn der Hund aus gesundheitlichen Gründen einmal Spezialfutter oder Medikamente benötigt. Und nicht zu vergessen die Hundesteuer. Alles zusammen sprengt meinen winzigen finanziellen Rahmen gewaltig.

      Mache ich mir zu viele Sorgen oder bin ich einfach nur dumm und hoffe auf ein Wunder? Auf jeden Fall kommt nichts einfach so auf einen zugeflogen, erst recht kein Geld.

      Und was ist mit meinem Alltag, den ein Hund auf den Kopf stellen wird? Auf der einen Seite soll genau der anders werden, aber kann ich das zulassen? Wenn mich an manchen Tagen bereits das unerwartete Klingeln des Telefons in Panik versetzt?

      Veränderung ist harte Arbeit und bedeutet oft Rückschläge. Sie sind ein ständiges Tauziehen zwischen Angst und Hoffnung.

      Allein der Gedanke an Veränderung und daran, dass etwas an meinem Alltag anders laufen könnte, löst unangenehme Gefühle bei mir aus. Dabei wünsche ich mir doch, dass mein Leben anders verläuft. Ich will raus aus meinem Gefängnis. Warum bereitet mir das Ganze denn eine solch große Angst? Das ist doch paradox.

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       Die Liste

      

      

      

       Lotta

      Mensch Leute, ich wüsste zu gerne, was auf


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