Slow Dancing In A Burning Room. Rika Mayer
ich mich noch in meinem Schmerz vergraben.“ „Schön zu sehen, dass du deinen Sarkasmus nicht verloren hast“, schüttelte Edda den Kopf und nützte dann den Moment, um Linnea die Decke aus der Hand zu reißen. „Hey!“, setzte Linnea sich auf. „Komm in die Küche, ich mach dir ein schnelles Frühstück. Du hast seit Tagen nicht gegessen.“ Sie warf einen Blick auf das Tablett auf der Kommode, das nicht angerührt worden war. „Kein Hunger.“ „Okay!“, erhob Edda ihre Stimme. Etwas, das sie nur in Sonderfällen tat. Aber das hier war ein Sonderfall. Ihre Nichte machte sich lächerlich – und das in ihrem Alter. „Schluss jetzt! Du hattest einen Streit mit deiner Mutter. So was kommt vor! Aber du bist erwachsen und du hast Verantwortung zu übernehmen und nicht davon zu laufen!“ Sie ging zum Fenster und öffnete es, um die kühle frische Luft davor herein zu lassen. „Du hattest ein paar Tage um dich abzureagieren, jetzt ist es Zeit, dass du aus diesem stickigen Zimmer gehst und in die Wirklichkeit zurückkommst!“ Linnea stöhnte und wich vor der kalten Luft zurück, aber Edda hatte ihre Decke in Beschlag genommen. „Morgen!“ „Nein, heute! – Linn“, wurde Eddas Stimme wieder etwas sanfter und sie ging zu ihr und setzte sich auf die Bettkante. „Linn, ich verstehe ja, dass du etwas Abstand brauchst. Und glaub mir, nichts macht mich stolzer als die Tatsache, dass du hierher geflüchtet bist, aber bist du sicher, dass du und deine Mutter euch wirklich nicht versöhnen könnt?“ Linnea zog ihre Decke an sich und zuckte die Schultern. „Nein, ich glaube nicht.“ „Vielleicht möchtest du mir sagen, was genau passiert ist? Zu beichten kann oft sehr befreiend sein.“ „Oh nein, komm mir nicht mit dem ganzen Kirchenzeug“, hob Linnea die Hand und hievte sich aus dem Bett. „Ich will nichts davon hören, wie göttlich Vergebung ist oder wie ein Ave Maria mich von meinen Sünden befreit! Denn um ehrlich zu sein, will ich gar nicht davon befreit werden. Nicht davon, was ich zu meiner Mutter gesagt habe, denn ich habe jedes Wort ernst gemeint; und nicht davon, was den Streit ausgelöst hat, denn das meiste davon war es wert! Und ich kann dir auch nicht sagen, was alles passiert ist, denn erstens geht es dich nichts an, weil du nicht Teil des Ganzen bist und zweitens würdest du mich dafür vielleicht noch mehr verachten als Agneta es tut.“
Edda musterte ihre Nichte einen Moment, dann stand sie auf und nickte. „Komm jetzt mit nach unten und ich mach dir ein schönes Frühstück. Schluss mit Hungern, das schadet dem Baby.“ „Ich brauche zuerst eine Dusche.“ Edda lächelte. „Gut, geh unter die Dusche und ich mache dir einen schönen Kamillentee, Eier und Speck.“ „Tant Edda?“ „Ja?“ „Danke, dass du mich hier wohnen lässt.“ „Du bist Familie“, zuckte sie nur die Schultern und schloss die Tür hinter sich.
Linnea streckte sich vor dem Fenster und sog die frische Luft tief ein. Es tat gut und sie fühlte sich sofort etwas munterer. Dann schleppte sie sich über den Flur ins Bad. Mein Gott, sie sah so furchtbar aus, dass sie vor sich selbst erschrak. Mit steifen Gliedern stieg sie in die Dusche und seufzte tief. Das Wasser tat gut und sie spürte wie auch das Baby in ihr aufwachte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl zu spüren wie sich etwas in einem tatsächlich bewegte. „Guten Morgen, mein Schatz“, streichelte sie ihren Bauch und wusch sich dann das Shampoo aus den Haaren.
Erfrischt und gleich etwas besser gelaunt, ging sie schließlich in die Küche hinunter, in der Edda sie bereits erwartete. Jetzt siehst du gleich wieder viel besser aus.“ „Ich glaube, es geht mir auch ein kleines bisschen besser. Es ist ein Wunder was frische Unterwäsche bewirken kann.“ „Dein Frühstück steht auf dem Tisch. Möchtest du Orangensaft?“ „Gerne“, setzte Linnea sich und sah auf ihren Teller. Essen war doch etwas Großartiges.
„Ich habe mir gedacht, ich werde meine Einkäufe erledigen, solange die Kinder noch in der Schule sind“, kam Edda mit einer Gießkanne zurück in die Küche, wo Linnea sich gerade den letzten Bissen Toast in den Mund schob. „Dann geht es schneller. – Möchtest du mich begleiten?“ Aufzustehen, sich zu duschen und zu essen war eine Sache, aber war sie schon bereit, wieder nach draußen in die echte Welt zu gehen, nachdem sie so viele Tage in der Dämmerung von Eddas Gästezimmer verbracht hatte? „Ja, gern.“ „Sehr gut“, nickte Edda und stellte die Gießkanne in den Schrank unter der Spüle. „Dann geh jetzt nach oben und zieh dein Bett ab, damit ich das Bettzeug in die Waschmaschine stecken kann.“ Sie nahm Linnea ihren Teller ab, bevor diese protestieren konnte und Linnea stand auf. „Okay“, antwortete sie dann immer noch etwas zögerlich.
