Slow Dancing In A Burning Room. Rika Mayer
mit Lafayette ausgegangen war – gab auf und entgegen aller Warnungen von ihren Freunden redeten sie bald von Hochzeit und davon, Briony zu sich zu holen. Natürlich hatte es nicht sollen sein, Haydn hatte es in seinem tiefsten Inneren immer besser gewusst. Myra wurde für die Garderobe angestellt und Ian verliebte sich zu offensichtlich am ersten Tag. Haydn ließ ihn gehen, aber nicht ohne seine geistige Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Trotzdem waren sie enge Freunde geblieben – oder besser geworden. Schon allein der Band wegen.
„Ich sollte das ja wirklich nicht laut sagen“, murmelte Ian an Haydns Ohr, „aber ich finde, du hast in einem Brautkleid besser ausgesehen als Myra.“ „Oi!“, trat Haydn ihm auf den Fuß. „Das darfst du nicht einmal leise denken!“ Ian kannte den Tonfall und grinste nur. Immerhin war er vor Haydn auf die Knie gefallen, als er ihn damals im Studio abgeholt hatte – der junge Mann ganz züchtig im weißen Kleid mit Hochsteckfrisur, die junge Frau neben ihm im Frack mit zurückgegeltem Haar. „Tut mir leid, aber das hab ich mir schon den ganzen Tag gedacht. Ich hab es irgendwem sagen müssen und du bist wohl der Einzige, der mich nicht umbringt dafür.“ „Ha, man sollte meinen, ich wäre der Einzige, der dich dafür umbringt. Immerhin hätte das hier unser Hochzeitstanz sein können.“ „Ha…“, konnte Ian da nur sagen, aber er drückte seinen Freund etwas enger an sich. Er führte, Haydn war besser darin die Frau zu spielen – war in ihrer Beziehung immer so gewesen. „Ich hoffe aber, dass du glücklich bist“, flüsterte Haydn und Ian nickte. „Ja.“ „Gut.“ „Ich wäre mit dir auch glücklich gewesen, Maus.“ „Oh, fiddlesticks!“, wehrte Haydn ab und rückte wieder in einen anständigen Abstand. „Das hier ist besser!“ Aber irgendwie tat es gut, das zu hören, auch wenn er es nicht hören wollte.
3
Der Nachmittag wurde Abend und der Abend wurde Nacht. Ian und Myra kuschelten auf der Tanzfläche und Bobby und Nicole knutschten wild hinter der Bühne. Barclay hatte es geschafft, eine betrunkene Brautjungfer von seinem Charme zu überzeugen und Lafayette und Layla waren dazu übergegangen, Shots zu trinken. Lucienne sah fürchterlich gequält aus, als sie die Drinks vor Haydn auf den Tisch stellte. „Nur fürs Protokoll: Wie lange muss ich noch so tun, als würde ich mich in diesen Sachen wohlfühlen?“ Sie nahm eine Zigarette aus ihrem Silberetui, das Haydn ihr als Bestechung geschenkt hatte, damit sie ihn begleitete und machte einen tiefen Zug. „Du siehst sehr hübsch und elegant aus und du weißt das“, strich Haydn ihr eine Strähne hinters Ohr. Ihr langes Haar war nach oben frisiert und im Fünfzigerjahre-Stil um ihren Kopf gewickelt. Sie trug ein schwarzes Kleid das Haydn designed hatte und so gegenteilig war zu allem was sie sonst trug, dass Lafayette sie zuerst gar nicht erkannt hatte. „Es ist trotzdem das letzte Mal, dass ich dir einen Gefallen tue“, steckte sie sich die Cocktailkirsche in den Mund und nahm einen großen Schluck. „Als würdest du es nicht genießen“, grinste er und legte seinen Arm um sie. Lucienne sah ihm eine Weile in die Augen, dann blinzelte sie. „D’accord. – Aber ich habe ein paar Leute mit kleinen Zaubern belegt.“ „Natürlich hast du“, streichelte er ihren Nacken und so saßen sie eine Weile und sahen den betrunkenen Gästen zu, die es spätestens dann bereuen würden, wenn sie die Fotos sahen.