Sie fuhren zum nächsten großen Supermarkt und kauften so viel ein, dass es wohl für den nächsten Monat reichen würde. Linnea bot an, ihren Teil beizusteuern, aber Edda wollte nichts davon hören. „Du bist Familie und du bist Gast.“ „Aber ich weiß nicht, wie lange ich hier sein werde, ich möchte wirklich nicht…“ „Unsinn. Du kannst so lange bleiben wie du willst. Es ist nett jemanden zum Reden haben. Mit der Zeit wird es einsam, jeden Tag allein zu Hause zu sitzen, wenn Jasper in der Arbeit und die Kinder in der Schule sind.“ „Ich bestehe darauf, ein bisschen beizutragen…“ Doch Edda ließ sie gar nicht ausreden. „Du kannst mir im Haushalt helfen, das genügt. Du brauchst dein Geld für das Baby bis du einen neuen Job suchen kannst.“ Linnea schob den Einkaufswagen Richtung Kassen und nickte. „Das kann ich machen.“ Sie konnte ihr nicht sagen, dass sie mehr als genug Geld hatte, das hätte nur zu neuen Fragen geführt. „Gut“, lächelte Edda zufrieden. „Dann hätten wir das auch geklärt.“
Nach dem Mittagessen zog Linnea sich ihre Stiefel an und spazierte hinunter an den Strand, um den Wind ihren Kopf freiblasen zu lassen. Es war viel passiert in den letzten Wochen. Agneta und sie hatten es versucht. Nach allem was Linnea gestanden hatte, nach allem was Agneta ihr an den Kopf geworfen hatte. Aber selbst die Tatsache, dass Agneta sich zu Erik zurückzog beruhigte Linnea nicht. Wahrscheinlich war es wirklich an der Zeit gewesen. Eine dreißigjährige Frau sollte wirklich nicht mehr bei ihrer Mutter wohnen, egal wie sehr sie deren Unterstützung mit dem Baby brauchen würde. Aber wo sollte sie hin? Sie hatte an Kristina gedacht, aber die hatte nur eine Couch und ein eigenes Baby und würde zu viele Fragen stellen.
Sie ging eine Weile an der Brandung entlang, dann setzte sie sich auf einen Felsen und sah aufs Meer hinaus. So war es besser. Weit weg von Stockholm und allem was passiert war. Und sie war sowieso unglücklich gewesen in ihrem Job und hatte nicht mehr die Energie gehabt jeden Tag aufs Neue hinzugehen. Hier würde sie sich etwas Zeit nehmen können zu überlegen, was sie wirklich machen wollte. Wenn das Baby da war und sie wieder zur Arbeit würde gehen können. Oh mein Gott, sie konnte nicht glauben, wie nahe der Geburtstermin bereits gerückt war. Sie hatte noch so viel Zeit gehabt, jetzt lief die Uhr langsam ab. Und sie hatte Angst. Sie hatte Angst vor der Geburt und davor, ein Baby aufziehen zu müssen, ohne das Geringste darüber zu wissen. Sie hätte das nicht allein durchstehen sollen, so war es nicht geplant gewesen. Aber sie hatte Albin doch nicht noch ein zweites Mal anlügen können. Nicht auf Dauer. Es war von Anfang an nicht fair gewesen und hatte ja doch nie eine Zukunft gehabt, auch wenn sie versucht hatte, es sich einzureden. Haydn hätte über das Arrangement wahrscheinlich nicht mal mit der Wimper gezuckt, aber Albin hätte es niemals verstanden. Und er hätte Fragen gestellt. Hätte sie ihm wirklich sagen können, dass sie eine Affäre gehabt hatte, während er sich bemühte, sie zu heiraten? Würde sie je den Mut aufbringen, ihm auch das zu gestehen, was sie ihrer Mutter gestanden hatte? Nein, sie musste ihm ein zweites Mal das Herz brechen, damit er loslassen konnte und jemanden finden, der ihn zu schätzen wusste. Und sie war weit weg genug, um es ihnen beiden einfacher zu machen.
8
Devon zupfte die Vorhänge zurecht bevor sie sich wieder herum drehte. „Du hast natürlich alles Recht abzulehnen und eine schwindelige Ausrede zu erfinden“, beobachtete sie Haydn einen Moment, der auf ihrem Bett lag und in einer Zeitschrift blätterte, „aber würdest du mit mir auf eine Galerieeröffnung kommen?“ Er hob den Kopf und musterte die junge Frau vor ihm. „Eine Galerieeröffnung?“, zog er die Augenbrauen hoch und klappte die Zeitschrift zu. „Ja“, setzte sie sich an ihren kleinen Schminktisch, den sie ebenfalls auf einem Markt entdeckt hatte und mit Mühe in ihre Wohnung gequetscht hatte und nahm ihre Ohrringe heraus. „Einer meiner Freunde hat mich gebeten, vorbei zu kommen und ihm meine ehrliche Meinung zu sagen.“ „And you’re sure you shouldn’t go with another artist or somebody else more suitable?“ Sie sah auf seine Reflexion im Spiegel