„Und ich habe jedem erzählt, dass ich deine Verlobte bin.“ „Du hast was?“ Sie lachte in seine entsetzten blauen Augen. „Na irgendetwas musste ich ihnen doch erzählen. Ich bin nicht eines deiner Püppchen, die man sonst an deinem Arm sieht.“ „Deshalb habe ich dich ja auch mitgebracht.“ „Du weißt, dass ich solche feinen Affären hasse.“ Er lachte. „Ich auch. Deshalb warst du die perfekte Begleitung.“ „Du hättest Sebastian bringen können, das hätte die Sache ein bisschen aufgelockert. Er liebt es, sich in Szene zu setzen. So ein bisschen Vorspiel auf der Tanzfläche hätte bestimmt die Stimmung aufgelockert.“ Haydn nickte etwas gedankenverloren, dann nahm er einen Schluck aus seinem Glas. „Tatsächlich gab es in letzter Zeit äußerst wenig Vorspiel zwischen Jan und mir.“ Lucienne drehte den Kopf zur Seite und musterte das Gesicht ihrer Begleitung. „Irgendwas nicht in Ordnung mit euch beiden?“ Er stellte das Glas wieder ab und schüttelte den Kopf. „Wann war schon jemals alles in Ordnung mit uns?“ „Nun, das ist eine Frage, die nur du beantworten kannst.“ „Hmm…“ „Ich bin im Allgemeinen überrascht darüber, dass du mich eingeladen hast“, stellte Lucienne daraufhin fest. „Ich dachte, wir beide…“ „Ich habe das Gefühl, dass meine Jugend mir langsam entgleitet, egal wie fest ich mich daran klammere.“ „Ach, deshalb klammerst du dich an mich?“ „Du hättest ablehnen können.“ „Hey, ich bin immer noch deine Freundin. Und wir beide sind nie auf irgendwelche Parties gegangen, als wir noch zusammen waren. Ich hab mir nur gedacht, du hättest doch bestimmt bessere Angebote…“ „Ich hatte einfach das Bedürfnis, dich zu sehen, okay?“ Er seufzte. „Ich bin im Moment einfach ein bisschen sentimental, wie mir scheint.“ Luc kannte die Geschichte von Haydns letzter echter Beziehung, aber sie war vielleicht die Letzte die darüber urteilen sollte, dass Ian begriffen hatte, dass er und Haydn keine Zukunft hatten. Sie waren fabelhafte Freunde und so viel besser dran. Genau wie Haydn und sie. „Nun, du bist auch nicht mehr der Jüngste“, lächelte sie und zupfte seine Fliege zurecht. „Zeit für eine kleine Rückschau.“ „Vielen Dank“, sah er ihr in die Augen und sie zuckte die Schultern. „Du weißt, dass ich glaube, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Und wenn nicht, dann ist es Hexerei.“ „Und was ist der Grund?“ „Das wirst du schon noch herausfinden.“
4
Agneta saß in der Küche und blätterte in einer Zeitschrift, als Linnea müde und erschöpft nach Hause kam. Obwohl sie einen Bürojob hatte, fand sie es zunehmend anstrengend, ihn auszuüben. „Hej, Linn.“ „Hej, Mamma.“ Sie zog einen Stuhl zurück und ließ sich ächzend darauf fallen. „Wie hast du es geschafft, einen ganzen Arbeitstag zu überstehen, als du schwanger warst?“ „Ich hatte damals keinen Job.“ „Oh…“ Das hatte sie nicht gewusst. „Möchtest du was zu trinken?“, erhob Agneta sich und ging zum Kühlschrank. Linnea nickte. „Ja, danke. – Wo ist Erik?“ Kaum dass sie es gesagt hatte, hätte sie sich dafür ohrfeigen können. Ihre Mutter sah etwas nachdenklich aus, vielleicht hatten sich die beiden getrennt. Nicht, dass es Linnea besonders überraschen würde, aber keiner hatte sich so lange gehalten wie Erik und sie hatte sich irgendwie an ihn gewöhnt. „Er ist zu Hause“, nahm Agneta jedoch eine Packung Apfelsaft aus dem Kühlschrank und stellte sie neben der Spüle ab, um Gläser aus dem Schrank zu holen. „Wir sehen uns nicht jeden Tag, wir haben unsere eigenen Leben.“ Sie füllte die Gläser und kam dann zu ihrer Tochter zurück. „Natürlich“, nickte diese. „Ich wollte nicht…“ „Wie geht es Albin?“, kam die zu erwartende Gegenfrage und Linnea nippte an ihrem Saft. „Erm… Gut. Sehr gut, danke.“ „Er kommt doch am Wochenende vorbei, oder? Erik bräuchte jemanden, der ihm im Garten hilft. Die Hecke hält dem Schnee nicht mehr lange Stand.“ Linnea nickte langsam. „Ja, er kommt Freitag gleich nach der Arbeit.“ „Gut dass du das sagst“, nickte Agneta, „dann können wir noch einkaufen gehen. Erik hatte noch keine Zeit.“ „Morgen Nachmittag, wenn ich aus dem Büro komme?“ „Perfekt.“ Sie stand auf und ging zur Spüle zurück, um ihr Glas aufzufüllen, das noch fast voll war. Etwas beschäftigte sie sichtlich und Linnea kam nicht umhin sich zu sagen, dass es zu früh gewesen war, ihr das von Albin und sich zu erzählen.
„Wo wir gerade von Albin sprechen“, drehte Agneta sich dann ruckartig wieder um und Linnea sah auf. „Ich habe ehrlich versucht, mich nicht einzumischen, aber es geht nicht.“ Sie kam zurück zum Tisch, schlug eine Seite in dem Magazin auf und schob es ihrer Tochter hin. Es war eine Werbekampagne für Dior Homme Parfüm und Haydn Cavendish zeigte sich darauf in äußerst provozierender Pose mit einer halbnackten Frau auf seinem Schoß. Linnea schluckte schwer. Verdammt, sah er heiß aus. Aber sie wusste, dass es hier nicht darum ging. Sie hatte es immer gefürchtet und doch immer gewusst, dass es unvermeidlich war. Agneta hatte damals fast augenblicklich wieder das Haus verlassen und seither war dieser Tag über ihnen geschwebt und hatte nur darauf gewartet, aufgeklärt zu werden. Keine Mutter der Welt hätte das Geschehene einfach so hinnehmen können.
„Wieso war Haydn Cavendish in meiner Küche?“ Linnea wusste, was sie eigentlich fragen wollte, war